„Menschen werden in ihrem Zuhause oder bei der verzweifelten Suche nach Nahrung, Wasser oder Medikamenten getötet. Sie geraten ins Kreuzfeuer, während sie zu fliehen versuchen, und werden bei gezielten Angriffen beschossen. Zahlreiche Frauen und Mädchen, manche erst zwölf Jahre alt, sind von Angehörigen beider Konfliktparteien vergewaltigt und anderen Formen sexualisierter Gewalt unterworfen worden. Die Menschen sind nirgendwo sicher.
In der Region Darfur, wo die RSF und verbündete Milizen für Tod und Verwüstung sorgen, beschwört die Spirale der Gewalt das Schreckgespenst vorheriger Jahrzehnte herauf, in denen teils dieselben Akteure Gewalttaten verübten und dabei nur verbrannte Erde hinterließen. Die RSF und die sudanesische Armee sowie ihre jeweils verbündeten Gruppen müssen damit aufhören, die Zivilbevölkerung ins Visier zu nehmen, und haben sichere Fluchtwege für alle Schutzsuchenden bereitzustellen. Es müssen dringend Maßnahmen ergriffen werden, um Gerechtigkeit und Wiedergutmachung für Opfer und Überlebende zu gewährleisten.“
Amnesty International hat für den Bericht mit 181 Personen gesprochen, die größtenteils in den Osten des Tschad geflüchtet sind. Die Organisation wertete auch eine große Menge an audiovisuellem Material aus, das auf mögliche Menschenrechtsverletzungen hinweist, und analysierte Satellitenaufnahmen, um bestimmte Vorfälle zu verifizieren. Der Bericht konzentriert sich in erster Linie auf Khartum und West-Darfur.
Zivilbevölkerung im Kreuzfeuer
Zivilpersonen werden bei gezielten Angriffen vorsätzlich verletzt oder getötet. Frauen, Männer und Kinder geraten regelmäßig ins Kreuzfeuer, da beide Seiten Angriffe auf dichtbesiedelte zivile Wohngebiete vornehmen, häufig unter Einsatz explosiver Waffen mit flächendeckender Reichweite.
Zahlreiche Zivilpersonen sagten Amnesty International, dass sie an Orten, an denen sie Schutz gesucht hatten, verletzt und ihre Verwandten getötet wurden. Meist geben Überlebende und andere Zeug*innen an, dass Angehörige der RSF verantwortlich waren.
Am 6. Juni wurden in West-Darfur bei wiederholten Angriffen mit bodengestützten Projektilen Dutzende Zivilpersonen verletzt und getötet, die in und nahe den Frauenschlafsälen der Universität von Al-Dschunaina Schutz vor den Kämpfen gesucht hatten.
Am 13. Mai verschafften sich RSF-Mitglieder Zutritt zu dem koptisch-orthodoxen Kirchenkomplex Mar Girgis im Stadtteil Bahri in Khartum. Mehrere Augenzeug*innen gaben an, dass die Eindringlinge fünf Geistliche erschossen und Geld sowie ein goldenes Kreuz stahlen.
Am 14. Mai wurden in einer medizinischen Rettungsstation (Markaz Inqadh al-Tibbi) im Stadtteil Jamarik in Al-Dschunaina 14 Personen getötet, darunter Dr. Adam Zakaria Is’haq, ein 38-jähriger Arzt und Menschenrechtsverteidiger. Zwei Kolleg*innen des getöteten Arztes sagten Amnesty International, dass die 14 Personen von bewaffneten arabischen Milizionären erschossen worden seien.
Am 28. Mai wurden in der Ortschaft Misterei südwestlich von Al-Dschunaina Dutzende Zivilpersonen getötet, als es zu Zusammenstößen zwischen der RSF und ihrer verbündeten Milizen auf der einen und bewaffneten Masalit-Gruppen auf der anderen Seite kam. Von Anwohner*innen erfuhr Amnesty International, dass sie allein an diesem Tag 58 Zivilpersonen begraben hätten.
Sexualisierte Gewalt gegen Frauen und Mädchen
Angehörige der Konfliktparteien verübten Vergewaltigungen und andere Formen sexualisierter Gewalt gegen zahlreiche Frauen und Mädchen, von denen manche erst zwölf Jahre alt waren. In einigen Fällen wurden Frauen und Mädchen tagelang unter Bedingungen festgehalten, die Sexsklaverei gleichkommen.
In den meisten von Amnesty International dokumentierten Fällen gaben die Überlebenden an, die Verantwortlichen seien Angehörige der RSF oder verbündeter arabischer Milizen gewesen. Vergewaltigungen, Sexsklaverei und andere Formen sexualisierter Gewalt, die im Rahmen eines bewaffneten Konflikts begangen werden, gelten als Kriegsverbrechen.
Zerstörung von Krankenhäusern und humanitären Einrichtungen
Im ganzen Land sind zahlreiche medizinische und humanitäre Einrichtungen beschädigt oder zerstört worden, wodurch die Zivilbevölkerung keinen Zugang zu Nahrungsmitteln und Medikamenten mehr hat und sich die bereits verhängnisvolle Lage noch verschärft hat.
Die meisten dokumentierten Fälle von Plünderungen gingen von RSF-Mitgliedern aus. Vorsätzliche Angriffe auf Angehörige oder Objekte humanitärer Organisationen sowie auf Gesundheitseinrichtungen gelten als Kriegsverbrechen.
Amnesty: Waffenembargo ausweiten und humanitäre Hilfe verstärken
Amnesty International fordert den UN-Sicherheitsrat auf, das derzeitige Waffenembargo gegen Darfur rasch auf den gesamten Sudan auszuweiten und dafür zu sorgen, dass es auch durchgesetzt wird.
„Die internationale Gemeinschaft sollte dem Sudan erheblich mehr humanitäre Unterstützung zukommen lassen, und die Nachbarstaaten müssen ihre Grenzen für schutzsuchende Zivilpersonen öffnen“, forderte Agnès Callamard.