„Bewaffnete Separatist*innen haben bisher Dutzende Angehörige der Sicherheitskräfte getötet. Zudem haben sie Anschläge verübt, die die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzen sollen, wie zum Beispiel das Niederbrennen von Schulen und Übergriffe auf Lehrer*innen, die sich nicht an einem von den Separatisten angeordneten Boykott beteiligen.“
Etwa 20 Prozent der Bevölkerung Kameruns lebt in den anglophonen Regionen, also in den Provinzen Nordwest und Südwest. Anfang der 1960er-Jahre wurden diese Regionen in die neu gegründete und größtenteils französischsprachige Republik Kamerun integriert, was bei der dortigen Bevölkerung auf Ablehnung stieß.
Im Jahr 2016 eskalierte die Gewalt und es kam zu heftigen Unruhen, als Lehrer*innen, Anwält*innen und Schüler*innen in den anglophonen Regionen eine Reihe von Streiks und Protesten ins Leben riefen, um gegen weitere von ihnen als diskriminierend wahrgenommene Maßnahmen zu protestieren. Vom 22. September bis 1. Oktober 2017 kam es dort erneut zu groß angelegten Protesten, mit denen symbolisch die Unabhängigkeit des neuen Staates „Ambazonia“ ausgerufen wurde.
Folter und Tötung durch das Militär
Das kamerunische Militär reagierte auf diese Proteste mit willkürlichen Festnahmen sowie Folter, rechtswidrigen Tötungen und der Zerstörung von Eigentum. So konnte Amnesty International beispielsweise anhand von Satellitenbildern und anderem fotografischen Beweismaterial die vollständige Zerstörung einer Ortschaft namens Kwakwa feststellen. Kamerunische Sicherheitskräfte brannten das Dorf im Dezember 2017 im Rahmen eines Einsatzes nieder, der in Verbindung mit der Tötung von zwei Gendarmen stand, für die bewaffnete Separatist*innen verantwortlich gemacht wurden.
In manchen Fällen wurden Personen im Zuge dieser Sicherheitseinsätze willkürlich festgenommen und in illegalen Hafteinrichtungen in geheimer Haft gehalten, wo sie Folter ausgesetzt waren. Am 13. Dezember 2017 wurden beispielsweise mindestens 23 Menschen, darunter auch Minderjährige, von den Sicherheitskräften in der Ortschaft Dadi festgenommen und drei Tage lang ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten. Diese Personen sagten Amnesty International, dass sie während dieser Zeit von Sicherheitskräften gefoltert wurden, um sie dazu zu bringen, die Unterstützung von Separatisten zu „gestehen“.
Die Betroffenen beschrieben, wie man ihnen die Augen verband und sie mit verschiedenen Gegenständen verprügelte, u. a. mit Stöcken, Seilen, Drähten und Pistolen. Zudem seien sie mit Elektroschocks und heißem Wasser gefoltert worden. Manche von ihnen wurden so lange geschlagen, bis sie das Bewusstsein verloren. Laut Recherchen von Amnesty International ist mindestens ein Mensch im Gewahrsam gestorben.
Ein Mann, der am 13. Dezember 2017 in Dadi festgenommen wurde, gab diesen erschütternden Bericht über seine Folter ab:
„... Sie banden uns die Hände auf dem Rücken zusammen, knebelten uns und bedeckten unsere Gesichter mit zerrissenen Handtüchern und Hosen. Dann zwangen sie uns, etwa 45 Minuten lang mit dem Gesicht nach unten im Wasser zu liegen ... Drei Tage lang schlugen sie uns mit Schaufeln, Hammern, Holzbalken und Kabeln. Sie traten uns mit ihren Stiefeln und übergossen uns mit heißem Wasser ... Als ich versuchte, mich zu bewegen und etwas ausrief, verbrannte mich einer von ihnen mit seiner Zigarette.“
Amnesty International erhielt zudem Informationen über einige Todesfälle im Gewahrsam. In einem Fall wurden am 3. Februar 2018 die blutigen und mit Folterspuren übersäten Leichen von vier Männern, die am Tag zuvor von Sicherheitskräften in der Ortschaft Belo festgenommen worden waren, in der Leichenhalle des Regionalkrankenhauses von Bamenda entdeckt.
Amnesty International hat auch rechtswidrige Tötungen dokumentiert, beispielsweise während dreier Sicherheitseinsätze des Militärs in den Ortschaften Dadi, Kajifu und Bodam in der Provinz Südwest im Dezember 2017.
Anschläge von Separatist*innen auf Schulen und Lehrer*innen
Der Amnesty-Bericht dokumentiert außerdem, wie Lehrer*innen und Schüler*innen von Separatist*innen ins Visier genommen wurden, weil sie nicht an einem Schulboykott teilnahmen, mit dem symbolisch aufgezeigt werden sollte, wie die englische Sprache und die Kulturen der anglophonen Regionen von den Behörden marginalisiert werden. Mindestens 42 Schulen wurden von Februar 2017 bis Mai 2018 von bewaffneten Separatisten angegriffen.
Amnesty International erhielt Berichte über viele verschiedene Angriffe auf Schüler*innen und Lehrer*innen. Am 30. Jänner 2018 verschaffte sich ein maskierter Mann Zutritt zu der staatlichen Grundschule von Ntungfe in der Provinz Nordwest. Man geht davon aus, dass es sich bei ihm um ein Mitglied einer bewaffneten Separatistengruppe handelte. Mit einer lokal hergestellten Waffe schoss er einem Lehrer ins Bein, dann steckte er ein Motorrad in Brand und floh.
Der verletzte Lehrer berichtete Amnesty International:
„Der Angreifer ... sagte zu mir, dass ich in die Schule käme und mich damit über das Schulboykott hinwegsetze. ... Dann forderte er mich auf, die Hände hoch zu nehmen, doch bevor ich dem Folge leisten konnte, schoss er auf mich. Dann fiel ich zu Boden...“
Von September 2017 bis Mai 2018 wurden mindestens 44 Angehörige der Sicherheitskräfte bei Anschlägen auf Kontrollpunkte, auf offener Straße oder auf Stützpunkte in den Provinzen Nordwest und Südwest getötet.
Bei einer dieser Attacken wurden am 1. Februar 2018 in Mbingo in der Provinz Nordwest zwei Angehörige der Gendarmerie an einem Kontrollpunkt von einigen jungen Separatist*innen mit Messern und Macheten getötet.
Amnesty International hat darüber hinaus fünf Angriffe auf traditionelle Gemeindesprecher dokumentiert, die von den Separatist*innen beschuldigt werden, der Regierung nahezustehen.
„Die Art und Weise, wie die bewaffneten Separatist*innen wiederholt und gezielt die allgemeine Bevölkerung ins Visier nehmen, zeugt von einer absoluten Missachtung des menschlichen Lebens und ist ein weiteres Beispiel für die bedrohliche Lage, in der sich die Menschen in den anglophonen Regionen befinden“, sagt Samira Daoud.