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Änderung des Fremdenrechtsgesetzes

2. April 2015

Stellungnahme zum vorliegenden Entwurf

Stellungnahme zum Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das BFA-Einrichtungsgesetz, das BFA-Verfahrensgesetz, das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz und das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 geändert werden (Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 – FrÄG 2015).

20. März 2015

Amnesty International bezieht zu Gesetzesentwürfen nur im Rahmen ihres Mandats, sohin nur insoweit Stellung, als menschenrechtliche Implikationen gegeben sind.

Der vorliegende Gesetzesentwurf folgt seinen Vorgängern insofern, als er, statt Klarheit und Prägnanz zu schaffen, zu einer weiteren Komplexität im Asyl- und Fremdenrecht beiträgt. Bei der vorliegenden Novelle handelt es sich um eine menschenrechtlich sensible Rechtsmaterie, von der (wie das Paket schon ausdrückt, nämlich Fremdenrechtsänderungspaket [!]) vor allem Personen betroffen sind, die im Regelfall der deutschen Sprache nicht mächtig sind und über keinerlei Kenntnisse des österreichischen Rechtssystems verfügen. Dies ist umso bedenklicher, als mittlerweile schon fachkundige ExpertInnen auf diesem Rechtsgebiet sich nur mit Mühe ausreichende Klarheit bezüglich der Anwendung verschaffen können.

Amnesty International bedauert, dass die Gelegenheit nicht wahrgenommen wurde, mit dieser Novelle einem wichtigen Punkt in der EU-Aufnahmerichtlinie bzw. EU-Verfahrensrichtlinie Geltung zu verschaffen, nämlich der Stärkung des Schutzes von besonders vulnerablen Personen, die aufgrund besonderer individuell vorliegender Umstände (zB aufgrund ihres Alters, Geschlechts, sexueller Ausrichtung, ihrer Geschlechtsidentität, einer Behinderung, einer schweren Erkrankung, einer psychischen Störung oder infolge von Folter, Vergewaltigung oder sonstigen schweren Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt) besonders schutzbedürftig sind. Amnesty International empfiehlt, die Einführung entsprechender Standards im Asylverfahren aufzunehmen, die  sicherstellen, dass die betroffenen Personen die nötige Hilfestellungen erhalten, um ein effektives und menschenrechtlich konformes Verfahren zu garantieren.

Amnesty International macht  in diesem Zusammenhang auf Erwägungsgrund 31 in der Verfahrensrichtlinie aufmerksam, der hinsichtlich „der Erkennung und Dokumentation von Symptomen und Anzeichen von Folter oder sonstigen schweren Formen physischer und psychischer Gewalt einschließlich sexueller Gewalt“ insbesondere auf das „Handbuch für die wirksame Untersuchung und Dokumentation von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe“ (Istanbul-Protokoll) verweist. Amnesty International fordert  die Einführung dieser Standards im Asylverfahren aufzunehmen, um sicherzustellen, dass Opfer von Folter oder sonstiger schwerer Gewalt adäquate Unterstützung erhalten.

Das Kindeswohl und die dringend gebotene Stärkung der Rechte für asylsuchende Kinder und Jugendliche haben nahezu keine Aufnahme in den vorliegenden Entwurf gefunden. Dies trotz der spät aber doch erfolgten grundsätzlichen Einfügung der Forderungen der UN-Kinderrechtskonvention in das österreichische Rechtssystem. Amnesty International drückt ihre Besorgnis darüber aus, dass daher auch in Hinkunft auf die besonderen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen, entgegen unions- und menschenrechtlicher Verpflichtungen, nicht oder nicht ausreichend Rücksicht genommen wird.

Wie schon bei vielen zurückliegenden Novellen zu dieser Rechtsmaterie verabsäumt der vorliegende Entwurf jede kritische Abwägung zwischen den Durchsetzungsbedürfnissen der Behörden und ihrer Organe einerseits und der Wahrung der sozialen und menschenrechtlichen Ansprüchen der betroffenen Menschen auf Wahrung ihrer Menschenwürde andererseits und stellt damit eine große Herausforderung der beschließenden ParlamentarierInnen bei der Wahrnehmung ihrer zentralen Funktion als Bewahrer menschenrechtlicher Standards dar. Dies muss jedenfalls zu einer eingehenden und sehr kritischen Auseinandersetzung im parlamentarischen Rechtsschaffungsprozess führen.

