
Belarus: Menschenrechtslage bleibt fünf Jahre nach Massenprotesten dramatisch
7. August 2025Seit am 9. August 2020 Aljaksandr Lukaschenka (Alexander Lukaschenko) zum Sieger der Präsidentschaftswahl erklärt worden war, hat sich die ohnehin schon tiefe Menschenrechtskrise in Belarus noch weiter verschärft. Zehntausende wurden nach friedlichen Protesten inhaftiert und zum Teil gefoltert, mindestens sieben von ihnen sind in Haft gestorben. Die Repressalien des belarusischen Regimes reichen bis nach Österreich, wo es belarusischen Staatsbürger*innen seit September 2023 nicht mehr möglich ist, ihre Pässe in Botschaften außerhalb von Belarus zu erneuern. Amnesty International fordert die internationale Gemeinschaft und Österreich auf, den Druck auf die belarusische Regierung zu erhöhen.
Insgesamt wurden nach Angaben belarusischer Menschenrechtsbeobachter*innen seit 2020 mehr als 50.000 Personen wegen ihrer Teilnahme an friedlichen Protesten willkürlich inhaftiert, mindestens 6.550 strafrechtlich verfolgt und verurteilt und rund 3.700 zu Haftstrafen verurteilt. Viele wurden gefoltert und anderweitig misshandelt. Mindestens sieben politische Gefangene sind seit 2021 in Haft gestorben. Diese Todesfälle waren vermeidbar und sind das Ergebnis der katastrophalen Haftbedingungen und der unzureichenden medizinischen Versorgung.
Maryia Kalesnikava weiter in Haft
Unter den unrechtmäßig Inhaftierten befindet sich nach wie vor Maryia Kalesnikava, die seit November 2024 keinerlei Kontakt zur Außenwelt hat. Anfang Februar 2025 erhielt die Familie eine kurze Notiz, in der Kalesnikava schrieb, dass es ihr gut gehe. Doch ob das der Tatsache entspricht, ist völlig unklar.
Seit fast fünf Jahren sitzt Maryia Kalesnikava unter schrecklichen Bedingungen in Haft. Wiederkehrend wird sie isoliert, ihr jeglicher Kontakt zur Außenwelt verwehrt und ihre medizinische Versorgung stark eingeschränkt. Ihre Anklage und die Haftbedingungen, unter denen Maryia Kalesnikava festgehalten wird, stellen eine klare Repressalie für ihre zentrale Rolle bei den friedlichen Massenprotesten gegen die belarusischen Behörden vor fünf Jahren dar. Damals gingen Hunderttausende Menschen auf die Straßen und Maryia wurde, – nachdem die unabhängige Oppositionskandidatin Svyatlana Tsikhanouskaya (Swetlana Tichanowskaja) das Land verlassen hatte – zur zentralen Figur der Opposition.
Amnesty International setzt sich für die Freilassung von Maryia Kalesnikava ein und fordert die Behörden von Belarus auf, die Folterung und Misshandlung von politischen Gefangenen sofort zu beenden und alle willkürlich inhaftierten Personen umgehend freizulassen. Zudem fordert die Organisation die österreichische Bundesregierung auf, Druck auf die Regierung von Belarus auszuüben.
In Belarus herrscht ein Klima der Angst, das jeglichen politischen Dissens unterdrückt und bestraft. Willkürliche Inhaftierungen, Folter und andere Misshandlungen zeichnen ein sehr besorgniserregendes Bild der aktuellen Menschenrechtslage.
Shoura Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich
Als Folge der Repressionen befindet sich heute ein Großteil der belarusischen Demokratiebewegung im Ausland. Von dort aus berichten sie über Menschenrechtsverletzungen in Belarus und werben um Unterstützung durch westliche Staaten sowie internationalen Organisationen. Doch Lukaschenkas Repressalien reichen bis nach Österreich.
Belarus*innen droht bei Passerneuerung in Belarus Verhaftung
So ist es belarusischen Staatsbürger*innen seit September 2023 nicht mehr möglich, ihre Pässe in Botschaften außerhalb von Belarus zu erneuern. Auch Kopien von Geburtsurkunden, Aufenthaltsbescheinigungen und Kopien zur Nostrifizierung von Bildungsabschlüssen werden nicht mehr ausgestellt. Bei einer Einreise nach Belarus droht jedoch Regimekritiker*innen die Verhaftung.
Das stellt die belarusische Diaspora in Österreich vor eine untragbare Situation, wie etwa die betroffene Künstlerin Maryna Yakubovich berichtet: “Mein Pass ist im Juni 2025 abgelaufen. Ich kann derzeit nicht ins Ausland reisen, weil ich kein gültiges Reisedokument habe und befürchten muss, nicht mehr nach Österreich zurückkehren zu können. Eine Reise nach Belarus zur Verlängerung kommt nicht in Frage – ich würde dort sofort verhaftet. Das schränkt nicht nur meine Bewegungsfreiheit ein, sondern erschwert auch die Beantragung offizieller Dokumente hier in Österreich. Dieses Problem betrifft nicht nur mich, sondern viele Belarus*innen im Exil – es hat einen klar systemischen Charakter.” Allein in Österreich leben laut Statistik Austria mit Stand 2025 2.318 belarusische Migrant*innen.
Es ist essenziell, dass die internationale Gemeinschaft die Menschenrechtskrise in Belarus und deren internationale Auswirkungen nicht in den Hintergrund rücken lässt. Außerdem muss die österreichische Regierung eine einheitliche Lösung für die Passproblematik der Belarus*innen, etwa durch vereinfachte Kriterien bei der Vergabe von Fremdenpässen, schaffen.
Shoura Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich