Anti-Terror-Maßnahmen im Einsatz gegen die Zivilgesellschaft
Unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung werden Menschenrechte verletzt und die Rechtsstaatlichkeit untergraben. Menschenrechtsverteidiger*innen, Gewerkschafter*innen und Journalist*innen werden ohne ordnungsgemäße Verfahren auf die „Terrorliste“ der Regierung gesetzt. Dadurch werden ihnen ihre bürgerlichen und politischen Rechte vorenthalten. NGOs müssen sich laut einem drakonischen Gesetz bei den Behörden registrieren lassen, andernfalls droht ihnen die Schließung.
Willkürliche Verhaftungen und unfaire Gerichtsverfahren
Oppositionelle und Regierungskritiker*innen sind ständig der Gefahr von willkürlichen Verhaftungen ausgesetzt. In politisch motivierten Verfahren werden die Standards für faire Gerichtsverfahren systematisch verletzt. So verurteilte beispielsweise im März 2023 ein Staatssicherheitsgericht 30 Personen, darunter den Gründer der Menschenrechtsorganisation Egyptian Coordination for Rights and Freedoms, nach einem unfairen Verfahren zu Gefängnisstrafen zwischen fünf Jahren und lebenslänglich. Die haltlosen Anschuldigungen bezogen sich auf ihre Menschenrechtsarbeit und ihre friedlich geäußerten kritischen Ansichten.
Zudem weigern sich die Sicherheitskräfte immer wieder, Inhaftierte freizulassen, die von Staatsanwaltschaften oder Gerichten freigesprochen oder vorläufig freigelassen wurden oder die ihre Haftstrafen bereits verbüßt haben.
Im Juni 2023 bezeichnete Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi Inhaftierungen als „Rettung Ägyptens”.
Gerichte und die für Staatssicherheit zuständige Sonderabteilung der Staatsanwaltschaft verlängern routinemäßig die Untersuchungshaft von Inhaftierten und verweigern ihnen die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit ihrer Haft wirksam anzufechten.
Verschwindenlassen, Folter und andere Misshandlungen
Angehörige des Nationalen Geheimdiensts (National Security Agency – NSA) und andere Sicherheitskräfte lassen Andersdenkende verschwinden. Nach Angaben der Kampagne Stop Enforced Disappearances der Egyptian Commission for Rights and Freedoms wurden mindestens 70 im Jahr 2023 festgenommene Personen Opfer des Verschwindenlassens.
In Gefängnissen, Polizeistationen und Einrichtungen des NSA sind Folter und andere Misshandlungen an der Tagesordnung.
Die Haftbedingungen in ägyptischen Gefängnissen verstoßen gegen das absolute Verbot von Folter und anderen Misshandlungen. Inhaftierten wird die medizinische Versorgung verweigert, sie müssen lange Zeit in Isolationshaft verbringen, werden grellem Licht ausgesetzt und rund um die Uhr mit Kameras überwacht. Auch Familienbesuche werden den Inhaftierten verweigert.
Anwendung der Todesstrafe in Ägypten
In Ägypten wird weiterhin die Todesstrafe vollzogen. Die für Terrorismus zuständigen Kammern der Strafgerichte sowie Militärgerichte und andere Gerichte verhängten Todesurteile nach unfairen Prozessen. Im Jänner 2023 verurteilte ein Kairoer Strafgericht mehrere Männer wegen „Terrorismus” zum Tode. Das Verfahren war überschattet von Vorwürfen, die Angeklagten seien dem Verschwindenlassen zum Opfer gefallen und „Geständnisse” seien unter Folter erpresst worden.
Straflosigkeit
Rechtswidrige Tötungen, Folter, Verschwindenlassen und andere schwere Menschenrechtsverletzungen bleiben zumeist straflos. Für das Massaker von Rabaa mit mehr als 900 Todesopfern sind auch zehn Jahre später immer noch keine Staatsbediensteten zur Rechenschaft gezogen worden.
Geschlechtsspezifische Diskriminierung und Gewalt
In Ägypten werden Frauen per Gesetz und im täglichen Leben diskriminiert, unter anderem in Bezug auf Heirat, Scheidung, Sorgerecht und den Zugang zu politischen Ämtern.
Der Staat bleibt tatenlos und unternimmts nichts, um geschlechtsspezifische Gewalt durch staatliche und nichtstaatliche Akteur*innen wirkungsvoll zu verhindern. Frauen müssen mit Strafverfolgung rechnen, wenn sie zum Beispiel sexualisierte Gewalt anprangern oder ihnen „Sittenlosigkeit” vorgeworfen wird.
Die Behörden schikanieren und verfolgen Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität. Betroffene berichten über Schläge und andere Misshandlungen in Polizeigewahrsam.
Recht- auf Religions- und Glaubensfreiheit
Menschen christlichen Glaubens werden in Ägypten durch Gesetze und im täglichen Leben diskriminiert. Der Bau und die Sanierung von Kirchen sind durch ein Gesetz aus dem Jahr 2016 eingeschränkt, das eine Genehmigung durch die Sicherheitsbehörden und andere staatliche Stellen vorschreibt.
Auch Angehörige anderer religiöser Minderheiten, Atheist*innen sowie Angehörige anderer Gruppen, die keine staatlich anerkannten religiösen Überzeugungen vertreten, werden bedroht und schikaniert, teilweise auch in ihren Bildungseinrichtungen oder im Internet.