Stellungnahme zum vorliegenden Entwurf - BFA-Verfahrensgesetz

§ 3 Abs 3 (Vollstreckungskompetenz des BFA)
Ausgehend von einem nicht belegten Vorurteil, nämlich, dass im Bereich des Fremden- und Asylwesens Personen oftmals über keinen festen Wohnsitz verfügen, soll eine Sondergesetzgebung im asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren geschaffen werden, die von sonstigen verwaltungsrechtlichen Regelungen abweicht.

„Die Angelegenheiten des Verfahrensrechts einschließlich des Exekutionsrechts folgen nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes grundsätzlich nach dem Adhäsionsprinzip kompetenzrechtlich der Kompetenz in der jeweiligen materiellen Angelegenheit („Sachkompetenz“), wobei diese Adhäsionskompetenz durch die Inanspruchnahme der Bedarfskompetenz des Art 11 Abs 2 B-VG durchbrochen wird. Soweit eine Regelung durch ein auf Art 11 Abs 2 B-VG gestütztes Bedarfsgesetz erfolgt, ist eine abweichende Regelung in einem Materiengesetz nur zulässig, wenn dies durch „besondere Umstände“ erforderlich oder „unerlässlich“ ist.“  Amnesty International bezweifelt, dass in der vorgeschlagenen Sondergesetzgebung das Erfordernis der „Unerlässlichkeit“ gegeben ist und empfiehlt daher, keine Sonderregelung hinsichtlich der Kompetenz zur Vollstreckung einzuführen.

§ 10 Abs 3 u. 6 (Einbringung von Anträgen auf internationalen Schutz)
Durch den Entfall der Erstbefragung in der Erstaufnahmestelle auch für mündige Minderjährige kommt es für diese zu einer Verschlechterung gegenüber der derzeitigen Situation. Gem. § 49 Abs 3 BFA-VG ist der Rechtsberater mit Einbringung des Antrags auf internationalen Schutz gesetzlicher Vertreter des Minderjährigen. Der Antrag gilt gem. § 17 Abs 2 AsylG mit Anordnung des Bundesamtes als eingebracht. Während die derzeitige Bestimmung in Bezug auf mündige Minderjährige vorsieht, dass der/die RechtsberaterIn bei der Ersteinvernahme in der Erstaufnahmestelle verpflichtend als gesetzliche/r VertreterIn anwesend ist, fehlt eine derartige Vertretung in der vorliegenden Novelle. Nach Ansicht von Amnesty International sollten Minderjährige, um zu gewährleisten, dass dem Kindeswohl ausreichend Rechnung getragen wird, in allen Verfahrensstadien von RechtsvertreterInnen und einem/r Obsorgeberechtigten unterstützt werden. Eine dementsprechende Verankerung im Gesetz ist folglich notwendig, um menschenrechtlich und unionsrechtlich konforme Verfahren für mündige Minderjährige zu garantieren.

Nicht nachvollziehbar erscheint Amnesty International die Ansicht, dass Erstaufnahmestellen die notwendige Infrastruktur für unmündige Minderjährige aufweisen. Es wird empfohlen, diese im Sinne des Kindeswohls in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe unterzubringen.

§ 11 Abs 1, Abs 6 (Zustellung)
Abs 6 erweitert einmal mehr die Möglichkeiten einer Hinterlegung, ergo einer „fiktiven“ Zustellung. Eine solche soll schon dann möglich sein, wenn dem Bundesamt vor Veranlassung der Zustellung mitgeteilt wurde, dass eine Meldepflichtverletzung vorliegt. Die Voraussetzungen sollen nur dann nicht gegeben sein, wenn dem/der Fremden die Erfüllung der Meldeverpflichtung nicht möglich ist. Unklar bleibt jedoch, wie dies erhoben wird bzw. wie der/die Betroffene davon erfahren soll, zumal keine Benachrichtigung davon zu erfolgen hat. Amnesty International ist besorgt darüber, dass eine solche Vorgehensweise in einem derartig sensiblen Bereich, wie dem Asylbereich, unzureichend ist, um den oftmals sprach- und rechtsunkundigen Betroffenen ausreichenden Rechtsschutz zu garantieren.

