Nationalismus und Konzerngier untergraben Impferfolge
Die rasche Herstellung von Impfstoffen gegen Covid-19 schien eine wissenschaftliche Wunderwaffe zu sein, die Hoffnung auf ein universelles Ende der Pandemie machte. Tatsächlich wurde 2021 genug Impfstoff produziert, um die gesamte Weltbevölkerung zu impfen. Dennoch waren Ende des Jahres in den einkommensschwachen Ländern weniger als 4 Prozent der Bevölkerung doppelt geimpft.
Reiche Länder wie beispielsweise EU-Mitgliedstaaten, Großbritannien und die USA horteten mehr Impfdosen als sie benötigten und sahen untätig zu, wie die großen Pharmakonzerne sich weigerten, durch Technologieaustausch die breitere Verteilung von Impfstoffen zu gewährleisten. So stellten sie Profite über Menschenleben. Im Jahr 2021 wurden für Pfizer, BioNTech und Moderna gigantische Gewinne von bis zu 54 Milliarden US-Dollar prognostiziert, und dennoch stellten sie weniger als 2 Prozent ihrer Impfdosen für Länder mit niedrigem Einkommen bereit.
Die großen Pharmaunternehmen waren nicht die einzigen Konzernriesen, die die Pandemiebewältigung zu ihren Gunsten ausnutzten. Social-Media-Konzerne wie Facebook, Instagram und Twitter bereiteten einen Nährboden für Fehlinformationen über das Coronavirus und leisteten der Impfzögerlichkeit Vorschub. Auch einige führende Politiker*innen agierten als Vektoren für Fehlinformationen und schürten zu ihrem eigenen politischen Vorteil Misstrauen und Angst.
„Social-Media-Konzerne ließen zu, dass ihre lukrativen Algorithmen gefährliche Desinformationen über die Pandemie verbreiteten, und gaben so sensationslüsternem und diskriminierendem Gedankengut den Vorrang vor der Wahrheit,” sagte Agnès Callamard.
„Diese Unternehmen profitierten stark von Fehlinformationen, die sich auf das Leben von Millionen Menschen ausgewirkt haben. Sie sind daher eindeutig Antworten schuldig.“
Pandemiekonsequenzen für die Schwächsten
Viele Länder des Globalen Südens hatten nicht nur die verheerenden Folgen der Absprachen zwischen Konzernriesen und Ländern des Westens zu tragen, sondern litten zusätzlich unter dem Zerfall ihrer Gesundheitssysteme und dem Wegfall von wirtschaftlicher Unterstützung und Sozialleistungen infolge jahrzehntelanger Unterfinanzierung. Auf keinem Kontinent war dies deutlicher und härter zu spüren als in Afrika, weshalb Amnesty International den englischsprachigen Bericht 2021/22 am 28. März in Südafrika vorstellt.
Auf dem afrikanischen Kontinent waren Ende 2021 weniger als 8 Prozent der Menschen vollständig geimpft. Damit hat Afrika die niedrigste Impfquote der Welt, was unter anderem auf unzureichende Lieferungen durch die COVAX-Initiative, den Africa Vaccine Acquisition Trust und bilaterale Spendenprogramme zurückzuführen ist. In Ländern, die ohnehin bereits eine unzulängliche Gesundheitsversorgung aufwiesen, gerieten Impfkampagnen ins Stocken oder versagten ganz, wodurch die Bevölkerung keine Aussicht auf Schutz vor dem Virus hatte.
In Südafrika stieg die Zahl der Schulabbrecher*innen bis Mai 2021 auf etwa 750.000 an und lag damit mehr als dreimal so hoch wie noch vor der Pandemie. In Vietnam hatten Arbeitsmigrant*innen ganz besonders unter Ernährungsunsicherheit zu leiden und konnten viele Grundbedürfnisse nicht decken. In Venezuela verschärfte die Pandemie eine bereits existierende humanitäre Notlage: 94,5 Prozent der Bevölkerung litt 2021 unter Einkommensarmut, und 76,6 Prozent lebte in extremer Armut.