Besonders dramatisch zeigt sich die Lage bei der Versorgung nach Überschwemmungen, die regelmäßig zu einem Anstieg wasser- und mückenübertragener Krankheiten führen – ein enormes Risiko für Kinder und ältere Menschen. Auch extreme Hitze bringt insbesondere Kleinkinder und ältere Erwachsene – vor allem bei Vorerkrankungen – in Gefahr. Pakistan erhebt so gut wie keine Daten zu der mit diesen Wetterereignissen verbundenen Sterblichkeitsrate. Dies schränkt die Möglichkeit ein, angemessen zu reagieren und Leben zu retten.
Die NGO Indus Hospital & Health Network (IHHN) führte eine quantitative Studie zu den Auswirkungen extremer Wetterereignisse auf die menschliche Gesundheit durch und analysierte dafür im Jahr 2022 die Zahl der Todesfälle in drei IHHN-Gesundheitseinrichtungen: in Badin (in der Provinz Sindh, am stärksten von Überschwemmungen betroffen), in Muzaffargarh und in Bhong (in der Provinz Punjab, am stärksten von Hitzewellen betroffen). IHHN untersuchte die Beziehung zwischen Sterblichkeitsraten und Klimaindikatoren, einschließlich Niederschlag und Temperatur.
Auf der Grundlage der quantitativen Untersuchung von IHHN führte Amnesty International qualitative Interviews durch, um der Situation noch weiter auf den Grund zu gehen. Amnesty International besuchte zwischen April 2024 und Januar 2025 viermal die Provinzen Sindh und Punjab und führte Interviews mit Menschen aus den Provinzen Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan durch. Insgesamt sprach die Organisation mit 210 Personen, darunter 90 Angehörige von Menschen, deren Tod mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Hitzewellen oder Überschwemmungen zurückzuführen ist.
TEMPERATUREN BIS ZU 50° GRAD CELSIUS
Im Jahr 2022 erlebte Pakistan eine Rekordhitzewelle mit Temperaturen von bis zu 50 °C. Diese überdurchschnittlichen Temperaturen führten zu ungewöhnlich heftigen Regenfällen. Der Indus, der von Norden nach Süden durch das Land fließt, trat über die Ufer und überschwemmte eine Fläche von 75.000 km2. Dies hatte Auswirkungen auf mindestens 33 Mio. Menschen, und etwa 8 Mio. Menschen wurden durch die Überflutungen aus ihrer Heimat vertrieben.
Im September 2022 verzeichnete das IHHN-Krankenhaus in Badin in der südlichen Provinz Sindh an der Mündung des Indus 71 % mehr Todesfälle als im regulären Monatsdurchschnitt für das Jahr 2022. Dies lag hauptsächlich an einer erhöhten Müttersterblichkeit und neonatalen Sterblichkeit; auch Infektionskrankheiten spielten eine große Rolle. Die stärkste Zunahme der Sterblichkeitsrate war bei Kindern unter fünf Jahren zu beobachten, insbesondere bei Säuglingen und Neugeborenen, sowie bei Erwachsenen über 50 Jahren.
Amnesty International sprach mit Dutzenden Personen, die von den Überschwemmungen im Jahr 2022 betroffen waren, darunter auch Menschen, die Familienangehörige aufgrund von durch Wasser übertragenen Krankheiten verloren haben. In vielen Fällen gaben diese an, dass es hauptsächlich der Mangel an rechtzeitigen Evakuierungsmaßnahmen und die unzureichenden Lebensbedingungen gewesen seien, die zu dem Erkranken eines Kindes oder einer älteren Person beigetragen hatten.
WIEDERHOLUNG ZWEI JAHRE SPÄTER
Im Jahr 2024 trat das gleiche Muster auf: ungewöhnlich starke Hitze führte zu heftigen Regenfällen und Überschwemmungen. Mehr als 1,5 Mio. Menschen litten unter den Folgen, und viele von ihnen waren bereits zwei Jahre zuvor infolge von Überschwemmungen vertrieben worden. Zwar gab es 2024 in manchen Gegenden bessere Frühwarnsysteme, doch die Überlebenden hatten häufig weder Zugang zu Evakuierungsmaßnahmen noch zu Alternativunterkünften. Auch waren so gut wie keine vorbeugenden Gesundheitsmaßnahmen ergriffen worden, weshalb es erneut zur Ausbreitung von Krankheiten kam.
Die verheerenden Hitzewellen von 2022 und 2024 führten in weiten Teilen Pakistans zu neuen Höchsttemperaturen. Offiziell war die Zahl der Todesopfer niedrig. Doch Amnesty International sprach mit vielen Menschen, deren Gesundheit durch die Hitzewellen Schaden nahm, sowie mit 24 Angehörigen von Personen, deren Tod mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die extremen Temperaturen 2022 und 2024 zurückzuführen war und deren Todesursache nicht als hitzebedingt registriert wurde. Sie waren alle über 50 Jahre alt und mussten in vielen Fällen auch während der gefährlichen Hitzewellen zur Arbeit gehen, da sie keine Rente oder anderen Sozialleistungen in Anspruch nehmen konnten.
In Karatschi sorgten anhaltende Stromausfälle, die zur Reduzierung der Netzlast vorgenommen wurden („Lastabwurf“), für gefährlich hohe Temperaturen in dicht besiedelten Wohnblocks. Zwar richteten die Regierung und einige NGOs Kühlzentren ein, doch diese waren für eine Stadt mit mehr als 20,3 Mio. Einwohner*innen zu spärlich gesät. Die meisten Personen, mit denen Amnesty International sprach, wussten nichts von diesen Zentren. Erstversorgungskliniken waren für die Behandlung von Menschen mit hitzebedingten Erkrankungen schlecht gerüstet. Viele Patient*innen wurden an eine Handvoll größerer Krankenhäuser verwiesen, die schnell an ihre Grenzen stießen.