§ 18 Abs 1 (Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde)
§ 18 Abs 1 führt neue Tatbestände ein, im Fall deren Vorliegens die aufschiebende Wirkung aberkannt werden kann. Diese gehen – vor allem in Anbetracht der Erläuterungen in den EB – über den Rahmen des Unionsrechts hinaus. So soll zB die Verätzung der Fingerkuppen mit einer Weigerung der Abnahme der Fingerabdrücke (Z 5) gleichgesetzt werden. Hieran zeigt sich sehr gut, dass die in der Verfahrensrichtlinie vorgesehene Unterstützung von AsylwerberInnen, die besonders schutzbedürftig sind, im vorliegenden Entwurf faktisch kein Thema ist. Während ein Durchschnittsmensch bei einer derartigen Tat von einer zumindest sehr großen dahinter stehenden Verzweiflung ausgehen würde, sieht der vorliegende Entwurf darin offensichtlich nur eine „Lästigkeit“ in der Verfahrensabwicklung, die abgestellt werden muss. Eine derartige Auslegung scheint jedoch mit der Verfahrensrichtlinie nicht vereinbar.

Gemäß Z 2 kann die aufschiebende Wirkung aberkannt werden, wenn „schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die nationale Sicherheit oder Ordnung darstellt.“ Wie sich in den EB zeigt („Vom Begriff der schwerwiegenden Gründen betreffend die Gefährdung der öffentlichen Ordnung sind daher nicht nur schwere Verbrechen umfasst, sondern generell jedes Verhalten, das der österreichischen Rechtsordnung im besonderen Maße widerspricht, etwa mehrfache rechtswidrige Einreisen, […] aber etwa auch schwere und gehäufte Verwaltungsübertretungen“) ist der Begriff in der österreichischen Tradition weitaus extensiver als im europarechtlichen Kontext. Nach Ansicht von Amnesty International ist hier eine Klarstellung notwendig, andernfalls europarechtliche Verstöße vorprogrammiert wären.

Amnesty International weist darüber hinaus darauf hin, dass die aufschiebende Wirkung elementar für die Sicherung des Non-Refoulment-Gebots ist. Ein Ausschluss bzw. eine Aberkennung der aufschiebenden Wirkung sollte demnach nur in äußerst engem Rahmen möglich sein. Amnesty International empfiehlt daher die fakultativen Normen Art 31 Abs 8 lit i und j der Neufassung der Verfahrensrichtlinie jedenfalls nicht ins österreichische Recht zu übernehmen, um daraus resultierende Menschenrechtsverletzungen zu vermeiden.

§ 21 Abs 2a, 6a (Verkürzung der Beschwerdefrist, Entfall mündliche Verhandlung)
Abs 2a sieht ein beschleunigtes Verfahren im Falle von Beschwerden im Aberkennungsverfahren bzw. bei Beendigung der Duldung vor. Das Bundesverwaltungsgericht hat in bestimmten Fällen innerhalb von drei Monaten zu entscheiden. Entgegen der Erläuterungen, die den Anschein zu erwecken versuchen, dass derartige Verfahren nur im Fall von besonders schwerwiegenden Fällen, wie zB bei einer Verurteilung wegen besonders schwerer Verbrechen, vorliegen, gibt es darüber hinausgehende Gründe, wie zB eine Änderung der Lage im Heimatland etc. Daraus folgt, dass es oftmals notwendig sein kann, eine gründliche und umfangreiche Prüfung zB der Lage im Heimatland vorzunehmen, welche in drei Monaten möglicherweise nicht entsprechend erfolgen kann. § 21 Abs 2 sieht jedoch keine Möglichkeit vor, die Frist bei Vorliegen von wichtigen Gründen überschreiten zu können. Amnesty International empfiehlt, zumindest eine Regelung analog zu § 27a Asylgesetz (neu) einzuführen, die eine Überschreitung der Frist ermöglicht, wenn dies zur angemessenen und vollständigen Prüfung erforderlich ist.

