Familie mit Kindern (Symbolfoto) © Adobestock
Familie mit Kindern (Symbolfoto) © Adobestock
presse

Begutachtung „Stopp Familiennachzug“: Groteske Begründung der Regierung kann Notstandsmaßnahme nicht rechtfertigen

13. Juni 2025

Zivilgesellschaftliche Organisationen zeigen auf: Regierung scheitert an Darstellung gesamtstaatlicher Notlage für Stopp Familiennachzug

Diese Woche endete die Begutachtungsfrist für die Notverordnung, mit der die Bundesregierung die Familienzusammenführung von in Österreich schutzberechtigten Personen mit ihren Partner*innen und Kindern, von denen sie seit Jahren getrennt sind, aussetzen will. Die Regierung beruft sich dabei auf eine EU-rechtliche Notfallsklausel und behauptet, dass es in Österreich eine gesamtstaatliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und inneren Sicherheit gebe.

Zivilgesellschaftliche Organisationen stellen der 49-seitigen Begründung nach eingehender Begutachtung ein vernichtendes Zeugnis aus: „Wenig überraschend scheitert die Regierung an einer stringenten Erklärung, warum sich Österreich in einem Ausnahmezustand befindet, der die Anwendung von Notstandsmaßnahmen rechtfertigt. Überraschend sind aber das Ausmaß an kapitalen Rechenfehlern, untauglichen Parametern und irreführend unvollständigen Darstellungen, die die Regierung in Vorlage bringt,“ so Lukas Gahleitner-Gertz, Sprecher und Jurist der asylkoordination österreich.

Anna Parr, Generalsekretärin der Caritas Österreich, weist zudem auf die verheerenden Auswirkungen auf Schutzberechtigte hin und vermisst vor allem auch Lösungsvorschläge: 

Statt die Rechte von Geflüchteten zu beschneiden und an den Fundamenten unseres Rechtsstaates zu rütteln, sollten jenen Personen, die in Österreich Schutz gefunden haben, mehr und bessere Integrationsangebote zugänglich gemacht werden. Denkbar wäre etwa auch ein humanitäres Aufnahmeprogramm für die Familienzusammenführung, das durch Integrationsmaßnahmen begleitet wird.

Anna Parr, Generalsekretärin der Caritas Österreich

Maria Katharina Moser, Direktorin der Diakonie Österreich, appelliert an die Bundesregierung, den Erlass der Notverordnung grundlegend zu überdenken: „Überforderungssituationen in manchen Schulen sind unbestritten, aber das ist eine bildungspolitische Frage und durch die Bildungspolitik zu lösen. Ein bildungspolitisches Versagen darf nicht durch die Aushöhlung des Menschenrechts auf Familie kompensiert werden.“ Moser erinnert daran, dass die Sondermittel zur schulischen Integration nicht ausgeschöpft wurden. „Es braucht einen stärkeren Zusammenhalt über Bundeslandgrenzen hinweg und sofortige rechtlich saubere Maßnahmen.“

Shoura Zehetner-Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International, hält fest, dass die Einschränkung des Familiennachzugs gegen internationale Menschenrechtsstandards verstößt, wie auch der Europäische Gerichtshof mehrfach geurteilt hat.

Die geplante Aussetzung des Familiennachzugs kann mit der vorgelegten mangelhaften Begründung nicht gerechtfertigt werden. Wenn die Regierung dennoch daran festhält, wäre das eine klare Verletzung der Menschenrechte, die sich Österreich zuschulden kommen lässt.

Shoura Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International

Rita Isiba, Geschäftsführerin von ZARA-Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit sieht in der Begründung der Verordnung eine gefährliche Kontinuität: „Gesellschaftliche Probleme werden systematisch dem Asylbereich zugeschrieben. Die Argumentation stützt sich auf verzerrte Statistiken und rassistische Narrative, um schutzberechtigte Menschen zu delegitimieren.“

Erich Fenninger, Bundesgeschäftsführer der Volkshilfe Österreich, warnt vor einem Präzedenzfall: 

Die vorgelegte Begründung für einen sehr weitreichenden Schritt überzeugt nicht. Die Regierung darf nur in Ausnahmefällen und bei Vorliegen von echten Notlagen von der Einhaltung des geltenden Rechts abweichen. Die aktuelle Situation rechtfertigt keinesfalls, dass Kindern und Familien ein sicheres Aufwachsen verwehrt wird.

Erich Fenninger, Bundesgeschäftsführer der Volkshilfe Österreich

Die NGO-Vertreter*innen appellieren gemeinsam an die Regierung, tatsächliche existierende Probleme zu lösen und diese nicht mit der Ausrufung einer Notlage zuzudecken.  

Mehr lesen

Genozid in Gaza: Gegen das Schweigen und für die Opfer

Jetzt spenden!