Menschen, die sich für die Rechte aller einsetzen, sind mit einem noch nie dagewesenen Ausmaß an Missbrauch, Einschüchterung und Gewalt konfrontiert. Besonders Frauen drohen wegen ihres Einsatzes für die Menschenrechte oft zusätzliche Stigmatisierung, Verfolgung, Diffamierung oder sexuelle Gewalt. Aktivistinnen werden ausgegrenzt, bedroht, eingesperrt oder sogar getötet, weil sie sich für Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichberechtigung einsetzen – aber auch, weil sie durch ihre Menschenrechtsarbeit traditionelle Rollen, die ihnen die Gesellschaft zuweist, hinterfragen. Im Iran sind aktuell beispielsweise mehr als 60 Menschenrechtsverteidigerinnen in Haft – darunter die 30-jährige Atena Daemi, die sich gegen die Todesstrafe und für Frauenrechte einsetzt. Aktuell setzen sich weltweit Hunderttausende für die Aktivistin im Rahmen des Amnesty-Briefmarathons ein.
Während im Herbst 2018 die Ermordung des prominenten Journalisten Jamal Khashoggi weltweit für Schlagzeilen sorgte, sind auch andere Menschenrechtsverteidiger*innen in Saudi-Arabien in Gefahr. Allen voran jene Aktivistinnen, die sich seit Jahren gegen das Fahrverbot für Frauen gewehrt haben. Im Mai – knapp einen Monat vor Aufhebung des Fahrverbotes – nahmen die Behörden unter anderem Loujain al-Hathloul, Iman al-Nafjan und Aziza al-Yousef fest. Zuletzt deckten Amnesty-Recherchen auf, dass Aktivist*innen in Haft mit Elektroschocks gefoltert, sexuell belästigt und misshandelt wurden.
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„Eines hat das Jahr 2018 deutlich gezeigt: Die Menschenrechte sind eine fundamentale Errungenschaft, die vielen am Herzen liegt. Wir werden jeden Tag für sie kämpfen, damit sie jedem Menschen erhalten bleiben“, sagt Annemarie Schlack.
Europa: Kritische Stimmen unter Druck
Auch in Europa wurden 2018 Menschenrechtsverteidiger*innen, Aktivist*innen, Medien und Oppositionelle von staatlichen Stellen drangsaliert und ohne jeden Grund strafrechtlich verfolgt. Einige von ihnen werden gar von gewalttätigen Gruppen, die keinerlei Strafverfolgung befürchten müssen, angegriffen – wie der Fall der ukrainischen LGBTIQ-Aktivistin Vitalina Koval zeigt.
Im Herzen Europas höhlten Regierungen die Rechte der Bevölkerung aus: In Polen wird es immer gefährlicher, sich kritisch zu äußern. Das Demonstrationsrecht wurde eingeschränkt, Hunderte friedlich Demonstrierende wurden ohne Grundlage strafrechtlich verfolgt.
Die ungarische Regierung wiederum trieb einen Frontalangriff auf Migrant*innen und Geflüchtete voran, schränkte das Demonstrationsrecht ein, stellte Obdachlosigkeit unter Strafe und führte Gesetze ein, die die Strafverfolgung von Flüchtlingshelfer*innen ermöglichen. „Die menschenrechtliche Situation in Polen und Ungarn hat sich 2018 verschärft. Stimmen der Zivilgesellschaft in unseren Nachbarländern werden unterdrückt, engagierte Bürger*innen werden bedroht und eingeschüchtert. Damit gefährden die Regierungen Orbán und Kaczyński den sozialen Frieden im Land“, sagt Annemarie Schlack.
Positiv ist: Die EU-Kommission und das Europäische Parlament leitete 2018 ein Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrages sowohl gegen Ungarn als auch Polen ein – als Reaktion auf Maßnahmen der beiden Staaten, die die Menschenrechte aushöhlten. Außerdem stellte die EU finanzielle Mittel bereit, um Menschenrechtsverteidiger*innen in bestimmten Ländern zu unterstützen und zu schützen.
„Trotzdem muss in ganz Europa mehr getan werden“, sagt Schlack und meint weiter: „Leider ist seit der Einleitung des Artikel-7-Verfahrens nicht viel passiert. Die ungarische Regierung diffamiert weiterhin Medien und erschwert Nichtregierungsorganisationen die Arbeit. Für jeden einzelnen Menschen in Ungarn bedeutet das, dass die Rechte, Informationen zu erhalten und politisch mitgestalten zu können, eingeschränkt werden. Die Regierungen in jedem einzelnen EU-Mitgliedstaat sind nun gefordert: Sie müssen den EU-Rat am 11. Dezember dazu nutzen, die festgefahrene Situation zu überwinden und das Artikel-7-Verfahren weiter voranzutreiben.“