Israelische Streitkräfte haben in den vergangenen vier Monaten im Zuge eines brutalen Militäreinsatzes im besetzten Westjordanland Zehntausende Palästinenser*innen vertrieben, indem sie in den Flüchtlingslagern von Dschenin und Tulkarem Unterkünfte und wichtige zivile Infrastruktur zerstörten und unbewohnbar machten. Damit wurde im heurigen Jahr im Westjordanland so viele Menschen vertrieben wie seit 1967 nicht mehr, als im Sechs-Tage-Krieg rund 300.000 Palästinenser*innen vertrieben wurden, woran am gestrigen Naksa-Tag gedacht wurde.
Amnesty International berichtet von verifizierten Videomaterial, wonach in den Flüchtlingslagern in großem Umfang Unterkünfte zerstört und zivile Gebäude und Infrastruktur beschädigt wurden. Im Zuge der Militäroffensive setzt die israelische Armee Panzer ein, führt Luftangriffe durch, zerstört Gebäude, demontiert Straßen und Infrastruktur und schränkt die Bewegungsfreiheit durch Kontrollpunkte und Straßensperren stark ein. Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums wurden im nördlichen Westjordanland, einschließlich Nablus, mindestens 80 Palästinenser*innen, darunter 14 Kinder durch israelische Streitkräfte getötet. Zudem dokumentierte die palästinensische Kommission für Gefangene (Palestinian Commission of Detainees and Ex-Detainees Affairs – CDA) seit Beginn des Militäreinsatzes insgesamt rund 1.000 Festnahmen in Dschenin und Tulkarem. Das israelische Militär hat darüber hinaus die Flüchtlingslager in Dschenin, Nur Shams und Tulkarem zu militärischen Sperrzonen erklärt und dort Sicherheitskräfte stationiert, die die Bewohner*innen aktiv daran hindern, ihre Unterkünfte bzw. das, was von ihnen übrig ist, zu betreten. Augenzeug*innen berichten, dass israelische Streitkräfte auf Zivilpersonen schießen, die lediglich versuchen, nach ihrem Eigentum zu sehen oder ihre Sachen abzuholen.
All dies ist Teil von rechtswidrigen Strategien, mit dem Ziel, Palästinenser*innen im Westjordanland mittels eines grausamen Apartheidsystems zu enteignen und zu unterdrücken.
Die Zwangsumsiedlung geschützter Personen ist als schwerer Verstoß gegen die Vierte Genfer Konvention und als Kriegsverbrechen zu werden. Israel ist aufgefordert, jegliche rechtswidrigen Praktiken, die zur Vertreibung von Palästinenser*innen führen, unverzüglich einzustellen. Dazu zählen Angriffe auf Wohngebiete, Zerstörung von Eigentum und Infrastruktur sowie allgegenwärtige Zugangs- und Freizügigkeitsbeschränkungen für Palästinenser*innen. Einige dieser Maßnahmen sind als kollektive Bestrafung zu betrachten, was gemäß der Vierten Genfer Konvention ebenfalls verboten ist.
Brutalster Militäreinsatz seit Jahrzehnten
Die israelische Militäroperation begann am 21. Januar 2025 im Flüchtlingslager von Dschenin und wurde am 27. Januar auf das Flüchtlingslager in Tulkarem und anschließend auf die Stadt Tammoun und das Flüchtlingslager Al-Far'ah ausgeweitet. Während sich die israelischen Streitkräfte am 12. Februar aus Al-Far'ah zurückzogen, sind in Dschenin und Tulkarem weiterhin Soldat*innen stationiert.
In einer alarmierenden Entwicklung rollten am 23. Februar zum ersten Mal seit mehr als 20 Jahren israelische Panzer in Dschenin ein. Am selben Tag wies der israelische Verteidigungsminister die Armee an, sich „auf einen langen Aufenthalt in den geräumten Lagern gefasst zu machen“ und die Bewohner*innen an der Rückkehr in die Lager zu hindern. Israelische Medien berichteten unter Berufung auf militärische Quellen, dass die Operation voraussichtlich monatelang andauern werde und dass Hunderte Soldat*innen zum Zweck der „Überwachung“ in den Lagern verbleiben werden.