Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen
Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche wurden nach wie vor in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Schule und im öffentlichen Raum diskriminiert. Die Behörden gaben an, alle Empfehlungen zur sexuellen Orientierung, zur Geschlechtsidentität und zum Ausdruck der Geschlechtlichkeit umgesetzt zu haben, die China am Ende der zum dritten Mal erfolgten Allgemeinen Regelmäßigen Überprüfung durch den UN-Menschenrechtsrat 2018 akzeptiert hatte. Zwei Empfehlungen betrafen ein Diskriminierungsverbot in der Gesetzgebung. Es gab 2019 jedoch kein Gesetz, das LGBTI ausdrücklich vor Diskriminierung schützte.
Nachdem der Kurznachrichtendienst Sina Weibo, der zu den beliebtesten sozialen Medien in China zählt, 2018 angeblich versucht hatte, schwule Inhalte zu entfernen, wurden im April 2019 Beiträge zu lesbischen Themen gelöscht. Aktivist*innen befürchteten, dass sich die Internetzensur von Inhalten, die sich auf LGBTI bezogen, verschärfen könnte.
Nach einer Internetkampagne, die für eine rechtliche Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe warb, räumte Yue Zhongming, der Sprecher des Rechtsausschusses des Nationalen Volkskongresses, ein, die öffentliche Meinung unterstütze die Aufnahme der gleichgeschlechtlichen Ehe in das Zivilgesetzbuch. Bisher werden gleichgeschlechtlichen Paaren aufgrund ihrer sexuellen Orientierung gleiche Rechte bezüglich Partnerschaft verwehrt.
Transgeschlechtliche Menschen wurden als „psychisch krank“ eingestuft, und für geschlechtsangleichende Operationen war die Zustimmung ihrer Familie erforderlich. Zudem gab es weitere Bedingungen, die den Zugang zu solchen Behandlungen erschwerten, so durfte die betreffende Person zum Beispiel weder verheiratet noch vorbestraft sein. Die weit verbreitete Diskriminierung und Stigmatisierung, restriktive Auflagen und fehlende Informationen führten dazu, dass transgeschlechtliche Menschen auf unsachgemäße und gefährliche Maßnahmen zur Geschlechtsangleichung zurückgriffen.
Transgeschlechtliche Personen berichteten Amnesty International, dass sie keine medizinische Beratung oder Entscheidungshilfe bezüglich geschlechtsangleichender Behandlungen erhalten hatten, als sie mit einer Hormontherapie begannen. Sie hätten sich über die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten vielmehr bei Freund*innen oder im Internet informiert.
Transgeschlechtliche Menschen, denen es ein dringendes Anliegen war, ihren Körper mit ihrer Geschlechtsidentität in Einklang zu bringen, berichteten Amnesty International, dass sie kaum eine andere Wahl hätten, als sich – trotz aller Risiken – Hormonpräparate auf dem Schwarzmarkt zu besorgen, da es keine leicht zugänglichen und verlässlichen Gesundheitsinformationen gebe. Einige versuchten sogar, Operationen an sich selbst vorzunehmen, da sie davon ausgingen, dass geschlechtsangleichende Behandlungen in einem Krankenhaus nicht möglich seien.
Amnesty International erhielt außerdem Berichte von LGBTI, die von ihren Familien zu „Konversionstherapien“ gezwungen wurden, die angeblich eine Änderung der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität oder des Ausdrucks von Geschlechtlichkeit bewirkten, da es sich dabei um behandlungsbedürftige psychische Störungen handle. Trotz eines wegweisenden Urteils aus dem Jahr 2014, wonach Homosexualität keine Krankheit sei und keine Behandlung erfordere, hatte die Regierung bislang keine Maßnahmen ergriffen, um „Konversionstherapien“ zu verbieten.
