Keine wirksame behördliche Untersuchung
In allen acht von Amnesty untersuchten Fällen zeigten die Familien das Verschwinden ihrer Angehörigen offiziell bei den Behörden an – entweder bei der örtlichen Polizei oder den nationalen Polizeibehörden. Sie meldeten dies entweder in der Gegend, in der die Entführung stattfand, oder an ihrem Wohnort. In sieben von acht Fällen hielten die Behörden die Familien jedoch nicht über den Fortgang der Ermittlungen auf dem Laufenden. Ein Familienmitglied einer Frau, die im Februar 2025 entführt wurde, setzte sich beispielsweise mehrfach mit den Sicherheitskräften in Verbindung und teilte ihnen sogar die Telefonnummer des mutmaßlichen Entführers mit, nachdem dieser die Familie kontaktiert hatte. Dennoch hatte die Familie im Juli 2025 immer noch keinerlei Informationen oder Neuigkeiten von den Behörden erhalten.
In drei Fällen gaben Angehörige von Entführten an, dass Sicherheitskräfte ihnen entweder die Schuld an der Entführung gaben, indem sie sie z. B. der Nachlässigkeit beschuldigten, weil sie ihren Angehörigen erlaubt hatten, tagsüber Besorgungen zu machen; oder dass sie sie verhöhnten, weil sie die Frau oder das Mädchen nicht beschützen könnten; oder dass sie konkrete Hinweise, die bei der Suche nach der Verschwundenen helfen könnten, mit der Begründung zurückwiesen, sie seien unwichtig oder gefälscht, obwohl sie eindeutig glaubwürdig waren.
Ein Familienmitglied einer Frau, die aus ihrem Haus entführt wurde, berichtete von den verzweifelten Bemühungen der Familie, die Frau zu finden: „Die Familie ging zur Polizei und erstattete Anzeige, wurde dort aber furchtbar behandelt... Die Polizei beschuldigte die Familie, die Entführung nicht verhindert zu haben... Die Familie bereute es, zur Polizei gegangen zu sein. Wochenlang ging die Familie immer wieder [zur Polizei] zurück, aber es änderte sich nichts. Ihnen wurde nur immer wieder gesagt, dass nichts passiert sei und man keine Ahnung habe, wer sie entführt hat.“
Familienmitglieder, die Lösegeldforderungen erhalten hatten, darunter auch die Angehörigen einer Minderjährigen, berichteten Amnesty International, dass die Polizei über jeden Anruf, jede Nummer und jeden Austausch im Zusammenhang mit Lösegeldforderungen informiert worden war. Sie gaben der Polizei sogar die Namen von Personen, an die die Zahlungen überwiesen werden sollten, doch die Strafverfolgungsbehörden scheinen diesen Spuren nicht nachgegangen zu sein. In den Fällen, in denen die Frauen und Mädchen freigelassen wurden, hörten die Familienmitglieder oft auf, darüber zu sprechen. Ihren Angaben zufolge taten sie dies vor allem aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen seitens der Täter, die nicht festgenommen worden waren, und seitens der Behörden, die die Familien zum Schweigen aufgefordert und die Überlebenden angewiesen hätten, die Entführungen zu leugnen.