Mahira Yakub arbeitete für das Versicherungsunternehmen China Life Insurance Co. Außerdem verkaufte sie Walnüsse auf lokalen Märkten und erteilte uigurischen Kindern abends Sprachunterricht in Mandarin. Nach Mahira Yakubs Verschwinden im April 2019 wandte sich ihre in Australien lebende Schwester an die dortigen Behörden. Erst im September 2019 erfuhr sie durch einen Austausch zwischen den australischen Behörden und der chinesischen Botschaft in Canberra, dass Mahira Yakub am 15. Mai 2019 wegen des Verdachts der Finanzierung terroristischer Aktivitäten festgenommen und „im Juli 2019 wegen der mutmaßlichen Finanzierung terroristischer Aktivitäten strafrechtlich verfolgt wurde und sich derzeit bei guter Gesundheit befindet“.
Die Eltern von Mahira Yakub werden von den chinesischen Behörden als „Terroristen auf der Flucht“ bezeichnet, konnten China aber 2015 und 2016 unbehelligt besuchen. Sie standen bei den australischen Behörden in keiner Weise wegen mutmaßlicher krimineller Aktivitäten in Verdacht.
Nach Angaben ihrer Schwester hat Mahira Yakub im Juni und Juli 2013 Geld an ihre Eltern überwiesen, um diese beim Kauf eines Hauses in Australien zu unterstützen. Mahira Yakubs Schwester ist im Besitz der entsprechenden Unterlagen, darunter Belege der getätigten Überweisungen und eine Bestätigung des Hauskaufs. Die chinesischen Behörden behaupteten auch, dass Mahira Yakub im Besitz von Gegenständen sei, die Extremismus förderten, darunter 66 Fotos. Ihre Schwester geht jedoch davon aus, dass auf den Fotos sie selbst, Mahira Yakub und ihre Mutter zu sehen sind, jeweils bekleidet mit einem Kopftuch.
Für die Inhaftierung von Mahira Yakub in der Einrichtung zur „Transformation durch Erziehung“ von März bis Dezember 2018 wurden keine Gründe genannt. Unklar war, ob diese Inhaftierung in einem Zusammenhang mit den Geldüberweisungen an ihre Eltern stand.
Ihrer Schwester zufolge konnte Mahira Yakub keinen Rechtsbeistand beauftragen, weil sie Uigurin ist. Amnesty International hat Fälle dokumentiert, in denen Angehörige ethnischer Minderheiten in Xinjiang keine Rechtsbeistände engagieren konnten, weil diese Vergeltungsmaßnahmen befürchteten, wenn sie die Vertretung übernehmen würden.
Xinjiang gehört zu ethnisch vielfältigsten Regionen Chinas. Mehr als die Hälfte der 22 Millionen Einwohner*innen der Region gehören überwiegend turksprachigen und meist muslimischen ethnischen Gruppen an, darunter Uigur*innen (rund 11,3 Millionen), Kasach*innen (rund 1,6 Millionen) und andere Bevölkerungsgruppen, deren Sprache, Kultur und Lebensweise sich deutlich von denen der Han-Chines*innen unterscheiden, die im „inneren“ Chinas die Bevölkerungsmehrheit bilden