Abs 6a ermöglicht die Entscheidung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Die Ansicht, dass ja gerade bei Dublin-Verfahren nur Rechtsfragen erheblich sind, geht an der Praxis vieler Dublin-Verfahren vorbei. Insbesondere, wenn Asylsuchende von Verfolgung im zuständigen Dublin-Staat betroffen sind, oder spezielle Bedürfnisse haben und aufgrund der Verhältnisse im Empfängerstaat Gefahr liefen, Opfer von unmenschlicher und erniedrigender Behandlung zu werden. In derartigen Fällen würde bei Entfall einer mündlichen Verhandlung eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren im Sinne von Art 47 GRC drohen.

§ 23 Abs 3 Z 1 (Verwendung personenbezogener Daten)
Hiermit soll eine längere Aufbewahrung von Personendaten ermöglicht werden. Wie in den EB richtig ausgeführt, sind die Bestimmungen der Eurodac-Verordnung unmittelbar anwendbar. Gemäß Erwägungsgrund 23 sollen Fingerabdruckdaten umgehend gelöscht werden, „wenn Drittstaatsagehörige oder Staatenlose die Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaats erworben haben“. Art 13 bestimmt die vorzeitige Löschung von Daten, wenn eine Person die Staatsbürgerschaft eines Mitgliedsstaates erworben hat. Die Ausdehnung in Z 1, wonach erst eine Löschung erfolgt, sobald die Daten nicht mehr für ein Verfahren (teilweise für zukünftige Tatbestände) benötigt werden, erscheint in diesem Zusammenhang zu unbestimmt und über die Vorgaben der Eurodac-Verordnung hinausgehend.

§ 40 Abs 5 (Anhalteermächtigung)
In § 40 Abs 5 entfällt die Einschränkung der Anhaltermächtigung auf die Erstaufnahmestelle. Dabei handelt es sich jedoch nicht, wie sich auf den ersten Blick vermuten lässt, lediglich um eine Anpassung aufgrund der Änderung der Zuständigkeitsregelungen im Zulassungsverfahren, sondern birgt dies, insbesondere in Zusammenhang mit der Novelle des § 42 die Gefahr der Verletzung des Rechts auf die persönliche Freiheit.

Derzeit ist die von Amnesty International als menschenrechtlich bedenklich betrachtete „Anhaltung“ in der Erstaufnahmestelle zulässig. Mit der Novelle soll nunmehr auch eine Anhaltung in einer Polizeidienststelle möglich sein, wo weitaus weniger Infrastruktur und Bewegungsfreiheit für Schutzsuchende besteht, als dies in der Erstaufnahmestelle der Fall ist. Amnesty International erinnert in diesem Zusammenhang an das aus dem PersFrSchG erfließende unmittelbar anwendbare Gebot der Verhältnismäßigkeit, das jedenfalls im Einzelfall zu berücksichtigen ist. Mit der Novelle wird lediglich aufgrund dessen, dass eine Person, einen Asylantrag (also einen Antrag auf internationalen Schutz [!]) stellt, deren persönliche Freiheit entzogen. Dies ist nach Ansicht von Amnesty International verfassungs- und menschenrechtlich äußerst bedenklich.

In Zusammenhang mit § 42 (neu) sind nunmehr auch Fremde, die über ein Aufenthaltsrecht verfügen, nicht von der Anhaltung ausgenommen. In den EB findet sich dazu die Anmerkung, dass eine Anordnung dahingehend erfolgen soll, dass „die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes den Fremden auffordern, sich zur weiteren Antragsabklärung binnen vierzehn Tagen in der Erstaufnahmestelle oder in einer Regionaldirektion einzufinden“. Nach Ansicht von Amnesty International sollte jedenfalls eine Anpassung des Gesetzes erfolgen, um sicherzustellen, dass Fremde mit Aufenthaltsrecht nicht von der Möglichkeit der Anhaltung umfasst sind.

Amnesty International äußert darüber hinaus Bedenken darüber, dass unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die über 14 Jahre sind, ebenfalls von der Anhaltung betroffen sein sollen. Amnesty bezweifelt, dass dabei dem Kindeswohl Genüge getan wird und weist in diesem Zusammenhang auf die bestehenden Verpflichtungen gemäß der Kinderrechtskonvention hin.

