Rechtswidrige Tötungen, Verschwindenlassen und Folter
Amnesty International hat zahlreiche Menschenrechtsverletzungen dokumentiert, die Geflüchtete und Migrant*innen in Libyen erlebt oder mitangesehen haben. Hierzu zählen rechtswidrige Tötungen, Verschwindenlassen, Folter und andere Misshandlungen, Vergewaltigung und andere Formen sexualisierter Gewalt, willkürliche Inhaftierung sowie Zwangsarbeit und Ausbeutung durch staatliche und nichtstaatliche Akteur*innen. Die Verantwortlichen gehen dabei nahezu immer straffrei aus.
Der Bericht behandelt auch aktuelle Entwicklungen, wie beispielsweise die Inhaftierung von Menschen, die in Libyen an Land gegangen sind, in inoffizielle Hafteinrichtungen. Eine davon ist die berüchtigte Tabakfabrik in Tripolis.
Resettlement- und Evakuierungs-Programme mangelhaft
Angesichts dieser furchtbaren Bedingungen und entsetzlichen Menschenrechtsverletzungen bieten die bestehenden Resettlement- und Evakuierungs-Programme nicht in ausreichendem Maße sichere und legale Wege aus Libyen. Seit 2017 konnten lediglich 5.709 schutzbedürftige Menschen diese Programme in Anspruch nehmen (Stand: 11. September 2020). Dies spiegelt wider, dass auch EU-Mitgliedstaaten nur wenige Resettlement-Plätze zur Verfügung stellen. Österreich beteiligt sich nicht am Resettlement-Programm.
Reisebeschränkungen, die aufgrund der COVID-19-Pandemie in Kraft sind, haben die Situation noch weiter verschlimmert, sodass bis zu den Grenzschließungen im März 2020 lediglich 297 Geflüchtete aus Libyen evakuiert wurden. Das hat zur Folge, dass verzweifelte Menschen keine andere Wahl haben, als Libyen auf dem Seeweg über das Mittelmeer zu verlassen – meist in nicht seetüchtigen Booten.
Verschwindenlassen: Tausende Menschen betroffen
Geflüchtete und Migrant*innen sind in Libyen ständig der Gefahr ausgesetzt, festgenommen und inhaftiert zu werden. Zudem riskieren sie, von Milizen, bewaffneten Gruppen oder Menschenhändler*innen entführt zu werden. In einigen Fällen werden Menschen so lange gefoltert oder vergewaltigt, bis ihre Familien ein Lösegeld zahlen. Andere sterben im Gewahrsam infolge von Gewalt, Folter, Hunger oder schlechter medizinischer Versorgung.
Tausende Geflüchtete und Migrant*innen fielen 2020 dem Verschwindenlassen zum Opfer, nachdem sie in inoffizielle Hafteinrichtungen verlegt worden waren, wie eine ehemalige Tabakfabrik, die einer mit der Regierung der Nationalen Einheit verbündeten Miliz unter Führung von Emad al-Trabuls untersteht.