
Amnesty-Recherche aus dem Sudan: Überlebende aus Al-Faschir berichten von Tötungen, Misshandlungen und Vergewaltigungen durch RSF-Miliz
25. November 2025Zusammenfassung
- 28 Überlebende berichteten Amnesty International von Tötungen, Misshandlungen, Vergewaltigungen und sexualisierten Übergriffen
- RSF-Kämpfer, die für Angriffe auf Zivilpersonen verantwortlich sind, müssen zur Rechenschaft gezogen werden
- Unterstützung der Vereinigten Arabischen Emirate für die RSF ist für Gewalt mitverantwortlich
- Amnesty International fordert alle externen Akteure auf, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um den Verkauf oder die Lieferung von Waffen an alle Konfliktparteien zu beenden
Überlebende, die aus Al-Faschir im sudanesischen Bundesstaat Nord-Darfur geflohen sind, haben Amnesty International berichtet, wie Kämpfer der paramilitärischen Miliz Rapid Support Forces (RSF) bei der Eroberung der Stadt zahlreiche unbewaffnete Männer hinrichteten und Dutzende von Frauen und Mädchen vergewaltigten.
Recherche-Expter*innen von Amnesty International befragten Überlebende, die schilderten, dass sie miterlebten, wie Gruppen von Männern erschossen oder verprügelt und als Geiseln genommen wurden, um Lösegeld zu erpressen. Weibliche Überlebende gaben an, dass sie wie auch einige ihrer Töchter sexualisierter Gewalt durch RSF-Kämpfer ausgesetzt waren. Viele Befragte schilderten, dass sie Hunderte von Leichen in den Straßen von Al-Faschir und den Hauptausfallstraßen liegen sahen.
Die erschütternden Berichte sind einige der ersten Schilderungen von Augenzeug*innen, die nach dem Fall der Stadt aus Al-Faschir geflohen sind. Amnesty International befragte 28 Überlebende, denen es gelungen war, sich in den Städten Tawila westlich von Al-Faschir und Tina an der Grenze zum Tschad in Sicherheit zu bringen, nachdem sie geflohen waren, als die RSF am 26. Oktober Al-Faschir umstellten und dann einmarschierten. Drei Interviews wurden persönlich im Tschad geführt, die übrigen per Video über mobile Geräte.
Die Welt darf nicht wegschauen, wenn weitere Details über den brutalen Angriff der RSF auf Al-Faschir bekannt werden. Die Überlebenden, die wir interviewt haben, berichteten von unvorstellbarem Grauen, dem sie auf ihrer Flucht aus der Stadt ausgesetzt waren.
Agnès Callamard, internationale Generalsekretärin von Amnesty International
„In den kommenden Wochen werden weitere Belege für die von RSF-Kämpfern in Al-Faschir verübte Gewalt auftauchen. Diese anhaltende Gewalt gegen die Zivilbevölkerung stellt ein Kriegsverbrechen dar und kann auch Kriterien für andere völkerrechtliche Straftaten entsprechen. Alle Verantwortlichen müssen für ihre Handlungen zur Rechenschaft gezogen werden,“ sagt Agnès Callamard, internationale Generalsekretärin von Amnesty International und sagt weiter:
„Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) haben durch ihre Unterstützung der RSF diese Gräueltaten gefördert. Die anhaltende Unterstützung der VAE für die RSF heizt den unerbittlichen Kreislauf der Gewalt gegen die Zivilbevölkerung im Sudan an. Die internationale Gemeinschaft und der UN-Sicherheitsrat müssen von den VAE verlangen, dass sie ihre Unterstützung für die RSF einstellen.“
„Es ist zwingend erforderlich, dass die vom UN-Menschenrechtsrat eingesetzte Sudan-Untersuchungskommission über die notwendigen Ressourcen verfügt, um ihr Mandat sinnvoll zu erfüllen und die Menschenrechtsverletzungen und -verstöße im Sudan, einschließlich derer in Al-Faschir, zu untersuchen. Der UN-Sicherheitsrat, der die Situation in Darfur an den Internationalen Strafgerichtshof verwiesen hat, muss diesen Schritt nun unbedingt auf den restlichen Sudan ausweiten.“
„Amnesty International fordert alle externen Akteure auf, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um den Verkauf oder die Lieferung von Waffen und damit verbundenem Material an alle Konfliktparteien zu beenden, wie es das vom UN-Sicherheitsrat verhängte Waffenembargo vorsieht, ein Embargo, das auf das gesamte Land ausgedehnt werden muss."
Amnesty International ruft auch die internationalen und regionalen Akteure – darunter die VAE, Saudi-Arabien, den UN-Sicherheitsrat, die EU und ihre Mitgliedstaaten, die Afrikanische Union, die Intergovernmental Authority on Development (IGAD), das Vereinigte Königreich, die USA, Russland und China – dazu auf, dringend diplomatischen Druck auf die RSF-Führung auszuüben, damit diese ihre Angriffe auf die Zivilbevölkerung, einschließlich sexualisierter Gewalt gegen Frauen und Mädchen, einstellt.
