Regierungen müssen aber bei der Erstellung der Pläne für die COVID-19-Immunisierung auch menschenrechtliche Faktoren berücksichtigen, die einige Personen und Gemeinschaften in eine besonders gefährdete Situation bringen. Die Pandemie verschärft nicht nur bereits bestehende Ungleichheiten, sondern hat auch unverhältnismäßige Auswirkungen auf Menschen, die ausgegrenzt und diskriminiert werden.
So sind zum Beispiel indigene Amazonasgemeinden in Ecuador aufgrund des Mangels an Trinkwasser, Nahrungsquellen, medizinischer Versorgung, Gesundheitsdiensten und COVID-19-Tests oft einem höheren Risiko ausgesetzt. Im April verschmutzte eine Ölpest die Lebensmittel- und Wasserquellen vieler Gemeinschaften, was ihr Infektionsrisiko erhöhte.
Menschen, die in überfüllten Flüchtlingslagern unter unhygienischen Bedingungen leben müssen, dürften ebenfalls einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt sein. Undokumentierte Migrant*innen und Geflüchtete haben in vielen Ländern oftmals keinen Zugang zu medizinischer Versorgung, einschließlich Impfstoffen.
Bei allen Entscheidungen über die Bereitstellung von Impfstoffen müssen Risiko- und Gefährdungsfaktoren wie Arbeits- und Lebensbedingungen sowie der Zugang zu sanitären Einrichtungen sorgfältig berücksichtigt werden. Zu eng gefasste Definitionen von Risikofaktoren könnten dazu führen, dass gerade jene Menschen, die den Impfstoff am dringendsten benötigen, ihn nicht erhalten.
Die möglichst frühzeitige Bereitstellung von Impfstoffen an Gesundheitspersonal muss alle Menschen berücksichtigen, die im Gesundheitssektor arbeiten – also neben Ärzt*innen und Krankenpflegekräfte auch Fahrer*innen, Verwaltungspersonal, Pflegepersonal und viele mehr.
2. Länder müssen zusammenarbeiten
Nach internationalen Menschenrechtsbestimmungen sind Länder verpflichtet, im Kampf gegen die Pandemie zusammenzuarbeiten. Wohlhabendere Staaten tragen eine besondere Verantwortung, Staaten mit weniger Ressourcen zu unterstützen. Aber einige Regierungen haben sehr schnell einen "Wir zuerst"-Ansatz eingeschlagen, der die Wirksamkeit von Impfstoffen untergraben könnte.
Untersuchungen von Oxfam haben gezeigt, dass reiche Nationen, die nur 13 Prozent der Weltbevölkerung repräsentieren, bereits mehr als die Hälfte der in naher Zukunft verfügbaren Impfstoffe aufgekauft haben. Das bedeutet, dass mehr als die Hälfte der versprochenen Dosen der fünf führenden Impfstoffe bereits vergeben sind. Im November 2020 waren bereits mehr als 80 % der für 2021 geplanten Impfstofflieferungen von Pfizer-BioNTech und Moderna an reiche Länder verkauft worden.