Am 1. November 2018 um 1:30 Uhr morgens drangen Sicherheitskräfte unbefugt in die Wohnung von Hoda Abdelmoniem in Kairo ein und durchsuchten sie. Danach verbanden sie Hoda Abdelmoniem die Augen und fuhren gemeinsam mit ihr zum Haus ihrer Mutter. Während die Sicherheitskräfte auch das Haus ihrer Mutter durchsuchten, ließen sie Hoda Abdelmoniem mit verbundenen Augen im Polizeiauto zurück. Die Tochter von Hoda Abdelmoniem war Zeugin der Festnahme. Die Männer wiesen sich gegenüber der Tochter als Angehörige der Staatssicherheit aus. Sie legten ihr jedoch keinen Haftbefehl vor und verweigerten auch jegliche Auskunft über die Gründe für die Festnahme oder den Zielaufenthaltsort ihrer Mutter. Sie gestatteten Hoda Abdelmoniem nicht, ihre Medikamente oder andere persönliche Gegenstände mitzunehmen.
Nachdem der Verbleib von Hoda Abdelmoniem 20 Tage lang unbekannt gewesen war, wurde sie am 21. November 2018 der Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit (SSSP) vorgeführt. Die SSSP ist eine Sonderabteilung der Staatsanwaltschaft, die für Ermittlungen im Bereich nationale Sicherheit zuständig ist. Am nächsten Tag durften ihre Familienangehörigen sich mit ihr im Büro der SSSP treffen. Sie berichteten, dass sie noch dieselbe Kleidung trug wie vor ihrem Verschwindenlassen und dass sie Angst hatte, am ganzen Körper zitterte und nicht über die Geschehnisse sprechen wollte. Anschließend wurde Hoda Abdelmoniem wieder an einen unbekannten Ort gebracht. Am 24. und 28. November 2018 fanden im SSSP-Büro weitere Treffen zwischen Hoda Abdelmoniem und ihrer Familie statt. Vom 2. Dezember 2018 bis zum 14. Januar 2019 wussten ihre Angehörigen und Rechtsbeistände jedoch wieder nichts über ihr Schicksal und ihren Verbleib.
Erst am 14. Januar 2019 wurde der Familie mitgeteilt, dass Hoda Abdelmoniem am 15. Januar 2019 erneut vor der Staatsanwaltschaft erscheinen werde. Dabei wurde ihre Untersuchungshaft erneut um 15 Tage verlängert. Sie sagte ihrer Tochter, dass sie nicht wisse, wo sie festgehalten wird. Die Tochter von Hoda Abdelmoniem gab an, ihre Mutter habe bei diesem Termin abgemagert ausgesehen, was auf die unzureichende Versorgung mit Nahrungsmitteln und die schlechte Qualität des Essens zurückzuführen ist. Nach ihrer Befragung durch die SSSP brachten die Sicherheitskräfte sie wieder mit verbundenen Augen an einen unbekannten Ort. Nachdem sie weitere zwei Wochen "verschwunden" war, wurde sie am 31. Januar 2019 in das Frauengefängnis von Al-Qanater verlegt.
Am 1. November 2018, dem Tag ihrer Festnahme, begannen die ägyptischen Behörden eine Serie von Durchsuchungen und nahmen mindestens 31 Menschenrechtsverteidiger*innen fest – zehn Frauen und 21 Männer. Die Menschenrechtsorganisation Egyptian Coordination for Rights and Freedoms (ECRF), die das Verschwindenlassen von Personen und die zunehmende Anwendung der Todesstrafe dokumentiert sowie Opfern von Menschenrechtsverletzungen Rechtshilfe leistet, ist vom harten Vorgehen der Behörden besonders betroffen, da viele ihrer Mitglieder festgenommen wurden. In einer am 1. November 2018 veröffentlichten Erklärung kündigte die ECRF die Aussetzung ihrer Menschenrechtsarbeit an. Die Organisation bezeichnete die Situation in Ägypten als unvereinbar mit jeglicher Form der Menschenrechtsarbeit und forderte den UN-Menschenrechtsrat auf, einzuschreiten.
Hoda Abdelmoniem engagierte sich ehrenamtlich als Rechtsberaterin bei der ECRF. Sie hat in den vergangenen Jahren Menschenrechtsverletzungen im Land dokumentiert, darunter auch Fälle des Verschwindenlassens. Desweiteren ist Hoda Abdelmoniem ein ehemaliges Mitglied des nationalen Menschenrechtsrats und der Anwaltskammer von Ägypten. Im Jahr 2013 wurde ihr ein Auslandsreiseverbot auferlegt, ohne dass sie eines Vergehens beschuldigt wurde.
Ab Mai 2020 verlängerten ägyptische Gerichte und Staatsanwaltschaften die Haftbefehle für Tausende von Untersuchungshäftlingen in deren Abwesenheit. Dieses Vorgehen stellt eine massive Verletzung des Rechts auf ein ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren dar, einschließlich des Rechts, die Rechtmäßigkeit der Inhaftierung anfechten zu können. Seit der Wiederaufnahme von Gerichtsverhandlungen am 1. Mai 2020 wurden nur wenige Angeklagte dem Gericht vorgeführt. Rechtsbeiständen zufolge weigerten sich Richter*innen auch, ihre Verteidigung – einschließlich der Bedenken, dass die Verlängerungsentscheidungen gegen ägyptisches Recht verstoßen könnten – anzuhören. Während einer Anhörung bat ein Richter die anwesenden Rechtsbeistände, fünf von sich zu benennen, die Hunderte von Angeklagten vertreten sollten.
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Die Urgent Action läuft bis 5. Oktober 2020