Während der Konflikt weitergeht, sind die Schilderungen der Überlebenden ein weiterer Beweis für das Versagen der internationalen Gemeinschaft im Sudan. Sie muss ihre Bemühungen verstärken, um die Rechenschaftspflicht zu gewährleisten, die Gefährdeten zu schützen und von allen Staaten, die die RSF entweder direkt unterstützen oder deren Handlungen ermöglichen, eine sofortige Kursänderung zu verlangen.
Agnès Callamard, internationale Generalsekretärin von Amnesty International
Triggerwarnung: Der folgende Text enthält Schilderungen von Tötungen, sexualisierter Gewalt und Vergewaltigung.
„Die RSF tötete Menschen wie Fliegen“
Am 26. Oktober, dem Tag, an dem Al-Faschir von der RSF erobert wurde, waren noch schätzungsweise 260.000 Zivilpersonen in der Stadt eingeschlossen.
Ahmed*, 21, versuchte mit seiner Frau, zwei kleinen Kindern und seinem älteren Bruder zu fliehen, indem er einer Gruppe von Soldaten der sudanesischen Streitkräfte (SAF) folgte, die ihre Posten verlassen hatten.
Nachdem seine Frau durch ein Schrapnell getötet und er von seinen Kindern getrennt wurde, war Ahmed* gezwungen, mit seinem Bruder weiter nach Norden zu ziehen. Unterwegs nahmen sie zwei Mädchen im Alter von drei und vier Jahren auf, deren Eltern offenbar getötet worden waren. Als die Gruppe zusammen mit drei anderen Männern und einer älteren Frau Golo am Stadtrand erreichte, gerieten sie in einen Hinterhalt von RSF-Kämpfern.
Ahmed* sagte: "Sie fragten uns: 'Seid ihr Soldaten oder Zivilisten?', und wir sagten ihnen, wir seien Zivilisten. Sie erwiderten: 'In Al-Faschir gibt es keine Zivilisten, jeder ist ein Soldat'." Die RSF-Kämpfer befahlen dann seinem Bruder und den anderen drei Männern, sich hinzulegen. Er berichtete: „Als sie am Boden lagen, haben sie sie hingerichtet."
Die Kämpfer ließen Ahmed*, die beiden jungen Mädchen und die ältere Frau aus für sie unklaren Gründen gehen. Drei Tage später erreichte Ahmed* mit den beiden Mädchen das etwa 60 km entfernte Tawila. Die ältere Frau starb jedoch auf der Reise, wahrscheinlich an Dehydrierung.
Daoud*, 19, floh mit sieben Freunden aus der Nachbarschaft aus Al-Faschir. Er sagte, sie seien alle getötet worden, nachdem RSF-Kämpfer sie an der Berme, die die Stadt umgibt, gefangen genommen hatten: "Sie schossen aus allen Richtungen auf uns... Meine Freunde starben vor meinen Augen."
Khalil*, 34, ist am 27. Oktober aus Al-Faschir geflohen. Er schilderte, wie er und etwa 20 weitere Personen, denen es zunächst gelungen war, die Berme zu überwinden, bald darauf von RSF-Kämpfern in Autos eingeholt wurden: „Die RSF-Kämpfer... forderten uns auf, uns auf den Boden zu legen... Zwei RSF-Kämpfer eröffneten das Feuer auf uns... Sie töteten 17 der 20 Männer, mit denen ich auf der Flucht war.“
Khalil* sagte, er habe nur überlebte, weil er sich tot gestellt habe: "Die RSF tötete Menschen wie Fliegen. Es war ein Massaker. Keine der getöteten Personen, die ich gesehen habe, waren bewaffnete Soldaten".
„Sie haben es genossen, sie haben gelacht“
Badr*, 26, war bis zum 26. Oktober mit seinem Onkel in Al-Faschir geblieben, der sich im Krankenhaus von einer Schussverletzung am Bein erholte. Am 27. Oktober organisierte er einen Eselskarren, um seinen Onkel, zwei weitere ältere Patienten und deren Angehörige gegen 1 Uhr morgens aus der Stadt zu bringen. Als sie das Dorf Shagara, etwa 20 km westlich von Al-Faschir, erreichten, wurden sie von RSF-Fahrzeugen eingekreist.
Badr* berichtete Amnesty International, dass RSF-Kämpfer ihnen die Hände fesselten und die jüngeren, unverletzten Männer aufforderten, hinten in ihren Pickup zu steigen. Sie verlangten, dass auch die drei älteren Männer, die alle über 50 Jahre alt und schwer verletzt waren, einstiegen.
Badr* sagte: „Sie konnten sehen, dass es sich um ältere Menschen handelt, dass sie nicht selbst gehen konnten und in den Transporter getragen werden müssten... Sie dachten, dass sie damit ihre Zeit verschwenden... Einer von ihnen, der ein automatisches Maschinengewehr hatte, stieg [aus dem Lastwagen] und ... eröffnete das Feuer. Er tötete sie, und dann tötete er die Esel... Sie hatten Spaß daran, sie lachten."
