Armut und Ausbeutung
Rund 70 Prozent der syrischen Flüchtlingsfamilien im Libanon leben deutlich unter der libanesischen Armutsgrenze. Die humanitäre Hilfe der Uno für syrische Flüchtlinge war im vergangenen Jahr systematisch unterfinanziert. 2015 hat die Uno nur 57 Prozent der finanziellen Unterstützung erhalten, die sie für ihre Arbeit im Libanon angefordert hatte. Diese Unterfinanzierung hat vor allem das Welternährungsprogramm getroffen und dazu geführt, dass die Lebensmittel-Unterstützung für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge ab Mitte 2015 von 30 US Dollar auf 13,50 US Dollar pro Monat gekürzt werden musste. Nach einer Finanzspritze gegen Ende des Jahres konnte die Unterstützung wieder auf 21,60 Dollar im Monat angehoben werden, das macht pro Tag aber gerade einmal 72 Cent. Ein Viertel der Frauen, mit denen Amnesty International sprechen konnte, bekam im vergangenen Jahr keine Lebensmittelhilfe mehr.
Viele weibliche Flüchtlinge berichten, dass sie hart kämpfen müssen, um die gestiegenen Lebenshaltungskosten im Libanon zu bestreiten. Sie sind einem erhöhten Missbrauchsrisiko ausgesetzt, weil sie es schwer haben, Geld für Essen und Unterbringung zu beschaffen. Einige berichten von sexuellen Annäherungsversuche seitens Männern oder Angeboten, «Hilfe» mit Sex zu bezahlen. Frauen, denen es gelungen ist, einen Job zu ergattern, werden häufig von ihren Arbeitgebern ausgebeutet und müssen sich in diesem Klima der Diskriminierung oft mit extrem schlechter Bezahlung zufrieden geben.
Leben in der Illegalität
Die bürokratischen Hürden für die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung wurden im Januar 2015 von den libanesischen Behörden erhöht. Ohne diese Bewilligung leben die Flüchtlinge in ständiger Angst vor Verhaftung und gehen deshalb nicht zur Polizei, um Missbrauch anzuzeigen. Das betrifft besonders weibliche Flüchtlinge.
Im Libanon leben mehr Flüchtlinge pro Einwohner als in jedem anderen Land. Die internationale Gemeinschaft hat versagt, das Land bei der Bewältigung dieser Aufgabe zu unterstützen. Das ist trotz allem keine Entschuldigung dafür, Flüchtlingen Schutz vor Ausbeutung und Missbrauch zu verweigern.