Anstatt zu versuchen, Geflüchtete in die Türkei zurückzuschieben und viel Geld in eine Politik der Abschottung zu stecken, sollte die EU sichere Fluchtwege ausbauen. Amnesty fordert europäische Regierungen deshalb auf, Asylsuchende den Zugang zu Resettlement-Programmen oder anderen sicheren Wegen in europäische Länder zu ermöglichen – darunter fallen Familienzusammenführungen oder Visa aus humanitären Gründen, sagt Sandra Iyke.
Richtungsweisende Entscheidung
Zeitgleich zum Jahrestag steht beim höchsten Verwaltungsgericht Griechenlands eine richtungsweisende Entscheidung an: In den nächsten vier Wochen soll geklärt werden, ob die Türkei ein sicheres Land für Geflüchtete ist.
Bei diesem Verfahren geht es auch um den 21-jährigen „Noori“ – sein Name wurde von Amnesty zu seinem Schutz geändert. Noori ist seit über sechs Monaten rechtswidrig inhaftiert, nachdem sein Asylantrag auf Basis der Annahme, dass die Türkei ein sicherer Drittstaat ist, für unzulässig erklärt wurde.
Je nachdem wie die Entscheidung des Gerichts ausfällt, wird Noori unverzüglich in die Türkei zurückgeschickt, oder nicht. Das Urteil könnte zum Präzedenzfall werden und die Tore für weitere Rückschiebungen öffnen.
Zahlreiche Verstöße dokumentiert
Erst im Februar veröffentlichte Amnesty den Bericht „Blaupause für Hoffnungslosigkeit“. Er dokumentiert grobe Verstöße gegen die Menschenrechte, die im Zusammenhang mit dem EU-Türkei-Deal stehen: In den letzten zwölf Monaten sind tausende Menschen auf den griechischen Inseln gestrandet. Sie werden in überfüllten, menschenunwürdigen Unterkünften untergebracht, manchmal werden sie Opfer von Hassverbrechen. Bereits fünf Geflüchtete – darunter ein Kind – sind infolge dieser Umstände gestorben.
Außerdem wurden syrische Asylwerberinnen und -werber in die Türkei zurückgeschoben – ohne Zugang zu einem Asylverfahren und ohne die Möglichkeit, Rechtsmittel gegen ihre Rückführung einzulegen. Das ist ein klarer Verstoß gegen das Völkerrecht. Andere sind „freiwillig“ in die Türkei zurückgekehrt, um dem Elend auf den griechischen Inseln zu entgehen.
Amnesty erkennt an, dass die Türkei mehr Geflüchtete aus Syrien aufgenommen hat als jeder andere Staat. Allerdings hat die Türkei kein funktionierendes Asylsystem: Das Land garantiert Menschen auf der Flucht nicht den Schutz, der ihnen unter der Genfer Flüchtlingskonvention zusteht. Und es hält sich nicht an das sogenannte Non-Refoulement-Prinzip – darunter versteht man das Verbot, Menschen in Länder zurückzuschicken, in denen ihnen Verfolgung, Folter oder andere schwere Menschenrechtsverletzungen drohen.
Der EU-Türkei-Deal wurde am 18. März 2016 beschlossen und trat am 20. März 2016 in Kraft.