Laut Amnesty International sei es außerdem notwendig, dass die Untersuchungsstelle multiprofessionell zusammengesetzt ist, also neben Personen mit Polizeihintergrund beispielsweise auch mit Mediziner*innen, Psycholog*innen und Menschenrechtsexpert*innen besetzt ist, um umfassende und gründliche Untersuchungen sicher zu stellen. Zudem dient es der Garantie der Unabhängigkeit, wenn neben Personen mit Polizeihintergrund, bei denen Interessenskonflikte vorliegen oder vermutet werden könnten, auch zivile Expert*innen eingebunden werden.
Gegenanzeigen gegen Betroffene
„Zahlreiche Beispiele zeigen: Polizeigewalt und weitere Menschenrechtsverletzungen können nur dann verhindert werden, wenn diese wirksam untersucht und verfolgt werden. Zudem können umfassende Ermittlungen auch das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Polizei stärken.“ Denn derzeit, so die Expertin, fehlt es genau an diesem Vertrauen der Bevölkerung – zu Recht, wie Teresa Exenberger meint: „Weder können Betroffene davon ausgehen, dass die Vorwürfe wirksam untersucht noch, dass die Täter*innen – also Polizist*innen – zur Rechenschaft gezogen werden. Vielmehr müssen die Betroffenen im schlimmsten Fall sogar mit einer Gegenanzeige rechnen.“ Laut der bereits genannten ALES Studie wurden in zehn Prozent der untersuchten Fälle von Seiten der Behörde mit einer Gegenanzeige mit dem Vorwurf der Verleumdung reagiert. „Das geht so weit, dass wir Betroffenen, die sich an uns wenden und keine guten Beweise in Form von Videos oder ähnlichem vorlegen können, nicht einfach so raten können, eine Anzeige zu erstatten.“
Verbindlicher Zeitplan für die Reform
Dass es wirksame Aufklärung im Zusammenhang mit Polizeigewalt braucht weiß auch die aktuelle Bundesregierung, die sich in ihrem Regierungsprogramm zur „Sicherstellung einer konsequenten Aufklärung bei Misshandlungsvorwürfen gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte“ bekannt und die Errichtung einer solchen Ermittlungsstelle geplant hat. „Auf die Einlösung dieses Versprechens warten wir noch“, kritisieren die Menschenrechtsexperten Teresa Exenberger und Philipp Sonderegger unisono. Bis zum Herbst 2020 sollte ein Konzept vorliegen, hieß es ursprünglich. Amnesty International oder auch die Volksanwaltschaft hätten an einer Reform beteiligt werden sollen. Doch bis dato sind weder konkrete Pläne für die Umsetzung von Seiten der Regierung präsentiert, noch ist die Zivilgesellschaft in die Konzeption dieser Stelle eingebunden worden. Amnesty fordert daher eine rasche Umsetzung des geplanten Projektes sowie einen verbindlichen Zeitplan für die Reform. „Sollte diese Regierung dieses wichtige Projekt nicht in Angriff nehmen, versäumt sie nicht nur die Umsetzung eines der wichtigsten menschenrechtlichen Vorhaben, sondern muss vor allem die Verantwortung dafür übernehmen, dass Polizeigewalt in Österreich auch weiterhin in vielen Fällen straflos bleibt.“