Die RSF-Kämpfer verbanden Badr* die Augen und brachten ihn zusammen mit fünf anderen Gefangenen in ein nahe gelegenes Dorf. Nach drei Tagen wurden sie an einen anderen Ort verlegt, der etwa vier Autostunden entfernt war. Badr* durfte seine Verwandten anrufen, und die RSF-Milizen verlangte, dass sie mehr als 20 Millionen sudanesische Pfund (etwa 8.880 USD) für seine Freilassung zahlen.
Während seiner Gefangenschaft wurde Badr* Zeuge, wie ein RSF-Milizionär die Hinrichtung eines Mannes während eines Telefonats mit Angehörigen filmte. Der Mann war einer von drei inhaftierten Brüdern, deren Familie noch kein Lösegeld für ihre Freilassung gezahlt hatte. Badr* sagte: "Sie schossen einem vor laufender Kamera in den Kopf und sagten ihnen [seinen Angehörigen]: wenn ihr das Geld nicht so schnell wie möglich schickt, werden die anderen beiden getötet und ihr werdet nicht einmal erfahren, dass sie getötet wurden."
Gewalt gegen Frauen und Mädchen
Ibtisam* verließ am Morgen des 27. Oktober mit ihren fünf Kindern das Viertel Abu Shouk in Al-Faschir. Zusammen mit einer Gruppe von Nachbar*innen machten sie sich auf den Weg nach Westen in Richtung Golo, wo sie von drei RSF-Kämpfern aufgehalten wurden.
Ibtisam* sagte: „Einer von ihnen zwang mich, mit ihnen zu gehen, zerschnitt meine Jalabiya [ein traditionelles Gewand] und vergewaltigte mich. Als sie gingen, kam meine 14-jährige Tochter zu mir. Ich stellte fest, dass ihre Kleidung blutverschmiert und zerrissen war. Ihr Haar am Hinterkopf war voller Staub."
Ibtisam* erzählte Amnesty International, dass ihre Tochter die nächsten Stunden schweigend verbrachte, bis sie ihre Mutter weinen sah: „Sie kam zu mir und sagte: 'Mama, sie haben mich auch vergewaltigt, aber sag es niemandem‘. Nach der Vergewaltigung wurde meine Tochter sehr krank... Als wir Tawila erreichten, verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand, und sie starb in der Klinik."
Khaltoum*, 29, versuchte am Nachmittag des 26. Oktober mit ihrer 12-jährigen Tochter aus Al-Faschir zu fliehen. Zusammen mit mehr als 150 weiteren Personen erreichten sie das "Babul Amal" -Tor auf der Westseite der Stadt. Sie wurden von RSF-Kämpfern aufgehalten, die die Männer von den Frauen trennten und fünf Männer töteten.
Khaltoum* wurde dann zusammen mit ihrer Tochter und etwa 20 anderen Frauen zu Fuß in das mehr als 10 km entfernte Binnenvertriebenenlager Zamzam gebracht. Dort trennten RSF-Kämpfer die jüngeren Frauen von den anderen und forderten sie auf, sich für eine Durchsuchung anzustellen.
Kateryna sagte Amnesty International: „Sie wählten etwa elf von uns aus... Ich wurde in eine Rakuba [Behelfsunterkunft] gebracht, und ein bewaffneter RSF-Kämpfer und ein anderer, der nicht bewaffnet war, begleiteten mich. Sie durchsuchten mich und dann vergewaltigte mich der unbewaffnete Mann, während der andere zusah. Er hielt mich den ganzen Tag dort fest. Er hat mich dreimal vergewaltigt. Meine Tochter wurde nicht vergewaltigt, aber die anderen 10 Frauen, die sie für die Suche ausgewählt haben, wurden alle vergewaltigt".
Hintergrund: Über den Konflikt im Sudan
Der anhaltende Konflikt zwischen der RSF und den sudanesischen Streitkräften (SAF) im Sudan begann im April 2023. Er hat Zehntausende von Menschen das Leben gekostet und über 12 Millionen vertrieben und ist damit die größte humanitäre Krise der Welt.
Amnesty International dokumentierte Kriegsverbrechen durch die RSF und verbündete arabische Milizen, die gemeinsam rassistisch motivierte Angriffe gegen die Masalit und andere nicht-arabische Gemeinschaften in West-Darfur verübten. Amnesty hat im ganzen Land sexualisierte Gewalttaten durch die RSF dokumentiert, die auf Kriegsverbrechen und mögliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinauslaufen.
Amnesty International hat auch schon früher dokumentiert, wie der Konflikt im Sudan durch einen ständigen Zustrom von Waffen in das Land geschürt wird, wobei insbesondere die Vereinigten Arabischen Emirate Waffen und Munition an die RSF liefern. Dies stellt eine eklatante Verletzung des vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen Waffenembargos für Darfur dar – ein Embargo, das auf das gesamte Land ausgedehnt werden sollte.





