Justizanstalten
Amnesty International beklagt außerdem im Einklang mit dem Komitee das mangelhafte Freizeitangebot für die überwiegende Mehrheit der Untersuchungshäftlinge in den drei besuchten Justizanstalten.
Die einzigen Aktivitäten außerhalb der Zelle, die den Inhaftierten angeboten wurden, sind eine Stunde Bewegung im Freien und ein oder zwei 60- bis 90-minütige Sportstunden pro Woche. Folglich sind die betroffenen Insass*innen oft bis zu 23 Stunden pro Tag in ihren Zellen eingeschlossen. Erst vor wenigen Wochen wurde berichtet, dass vielen inhaftierten Frauen in der Justizanstalt Josefstadt wichtige Aktivitäten wie Sport und Bewegung im Freien verwehrt werden.
Vor diesem Hintergrund fordert Amnesty International die österreichischen Behörden auf, das Angebot an Aktivitäten für die Gefangenen in den Justizanstalten Innsbruck, Leoben und Wien-Josefstadt zu verbessern. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf die Situation der Untersuchungshäftlinge gelegt werden. Wie das Komitee wiederholt betont hat, sollte sichergestellt werden, dass alle Gefangenen, einschließlich der Untersuchungshäftlinge, einen angemessenen Teil des Tages außerhalb ihrer Zellen verbringen können, um sich einer sinnvollen und abwechslungsreichen Tätigkeit zu widmen.
Besonders besorgniserregend ist auch, dass laut Bericht des Anti-Folter Komitee in der Justizanstalt Innsbruck Häftlinge, die in Einzelhaft untergebracht waren, in einigen Fällen über einen längeren Zeitraum und nach wiederholtem Klingeln und Rufen nicht mit Trinkwasser versorgt wurden, so dass sie aus der Toilette trinken mussten.
„Ein solcher Zustand ist nicht akzeptabel“, sagt Handl. „Wir fordern, dass die erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass Gefangene, die in besonders gesicherten Zellen in der Justizanstalt Innsbruck untergebracht sind, jederzeit Zugang zu Trinkwasser haben.“
Polizeigewahrsam
Wie bereits im letzten Besuch des Europarates in Österreich im Jahr 2014, betonte das Komitee die Notwendigkeit unabhängiger Untersuchungen aller Beschwerden über Misshandlungen gegen Polizeibeamt*innen. Damit derartige Untersuchungen auch tatsächlich wirksam sind, müssen die Ermittlungsverfahren nicht nur unabhängig und unparteiisch sein, sondern auch von Betroffen als unabhängig und unparteiisch wahrgenommen werden.
Die derzeitige Regierungsvorlage zur Einrichtung einer unabhängigen Ermittlungs- und Beschwerdestelle zur Untersuchung von Misshandlungsvorwürfen sieht deren organisatorische Ansiedelung im Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK), einer Einrichtung des Innenministeriums vor. Wie bereits beim Besuch des Europarates 2014 äußerte das Komitee Zweifel, ob derartige Ermittlungen im BAK auch wirklich als umfassend unabhängig und unparteiisch angesehen werden können.
Der Besuch des Anti-Folter-Komitees ist eine Momentaufnahme. Amnesty International beobachtet seit vielen Jahren Fälle von unangemessener Anwendung von Polizeigewalt im Polizeigewahrsam in Österreich und fordert wirksame und unabhängige Untersuchungen von Polizeigewalt.
Ein Beispiel ist der Fall eines Aktivisten der "Lobau bleibt"-Bewegung, dem im Februar 2022 im Polizeianhaltezentrum Rossauer Lände eine Rippe gebrochen wurde. Obwohl das Verwaltungsgericht Wien entschied, dass die angewandte Polizeigewalt unverhältnismäßig war, wurde das dem Verwaltungsverfahren vorangegangene Strafverfahren gegen die Polizeibeamten eingestellt. Amnesty International betont, dass dringend wirksame und unabhängige Untersuchungen von Polizeigewalt notwendig sind, um sicherzustellen, dass die Täter*innen nicht straflos bleiben.
Für ein Strafverfahren ist die Feststellung der individuellen Schuld ausschlaggebend. Dabei ist es wichtig, dass einzelne Polizeibeamt*innen individuell identifiziert werden können, damit sie in Strafverfahren zur Verantwortung gezogen werden können, z.B. durch sichtbare Identifikationsnummern auf Uniformen. Dies hätte laut Europarat auch eine präventive Wirkung gegen übermäßige Gewaltanwendung.
In Bezug auf den Polizeigewahrsam berichtet das Komitee von Vorwürfen, wonach Inhaftierte verspätet oder nur mündlich über ihre Rechte informiert wurden, z. B. über das Recht, Angehörige über ihre Inhaftierung zu informieren oder Zugang zu Rechtsbeistand oder medizinischer Versorgung zu erhalten. In manchen Fällen wurden sie sogar erst nach der ersten Befragung durch die Polizei informiert. Außerdem berichteten einige Inhaftierte, dass sie diese Informationen nicht in einer Sprache erhielten, die sie verstehen konnten.
Amnesty International fordert, dass die österreichischen Behörden sicherstellen, dass alle Inhaftierten umgehend über ihre Rechte informiert werden, und dass ihnen eine schriftliche Information in einer Sprache, die sie verstehen, zur Verfügung gestellt wird.
Auch sollte allen inhaftierten Personen, die sich eine Rechtsvertretung nicht leisten können, kostenlos ein Rechtsbeistand bei polizeilichen Vernehmungen zur Verfügung stehen. Positiv erwähnte das Komitee, dass während ihres Besuches entsprechend der geänderten Rechtslage, bei allen Einvernahmen von Jugendlichen eine anwaltliche Vertretung anwesend war. Das Komitee empfiehlt Österreich, wie auch anlässlich des letztens Besuches 2014, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, damit das Recht auf einen Rechtsbeistand während der polizeilichen Befragung niemals verweigert wird.