„Es ist ein weiterer Puzzlestein in einem Bild, das einen denkbar schlechten Schutz von Aufdecker*innen Österreich zeigt.“ Erst Anfang des Jahres wurde bekannt, dass die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich wegen fehlender Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Whistleblower*innen einleitete. „Die Frist dafür war Mitte Dezember – bis dato liegt nicht einmal ein Gesetzesentwurf zur Begutachtung vor“, kritisieren Annemarie Schlack und Thomas Lohninger unisono.
In Kürze
Nach über einem Jahr Untersuchungshaft und sieben Verhandlungstagen seit September 2021 wurde Julian H., der Urheber des „Ibiza-Videos“, heute in St. Pölten zu 3,5 Jahren unbedingter Freiheitsstrafe verurteilt. Vorgeworfen werden ihm Drogen- und Urkundendelikte. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Amnesty International und epicenter.works, die den Prozess von Anfang an beobachtet haben, äußern massive Bedenken angesichts des Urteils und zeigen sich besorgt über den abschreckenden Effekt des Schuldspruchs auf zukünftige Aufdecker*innen und die Ausübung der Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit in Österreich. So äußerten die beiden Organisationen die Kritik, dass bereits die Ermittlungen im Vorfeld des Gerichtsverfahrens auf teils konstruierten Vorwürfen basierten, die dazu genutzt wurden, den Aufdecker zu diskreditieren und seiner Person habhaft zu werden. Zusätzlich kritisieren sie, dass wichtige Grundsätze des Strafprozesses augenscheinlich nicht eingehalten wurden, wie etwa „im Zweifel für den Angeklagten“, nachdem die beiden Hauptbelastungszeug*innen sich mehrfach gegenseitig und sich selbst in ihren Aussagen widersprochen haben.