„Die neue libanesische Regierung sollte dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) die Zuständigkeit für die Untersuchung und strafrechtliche Verfolgung von Verbrechen im Sinne des Römischen Statuts, die auf libanesischem Gebiet begangen wurden, übertragen und das Recht der Betroffenen auf Wiedergutmachung gewährleisten“, sagte Erika Guevara Rosas, Senior Director für Forschung, Politik, Advocacy und Kampagnen bei Amnesty International.
Amnesty International hat vier Luftangriffe des israelischen Militärs auf Gesundheitseinrichtungen, Krankenwagen und medizinisches Personal untersucht. Bei den Angriffen in Beirut und im Südlibanon zwischen dem 3. und 9. Oktober 2024 wurden innerhalb einer Woche 19 Angestellte des Gesundheitswesens getötet, elf weitere verwundet und mehrere Krankenwagen und zwei medizinische Einrichtungen beschädigt oder zerstört.
Israels Vorwürfe gegen das libanesische Gesundheitssystem nicht nachvollziehbar
Das israelische Militär hat diese Angriffe nicht ausreichend gerechtfertigt oder konkrete Beweise für militärische Ziele an den betroffenen Orten vorgelegt. Diese Angriffe schwächten ein ohnehin fragiles Gesundheitssystem und brachten zahlreiche Menschenleben in Gefahr.
Das israelische Militär behauptete wiederholt, die Hisbollah würde Rettungswagen zur Beförderung von Kämpfern und Waffen nutzen und medizinische Zentren der Islamic Health Association (IHA) für „terroristische Aktivitäten“ missbrauchen. Die Untersuchungen von Amnesty International zu vier Angriffen ergaben jedoch keine Hinweise darauf, dass diese Einrichtungen oder Fahrzeuge zum Zeitpunkt der Angriffe für militärische Zwecke genutzt wurden.
Nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums hat das israelische Militär zwischen Oktober 2023 und November 2024 insgesamt 67 Krankenhäuser, 56 primäre Gesundheitszentren und 238 medizinische Notfallteams angegriffen. Mindestens 222 Mitarbeiter*innen von Gesundheits- und Rettungsdiensten wurden dabei getötet.
„Wenn ein Gesundheitssystem angegriffen wird, leidet die Zivilbevölkerung. Selbst wenn man davon ausgeht, dass Krankenhäuser für militärische Zwecke genutzt werden und ihren Schutzstatus nach dem Völkerrecht verlieren, können sie nur angegriffen werden, wenn eine Warnung, die ausreichend Zeit für die Evakuierung von Patienten und Personal lässt, nicht beachtet wird. Eine angreifende Partei ist stets an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden. Sie muss den konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil, der von einem Angriff erwartet wird, gegen den zu erwartenden Schaden für die Zivilbevölkerung und zivile Objekte abwägen, einschließlich der nachwirkenden humanitären Folgen des Angriffs", so Erika Guevara Rosas.
Amnesty fordert umfassende Untersuchung
Ein Waffenstillstand wurde im Libanon Ende November 2024 verkündet. In den ersten Monaten des Jahres 2025 berichteten betroffene medizinische Fachkräfte, dass sie weiterhin unter den Folgen der Angriffe litten.