§ 42 (Antragstellung bei Sicherheitsbehörden oder Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes)
Mit der Neugestaltung des Zulassungsverfahrens entfällt die automatische Vorführung von AsylwerberInnen vor die Erstaufnahmestelle. Gleichzeitig wird die sensible und für das Verfahren wesentliche Erstbefragung im Asylverfahren durch Organe des Sicherheitsdienstes durchgeführt. Amnesty International äußert in diesem Zusammenhang Bedenken hinsichtlich der ungenügenden Ausbildung der BeamtInnen des Sicherheitsdienstes. Diese verfügen im Normalfall weder über die entsprechende Schulung in der Gesprächsführung mit Flüchtlingen, noch über eine asylrechtliche und länderkundliche Ausbildung, noch stehen regelmäßig nachweislich qualifizierte DolmetscherInnen zur Verfügung. Es muss sichergestellt werden, dass diese wichtigen Voraussetzungen bei der Erstbefragung gegeben sind, andernfalls könnte es zu gravierenden Missverständnissen kommen, die im weiteren Verfahren nachteilige Folgen für den/die AsylwerberIn haben.

§ 45 (Ermächtigung zu  Befehls- und Zwangsgewalt von Bediensteten, die nicht Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind)
siehe Ausführungen zu § 3 Abs 6 FPG

§ 52 (Rechtsberatung)
Amnesty International begrüßt, dass der generelle Ausschluss von „Rechtsberatung vor dem Bundesverwaltungsgericht“ bei Folgeanträgen beseitigt wird und die Rechtsberatung auf Anordnungen zur Außerlandesbringung, sowie auf Einschränkungen oder den Entzug von Leistungen aus dem GVG-Bund ausgedehnt wird.

Amnesty weist jedoch darauf hin, dass eine bloße Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung, wie im Abs 2 vorgesehen, in Beschwerdeverfahren über die Einschränkung oder Entziehung von Grundversorgungsleistungen der Bestimmung in der Aufnahmerichtlinie (Art 26) nicht entspricht. Art 26 der Aufnahmerichtlinie sieht nämlich die „Vertretung im Namen des Antragstellers“ vor, was mit der Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung klar nicht abgedeckt ist. Auch eine Rechtsberatung bzw. -vertretung, die sich nur auf nach dem GVG-Bund getroffene Entscheidungen des BFA beschränkt, ist unzureichend, da es für das EU-Recht unerheblich ist, welche Einheit (Anm. Bund oder Land) der Republik Österreich zuständig ist, sondern es wird darauf abgezielt, dass die Umsetzung der Richtlinie durch die Republik Österreich erfolgt ist.

Gemäß Art 28 Abs 4 Dublin-III-Verordnung iVm Art 9 Aufnahmerichtlinie ergibt sich, dass in Fällen, in denen Fremde auf Basis der Dublin-III-Verordnung in Schubhaft genommen werden, ebenfalls die Teilnahme des/der Rechtsberaters/Rechtsberaterin „im Namen des Antragstellers“ zu erfolgen hat. Da auch Asylsuchende, die aus anderen Gründen in Schubhaft genommen wurden, ein gleichartiges Rechtsschutzbedürfnis haben, empfiehlt Amnesty International, die Verhandlungsteilnahme in diesen Fällen ebenfalls einzuführen.

Nach Ansicht von Amnesty International sollte klargestellt werden, dass die mit dieser Novelle vorgeschlagene Vertretung ein Einverständnis des/der Asylsuchenden voraussetzt.

§ 52a (Verpflichtende Rückkehrberatung)
§ 52a neu sieht in verschiedenen Verfahren eine Verpflichtung zur Inanspruchnahme einer Rückkehrberatung vor. Eine solche Verpflichtung wird durch den Verweis auf § 29 Abs 3 Z 3 AsylG auch Personen auferlegt, bei denen beabsichtigt ist, im Zulassungsverfahren subsidiären Schutz zuzuerkennen. Dies ist nach Ansicht von Amnesty International nicht nachvollziehbar und sollte gestrichen werden.

