Steve Cockburn sagte weiter: „Katar sollte sich nicht der Illusion hingeben, dass seine Handlungen nicht auf den Prüfstand gestellt werden, nur weil die WM vorbei ist, und es muss seine Bemühungen zur Verbesserung der Arbeitnehmer*innenrechte fortsetzen. Die FIFA muss aus ihren Fehlern lernen und bereit sein, ihre Verantwortung für die Menschenrechte ernst zu nehmen und Missstände, die durch ihr Versagen verursacht oder mitverursacht wurden, direkt zu beheben, um eine Wiederholung der Menschenrechtsverstöße, wie wir sie in Verbindung mit der Weltmeisterschaft in Katar erlebt haben, zu verhindern.“
Unzureichende Reformen und mangelnde Umsetzung
Katar hat 2017 ein Abkommen mit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) unterzeichnet, das in den darauffolgenden Jahren zu erheblichen Änderungen der Arbeitsgesetze führte, u. a. zu Reformen des Kafala-Sponsorensystems, zu einem neuen Mindestlohn und zur Einführung von Arbeitsschutzvorschriften. Zu Beginn der Fußballweltmeisterschaft waren die Um- und Durchsetzungsmaßnahmen, die erforderlich gewesen wären, um weitere Menschenrechtsverstöße zu verhindern, jedoch noch unzureichend.
In Interviews mit Amnesty-Mitarbeiter*innen erklärten die Befragten, dass die meisten Arbeitsmigrant*innen das Land nun ohne Einschränkungen verlassen können, und stellten Fortschritte bei der Durchsetzung von Gesetzen im Zusammenhang mit Arbeiten bei hohen Temperaturen fest, insbesondere ein Verbot von Bauarbeiten im Freien während der heißesten Tageszeit. Darüber hinaus zeichneten sie jedoch ein düsteres Bild von anhaltender Ausbeutung und mangelndem politischen Willen zur Beseitigung der Mängel.
Eigentlich sollten die Arbeitnehmer*innen die Möglichkeit haben, ihren Arbeitsplatz frei zu wechseln, um Verstößen zu entgehen oder bessere Arbeitsbedingungen vorzufinden, aber obwohl sie dazu rechtlich gesehen keine Unbedenklichkeitsbescheinigung (NOC) mehr von den Arbeitgeber*innen benötigen, müssen viele in der Praxis immer noch irgendeine Form von Genehmigung einholen. Aus den Daten der Regierung geht hervor, dass in den ersten acht Monaten des Jahres 2023 zwar mehr als 150.000 Menschen den Arbeitsplatz gewechselt haben, dass aber im gleichen Zeitraum ein Drittel der Anträge von Arbeitnehmer*innen auf einen Arbeitsplatzwechsel abgelehnt wurden.
Darüber hinaus sind Arbeiter*innen für ihre Anwesenheit im Land nach wie vor von ihren Arbeitgeber*innen abhängig, wodurch ihr rechtlicher Status nicht angemessen geschützt ist und sie daran gehindert werden, ihre*n Arbeitgeber*in zu wechseln.
Lohndiebstahl ist nach wie vor die häufigste Form der Ausbeutung von Arbeitsmigrant*innen in Katar, auch bei Fahrer*innen in der wachsenden Essenslieferbranche, aber das System zur Aufdeckung und Reaktion auf verspätete und nicht gezahlte Löhne und Leistungen funktioniert noch nicht.
Als Hausangestellte beschäftigte Arbeitsmigrant*innen, bei denen es sich zumeist um Frauen handelt, sind nach wie vor besonders anfällig für schwerwiegende Verstöße, und die Regierung hat im vergangenen Jahr wenig unternommen, um diese Arbeitskräfte besser zu schützen und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen.
Abhilfe und Entschädigung
Die Missstände, denen Arbeitsmigrant*innen ausgesetzt waren, seit die FIFA Katar den Zuschlag für die Ausrichtung der Fußballweltmeisterschaft erteilt hat, können zwar nicht ungeschehen gemacht werden, doch es kann und muss Wiedergutmachung erfolgen.
Wie Amnesty International bereits dokumentiert hat, wurden während der Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar Hunderte von Arbeitsmigrant*innen, die als Sicherheitskräfte und Ordner*innen an den Austragungsorten eingesetzt und mit Kurzzeitverträgen beschäftigt wurden, ausgebeutet. Dazu gehörte, dass die Arbeitnehmer*innen rechtswidrige Vermittlungsgebühren zahlten, über ihre Arbeitsplätze getäuscht wurden und übermäßig lange arbeiten mussten, ohne freie Tage in der Woche zu haben. Fast ein Jahr später haben sie immer noch keine Entschädigung erhalten.