
Urgent Action Iran: Massenabschiebungen von Afghan*innen stoppen!
4. August 2025Mehr als eine Million Afghan*innen sind im Jahr 2025 bereits unter Verstoß gegen das Völkerrecht aus dem Iran nach Afghanistan abgeschoben worden. Darunter sind auch Menschen, die im Iran geboren wurden oder seit Jahrzehnten dort lebten. Die Massenabschiebungen haben mit der Eskalation der Kampfhandlungen zwischen Israel und dem Iran zugenommen. Mehr als eine halbe Million Afghan*innen sind seit dem 1. Juni abgeschoben worden, darunter Tausende unbegleitete Minderjährige. Millionen weiteren Afghan*innen droht die Abschiebung, darunter auch Frauen und Mädchen, die als solche als Flüchtlinge anerkannt werden müssen und nicht nach Afghanistan zurückgeschickt werden dürfen, da die Taliban sie dort aufgrund ihres Geschlechts verfolgen.
Die iranischen Behörden nehmen derzeit beispiellose Massenabschiebungen von Afghan*innen vor. Seit Anfang 2025 sind bereits mehr als eine Million Menschen abgeschoben worden, darunter unbegleitete und von ihren Eltern getrennte Minderjährige, Flüchtlinge und Asylsuchende, im Iran geborene Menschen sowie Afghan*innen, die seit Jahrzehnten im Iran lebten. Nach Angaben des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge (UNHCR) hat sich die Lage seit dem 1. Juni 2025 weiter verschärft und Millionen weitere Afghan*innen sind in Gefahr, ebenfalls abgeschoben zu werden. In Afghanistan herrscht derzeit eine schwere menschenrechtliche und humanitäre Krise, und vielen der dorthin Abgeschobenen drohen Verfolgung und Menschenrechtsverstöße durch die Taliban.
Nachdem die Kampfhandlungen zwischen Israel und dem Iran am 13. Juni 2025 eskalierten, nahmen die Massenabschiebungen weiter zu. Am 22. Juni zitierten die staatlichen Medien einen Angehörigen der iranischen Grenztruppen mit den Worten, dass "alle nicht autorisierten Staatsangehörigen den Iran verlassen müssen". (Die iranischen Behörden bezeichnen afghanische Staatsangehörige und Menschen afghanischer Herkunft oft als "nicht autorisierte Staatsangehörige".) Die massenhaften Abschiebungen verstoßen gegen das Völkerrecht und werden u. a. mittels Hausdurchsuchungen, Personenkontrollen auf der Straße und willkürlicher Festnahmen durchgeführt. Häufig werden Menschen so schnell abgeschoben, dass sie keine Gelegenheit haben, ihre Habseligkeiten mitzunehmen. Die iranischen Behörden greifen gegenüber Afghan*innen immer stärker auf entmenschlichende Rhetorik zurück und schüren damit Hassreden und Hassverbrechen. Sie entziehen Afghan*innen zudem wirtschaftliche und soziale Rechte wie den Zugang zur Gesundheitsversorgung und zur Grundschul- und Sekundarbildung.
Unter den nach Afghanistan Abgeschobenen befinden sich Frauen und Mädchen, Künstler*innen, Dissident*innen, ehemalige Regierungsangehörige, Journalist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen. Ihnen allen drohen Menschenrechtsverstöße durch die Taliban. Nach dem im Völkerrecht verankerten Grundsatz der Nicht-Zurückweisung (Non-Refoulement-Prinzip) dürfen Staaten niemanden in ein Land zurückschicken, in dem ihm*ihr nachweislich Menschenrechtsverstöße drohen würden. Frauen und Mädchen würden in Afghanistan ihrer Menschenrechte beraubt. Unter anderem werden ihnen dort die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Glaubensfreiheit, Bildung, Arbeit, Freizügigkeit, körperliche Selbstbestimmung und Schutz vor Folter und anderer Misshandlung aberkannt. Alle Staaten und auch der Iran müssen afghanischen Frauen und Mädchen als Gruppe den Flüchtlingsstatus zusprechen. Sie dürfen nicht nach Afghanistan abgeschoben werden, da sie dort geschlechtsspezifischer Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt sind, was ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellt.
Hintergrund
Der Iran hat in den vergangenen 40 Jahren so viele afghanische Flüchtlinge aufgenommen wie kaum ein anderes Land. Nach Angaben des UNHCR hielten sich 2022 mehr als 4,5 Mio. Afghan*innen im Iran auf. Mindestens eine Million waren seit der erneuten Machtergreifung der Taliban im Jahr 2021 in den Iran geflohen, darunter afghanische Menschenrechtler*innen, Aktivistinnen und Protestteilnehmerinnen sowie Journalist*innen und Andersdenkende. Im Iran werden Afghan*innen im Gesetz und in der Praxis stark diskriminiert, u. a. in Bezug auf Bildung, Wohnraum, Beschäftigung, Gesundheitsversorgung, Bankdienstleistungen und Bewegungsfreiheit. Dies gilt sowohl für Neuankömmlinge als auch für Afghan*innen, die seit Jahrzehnten im Iran leben oder im Iran geboren wurden. Sie sind auch mit Rassismus konfrontiert, der durch Hassreden seitens der Behörden weiter angefacht wird und zu Gewalttaten durch staatliche und nichtstaatliche Akteure führt, die häufig ungestraft bleiben.
Die iranischen Gesetze enthalten keine verlässlichen rechtlichen Möglichkeiten zur Einbürgerung, außer durch die Heirat mit einem*r iranischen Staatsangehörigen und unter ein paar wenigen außergewöhnlichen Umständen. Infolgedessen haben die meisten Afghan*innen im Iran auch nach Jahrzehnten noch einen prekären Migrationsstatus, und ihre Kinder erhalten nicht automatisch die iranische Staatsangehörigkeit, obwohl sie im Land geboren sind. Bis März 2025 hatten Millionen Afghan*innen noch die Möglichkeit, vorübergehend einen offiziellen Aufenthaltsstatus im Iran zu erhalten, indem sie sich um ein Dokument namens bargeh-e sarshomari bemühten. Mit diesem Dokument hatten sie Zugang zu eingeschränkten sozioökonomischen Leistungen wie z. B. staatliche Gesundheitsfürsorge, öffentliche Bildung, Beschäftigung, Bankkonten und Mietverträge. Am 12. März kündigte die dem Innenministerium unterstehende Einwanderungsstelle an, dass die bargeh-e sarshomari-Dokumente für Afghan*innen automatisch mit Beginn des Jahres 1404 nach iranischem Kalender (am 20. März 2025) ablaufen würden und damit auch der Zugang zu allen sozioökonomischen Dienstleistungen gestoppt werde. In den folgenden Monaten teilten die iranischen Behörden mit, dass sie Afghan*innen, deren Dokumente abgelaufen waren, bis Juni 2025 nach Afghanistan abzuschieben gedachten. Vom 1. Juni bis 10. Juli schoben sie mindestens 546.000 Menschen ab, darunter 5.000 "unbegleitete und von ihren Eltern getrennte Minderjährige" im Juni 2025.
Bitte bis Ende 2025 unterschreiben.