Hintergrundinfo
Solafa Magdy, Hossam el-Sayed und Mohamed Salah sind freie Journalist*innen, die für verschiedene Medienanstalten arbeiten. Gegen sie ermittelt im Fall Nr. 488/2019, der im Zusammenhang mit den Anti-Regierungsprotesten vom März 2019 steht, die Oberste Staatsanwaltschaft (SSSP). Diese Sonderabteilung der Staatsanwaltschaft ist für die Verfolgung von Straftaten zuständig, die sich auf die "Staatssicherheit" beziehen. Solafa Magdy und Mohamed Salah sehen sich den konstruierten Anklagen "Beitritt zu einer terroristischen Organisation" und "Verbreitung falscher Nachrichten" gegenüber, während Hossam el-Sayed der "Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation" beschuldigt wird.
Am 30. August 2020 wurde Solafa Magdy der SSSP zur Vernehmung im Zusammenhang mit einem neuen Fall (Nr. 855/2020) vorgeführt. Die Vorwürfe lauteten "Beitritt zu einer terroristischen Organisation", "Verbreitung falscher Nachrichten" und "Missbrauch sozialer Medien". Bei ihrer Befragung zu den Vorwürfen machte Solafa Magdy von ihrem Schweigerecht Gebrauch. Auf die Frage der Staatsanwaltschaft nach dem Grund für ihr Schweigen gab sie an, dass sie keinen Unterschied zwischen dieser Ermittlung und der ursprünglichen Ermittlung wegen ähnlicher Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Fall Nr. 488/2019 sehe. Der Fall Nr. 855/2020 betrifft auch andere politische Gefangene, die im Zusammenhang mit separaten Ermittlungen wegen ähnlicher unbegründeter "Terrorismus"-Vorwürfe bereits in Untersuchungshaft sitzen – unter ihnen die Menschenrechtsverteidigerin Mahienour el-Masry, die Journalistin Esraa Abdelfattah und der Menschenrechtsanwalt Mohamed el-Baqer. Nach Informationen von Amnesty International stützte die Staatsanwaltschaft ihre Anschuldigungen gegen Solafa Magdy und die anderen politischen Gefangenen vorwiegend auf Ermittlungsakten des Staatssicherheitsdienstes (NSA), die die Angeklagten und ihre Rechtsbeistände nicht einsehen durften. In den letzten Monaten hat die SSSP vermehrt Entscheidungen von Gerichten oder Staatsanwaltschaften zur Freilassung von Inhaftierten in verlängerter Untersuchungshaft umgangen, indem sie neue Haftbefehle mit ähnlichen Anschuldigungen erließ.
Solafa Magdy war im Frauengefängnis al-Qanater bereits in der Vergangenheit diskriminierender Behandlung ausgesetzt. Unter anderem hinderten die Gefängnisbehörden Solafa Magdys Mutter während der aufgrund der Covid-19-Beschränkungen ausgesetzten Gefängnisbesuche vom 12. bis zum 29. April 2020 daran, ihrer Tochter Geld, Lebensmittel und Hygieneartikel zu schicken. Andere Inhaftierte durften in diesem Zeitraum Pakete von ihren Angehörigen erhalten. Im Gegensatz zu den meisten anderen Insassinnen des al-Qanater-Gefängnisses konnte Solafa Magdy während der Aussetzung der Gefängnisbesuche zudem keine Briefe senden oder empfangen, sodass sie faktisch ohne Kontakt zur Außenwelt inhaftiert war.
Am 1. Februar 2021 veröffentlichte das Innenministerium eine Erklärung, in der die Vorwürfe, Solafa Magdy sei misshandelt worden und befinde sich in einem schlechten Gesundheitszustand, bestritten wurden. In der Erklärung wurde die Muslimbruderschaft beschuldigt, falsche Informationen zu verbreiten. Dem Antrag ihrer Rechtsbeistände, sie zur Untersuchung ihrer Verletzungen in die Gerichtsmedizin zu überweisen, wurde nicht stattgegeben.
Seit dem Machtantritt von Präsident Abdel Fattah al-Sisi gehen die Behörden hart gegen unabhängige Berichterstattung vor. Sie haben willkürlich Hunderte von Websites gesperrt, die Büros von mindestens neun Medienanstalten durchsucht und/oder geschlossen und Dutzende Journalist*innen willkürlich inhaftiert. Die Festnahmen von Solafa Magdy, Hossam el-Sayed und Mohamed Salah erfolgten im Zusammenhang mit der Niederschlagung der Anti-Regierungs-Proteste ab September 2019 – der umfassendsten Aktion zur Unterdrückung von Gegenstimmen seit 2014. Amnesty International hat Massenverhaftungen von friedlichen Demonstrierenden, Journalist*innen, Menschenrechtsanwält*innen, Aktivist*innen und Politiker*innen durch ägyptische Sicherheitskräfte zur Unterdrückung von Kritiker*innen und der Verhinderung weiterer Proteste dokumentiert.
Folter und andere Misshandlungen sind nach dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, dem Ägypten als Vertragsstaat angehört, verboten. Vorsätzliche Handlungen von Staatsbediensteten, die "erhebliche Schmerzen oder Leiden" zufügen, sei es körperlich oder geistig, zu Zwecken der Bestrafung, Nötigung oder Einschüchterung, zur Erlangung eines "Geständnisses" oder aus jedwedem Grund, der auf Diskriminierung beruht, stellen Folter dar.
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Diese Urgent Action läuft bis 24.3.2021