Menschenrechtsverteidiger*innen
Für Menschenrechtsverteidiger*innen schrumpften die Spielräume, die sie benötigten, um frei ihrer Arbeit nachgehen zu können, 2019 noch stärker. Sie wurden von den Behörden systematisch überwacht, schikaniert, eingeschüchtert, inhaftiert und zu Freiheitsstrafen verurteilt. Viele politisch engagierte Bürger*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen wurden nach wie vor auf Grundlage vager und viel zu weit gefasster Anklagen wie „Untergrabung der staatlichen Ordnung“, „Anstiftung zur Untergrabung der staatlichen Ordnung“ oder „Streitsucht und Unruhestiftung“ strafrechtlich verfolgt. Viele wurden unter dem Verdacht, sie seien an Straftraten in Bezug auf die Staatssicherheit beteiligt, in „Hausarrest an einem festgelegten Ort“ gehalten. Diese Form der Inhaftierung macht es der Polizei möglich, Personen, die solcher Straftaten verdächtigt werden, bis zu sechs Monate lang an einem geheimen Ort außerhalb des offiziellen Strafvollzugs und ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand und zu Familienangehörigen festzuhalten.
Die Behörden gingen 2019 weiterhin mit großer Härte gegen abweichende und unabhängige Stimmen vor. Von dem prominenten Menschenrechtsanwalt Gao Zhisheng fehlte weiterhin jede Spur. Er war im August 2017 erneut gewaltsam verschleppt worden, nachdem er seine Erfahrungen mit Verschwindenlassen, Folter und anderen Misshandlungen sowie illegalem Hausarrest in einem Buch veröffentlicht hatte. Im Februar 2019 wurde der Pekinger Menschenrechtsanwalt Yu Wensheng der „Anstiftung zur Untergrabung der staatlichen Ordnung“ und der „Behinderung von Amtsträgern bei der Erfüllung ihrer Dienstpflichten“ angeklagt, nachdem er einen offenen Brief in Umlauf gebracht hatte, in dem fünf Änderungen der Verfassung gefordert wurden. Gegen Chen Jianfang, die sich für bürgerliche und politische Rechte einsetzte, wurde im Juni 2019 Anklage wegen „Anstiftung zur Untergrabung der staatlichen Ordnung“ erhoben. Der engagierte Bürger Chen Bing erhielt am 4. April eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren. Er und drei weitere Personen waren wegen „Streitsucht und Unruhestiftung“ schuldig gesprochen worden, weil sie 2016 an den 27. Jahrestag der blutigen Niederschlagung der Proteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens erinnert hatten.
Bürgerjournalist*innen und Mitarbeiter*innen von Nichtregierungsorganisationen, die über Menschenrechtsverletzungen berichteten, waren staatlichen Vergeltungsmaßnahmen ausgesetzt. Anfang 2019 wurden Wei Zhili, Ke Changbing und Yang Zhengjun, die Herausgeber einer Webseite zu Arbeitnehmerrechten in Guangzhou (Kanton), in Haft genommen. Huang Qi, der Mitbegründer der Webseite 64tianwang.com, die über Proteste in China berichtete und diese dokumentierte, wurde wegen „Preisgabe von Staatsgeheimnissen“ und „Weitergabe von Staatsgeheimnissen an ausländische Stellen“ zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt. Liu Feiyue, der Gründer der Menschenrechtswebseite Civil Rights and Livelihood Watch, der Ende 2016 inhaftiert worden war, wurde am 29. Januar 2019 wegen „Anstiftung zur Untergrabung der staatlichen Ordnung“ zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Cheng Yuan, Liu Yongze und Wu Gejianxiong, drei Mitarbeiter einer Nichtregierungsorganisation, die sich gegen Diskriminierung wendet, wurden seit dem 22. Juli wegen des Verdachts der „Untergrabung der staatlichen Ordnung“ ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten. Die Behörden warfen erstmals einer ausländischen Nichtregierungsorganisation (Asia Catalyst) öffentlich vor, gegen das Gesetz zur Regulierung ausländischer Nichtregierungsorganisationen verstoßen zu haben.
Familienangehörige von Menschenrechtsverteidiger*innen wurden ebenfalls von der Polizei beschattet, schikaniert und in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Li Wenzu, die Frau des inhaftierten Menschenrechtsanwalts Wang Quanzhang, berichtete, sie habe lange Zeit keine Wohnung finden können, weil die Polizei die Vermieter unter Druck gesetzt habe, keinen Mietvertrag mit ihr abzuschließen. Ihr sechsjähriger Sohn Quanquan konnte nicht zur Schule gehen, weil die Schulverwaltung von der Polizei Drohungen erhielt.