Aus dem vorliegenden Entwurf ist nicht zu entnehmen, welche Folgen eine Verweigerung der Inanspruchnahme der verpflichtenden Rückkehrberatung hat. Da in Hinblick auf die prekäre und schwierige Situation der betroffenen Personen eine Weigerung durchaus einen nachvollziehbaren Grund haben kann, sollte diese jedenfalls nicht als Verletzung der Mitwirkungspflicht oder Behinderung der Rückkehr (§ 76 Abs 3 Z 1 neu) gewertet werden.

Asylgesetz

§ 6 (Ausschluss von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten)
Gem § 6 Abs 1 Z 3 soll in Hinkunft ein/e Fremde/r von der Zuerkennung des Status eines/einer Asylberechtigten ausgeschlossen sein, wenn er/sie aus „stichhaltigen“ (statt bisher „gewichtigen“) Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt. Da die Übersetzung des dahinter stehenden „reasonable grounds“ in Art 33 Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention in Österreich im Bundesgesetzblatt Nr. 55/1955 mit gewichtige Gründe übersetzt wurde, empfiehlt Amnesty International diese Formulierung beizubehalten.

12a (Ausnahme vom faktischen Abschiebeschutz)
Amnesty International weist darauf hin, dass Abs 2 des § 12a nicht mit Art 41 der Verfahrensrichtlinie vereinbar ist. Nach Artikel 41 ist eine Ausnahme vom faktischen Abschiebeschutz im Falle eines Folgeantrags nur dann möglich, wenn entweder eine Person einen Folgeantrag nur zur Verzögerung oder Behinderung der Durchsetzung einer Entscheidung, die zu ihrer unverzüglichen Abschiebung aus dem betreffenden Mitgliedsstaat führen würde, förmlich gestellt hat oder nach einer Entscheidung über einen unbegründeten Folgeantrag ein weiterer Folgeantrag gestellt wird. Amnesty International empfiehlt daher, Abs 2 aus dem Rechtsbestand zu streichen oder allenfalls unionskonform anzupassen.

§ 19 (Befragung und Einvernahme)
In Abs 2 entfällt der Satz „Soweit dies ohne unverhältnismäßigen Aufwand möglich ist, ist der Asylwerber persönlich von dem zur jeweiligen Entscheidung berufenen Organ des Bundesamtes einzuvernehmen.“. Amnesty befürchtet, dass es dadurch vermehrt dazu kommen wird, dass eine Person die Einvernahme macht, während eine andere, die den/die Asylsuchende noch nie gesehen hat, die Entscheidung über sie trifft, was insbesondere, wenn es um die „Glaubwürdigkeit“ geht, äußerst bedenklich ist.

§ 29 Abs 6 (Sonderbestimmungen im Zulassungsverfahren)
Nicht nachvollziehbar ist, warum nunmehr im Zulassungsverfahren eine multifaktorielle Untersuchung zur Altersdiagnose (§ 2 Abs 1 Z 5 AsylG iVm § 13 Abs 3 BFA-VG) vorgesehen ist. § 13 Abs 3 BFA-VG (auf den hier verwiesen wird) bezieht sich nämlich auf das Verfahren vor dem Bundesamt (!) und sieht dort eine derartige Untersuchung für den Fall vor, dass auf Grund der bisher vorliegenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens Zweifel bestehen. Die Vorverlagerung der Untersuchung auf einen Zeitpunkt, zu dem es noch kaum Ergebnisse aus dem Ermittlungsverfahren gibt, erscheint daher unsinnig.

