„Alle Technologielösungen, die im Rahmen der Regierungsführung eingeführt werden, sind bereits in den diskriminierenden Kontext dieser bestehenden digitalen Kluft eingebettet.“
In Pakistan beispielsweise setzte die Nationale Registrierungsbehörde NADRA im Jahr 2023 drei Monate lang im computergestützten System zur Ausstellung von Personalausweisen die Kategorie „X“ aus. Diese Kategorie ermöglichte die Identifizierung mit einem anderen Geschlecht als männlich oder weiblich. Tausende trans und gender-diverse Menschen hatten aufgrund dieser Entscheidung keine gültigen Ausweispapiere, was bedeutete, dass sie ihre Grundrechte wie z. B. das Wahlrecht oder ihre Rechte auf Gesundheitsversorgung und Beschäftigung nicht wahrnehmen konnten. Im September 2023 wurden die Registrierungen unter der Kategorie „X“ wieder aufgenommen.
Neben der digitalen Kluft gibt es noch zahlreiche weitere Hürden, die Frauen, Mädchen und LGBTQIA+ Personen die Wahrnehmung ihrer Menschenrechte im digitalen Raum erschweren, u. a. Schwierigkeiten beim Zugang zu Informationen über sexuelle und reproduktive Gesundheit, Rechte und Dienstleistungen wie z. B. Schwangerschaftsabbrüche.
Die Einschränkung von Gesundheitsinformationen durch Regierungen oder Social-Media-Plattformen verstößt u. U. gegen das Recht auf Gesundheit, insbesondere wenn es sich um grundlegende Dienstleistungen für Frauen und LGBTQIA+ Personen handelt. Dies ist in den USA immer stärker zu beobachten, wo Aktivist*innen und Organisationen, die sich für reproduktive Rechte einsetzen, darüber berichten, dass Meta und TikTok Inhalte mit Bezug auf Schwangerschaftsabbrüche entfernen, was faktisch den Zugang zu lebensrettenden Informationen behindert.
Technologiesysteme, die zur Bewerbung von Inhalten auf Social-Media-Plattformen mit Algorithmen arbeiten, leisten u. U. ebenfalls Vorurteilen Vorschub, indem sie die Verbreitung von diskriminierenden Inhalten befeuern. Recherchen von Amnesty International über TikTok haben ergeben, dass das Unternehmen aus den vorliegenden Nutzer*inneninformationen persönliche Merkmale über diese ableitet, einschließlich Geschlecht und Interessen, um ihnen personalisierte und maßgeschneiderte Inhalte und Werbung anzuzeigen.
Auch die gezielte digitale Überwachung anhand von Spionagesoftware kann als eine Form von technologiegestützter geschlechtsspezifischer Gewalt betrachtet werden. Frauen und LGBTQIA+ Personen werden wegen ihres Einsatzes für die Menschenrechte ins Visier genommen und überwacht, was eine Reihe von geschlechtsspezifischen Folgen nach sich ziehen kann.
Recherchen von Amnesty International in Thailand zeigten auf, dass Aktivist*innen von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren böswillig und rechtswidrig digital überwacht und schikaniert wurden, was für diejenigen, die sich für die Rechte von Frauen und LGBTQIA+ Personen einsetzten, äußerst abträgliche Folgen hatte. Solche böswilligen Übergriffe, u. a. mit der berüchtigten Spionagesoftware Pegasus, haben zu Abschreckung und in einigen Fällen auch zu Selbstzensur oder der Einstellung des Aktivismus geführt.
In Thailand werden Frauenrechtlerinnen und LGBTQIA+ Aktivist*innen zudem mit Online-Schikane wie Doxing, Verleumdungskampagnen, Drohungen und Beleidigungen ins Visier genommen. Ziel ist es, sie einzuschüchtern, ihnen Angst einzujagen und sie zum Schweigen zu bringen.