§ 30 (Opfer von Gewalt)
§ 30 ist enger gefasst als die Verfahrensrichtlinie. Entgegen dem vorliegenden Gesetzeswortlaut sieht die Verfahrensrichtlinie nicht vor, dass der/die AsylwerberIn in Folge von Folter, Anwendung schwerer Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt oder durch ein gleichwertiges Ereignis an einer belastungsabhängigen krankheitswertigen psychischen Störung leiden muss, um in den Genuss von besonderen Verfahrensgarantien zu kommen, wie zB hier der Ausnahme vom beschleunigten Verfahren. Art 2 lit d der Verfahrensrichtlinie geht bei einem „Antragsteller, der besondere Verfahrensgarantien benötigt“, von einer Person aus, deren Fähigkeit die Rechte aus dieser Richtlinie in Anspruch nehmen und den sich aus dieser Richtlinie ergebenden Pflichten nachkommen zu können, aufgrund individueller Umstände eingeschränkt ist. Erwägungsgrund 29 sieht als Gründe, aus denen sich die Notwendigkeit von besonderen Verfahrensgarantien ergeben können, zB Alter, Geschlecht, sexuelle Ausrichtung, Geschlechtsidentität, Behinderung, schwere Erkrankung, etc. vor. Gemäß Art 24 der Verfahrensrichtlinie müssen die Mitgliedsstaaten innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz prüfen, ob ein/e AntragstellerIn besondere Verfahrensgarantien benötigt. Liegt eine dementsprechende Feststellung vor, müssen die Mitgliedsstaaten sicherstellen, dass der/die AntragsstellerIn die entsprechende Unterstützung erhält, um die Rechte aus der Richtlinie in Anspruch nehmen und die sich aus dieser Richtlinie ergebenden Pflichten nachkommen können. Wenn die Notwendigkeit besonderer Unterstützung erst in einer späteren Phase des Verfahrens zu Tage tritt, ist dieser jedenfalls Rechnung zu tragen. Nach Ansicht von Amnesty International sollte eine Prüfung dieser besonderen Notwendigkeiten grundsätzlich so bald als möglich erfolgen, damit den Betroffenen angemessene Unterstützung zu Teil wird und ein effektives Verfahren ermöglicht wird.

Amnesty International betont in diesem Zusammenhang, dass Erwägungsgrund 31 der Verfahrensrichtlinie hinsichtlich der Erkennung und Dokumentation von Symptomen und Anzeichen von Folter oder sonstigen schweren Formen physischer und psychischer Gewalt einschließlich sexueller Gewalt insbesondere auf das Handbuch für die wirksame Untersuchung und Dokumentation von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (Istanbul-Protokoll) verweist. Amnesty International empfiehlt die Einführung dieser Standards im Asylverfahren, um sicherzustellen, das Opfer von Folter oder sonstiger schwerer Gewalt ein angemessenes Verfahren und die nötigen Hilfestellungen erhalten.

§ 58 Abs 2 Z 2 (Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln)
Amnesty International stellt fest, dass die Neuerung nicht analog der Bestimmung des Abs 1 § 57 Asylgesetz ist. Während dort nämlich, wie zuvor auch in § 58 die Rede davon ist „zu erteilen ist“, würde mit der Neuregelung des § 58 eine nochmalige Prüfung notwendig, mit der das Bundesamt quasi seine eigene Entscheidung oder jene des Verwaltungsgerichts nochmals prüfen würde. Eine derartige Vorgehensweise wäre der Verfahrensökonomie abträglich und würde das Risiko, Aufenthaltslücken zu produzieren, bergen. Amnesty International rät daher an, diese Änderung zu streichen.

Fremdenpolizeigesetz

§ 3 Abs 6 (Behörden und Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes)
Amnesty International drückt ihre Besorgnis darüber aus, dass es mit der Novellierung zu einer Auslagerung von staatlichen Aufgaben in einem menschenrechtlich sehr sensiblen Bereich kommen soll. Amnesty International empfiehlt die Ausführungen in den EB explizit ins Gesetz aufzunehmen, dass – „sofern die Überwindung eines Widerstands des Betroffenen erforderlich sein sollte, die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes um Vornahme der Amtshandlung zu ersuchen sind“. Amnesty International weist darüber hinaus darauf hin, dass Abs 2 des § 33 FPG die Ausübung von Zwangsgewalt zur Durchsetzung der Befugnis (Anm. von Abs 1) ausdrücklich für unzulässig erklärt. Sohin geht die diesbezügliche Ermächtigung in der vorgeschlagenen Fassung ins Leere.

§ 13 (Grundsätze bei der Vollziehung, Luftfahrzeuge)
Die Neuregelung des § 13 soll die den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zukommenden Befugnisse bei geschlossenen Flugzeugtüren und im Flug klarstellen. Die vorgeschlagene Regelung ermächtigt die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zur Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt, soweit dem bindendes Völkerrecht nicht entgegensteht.

In den EB wird u. a. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes B159/00 vom 6.3.2001 (Tod bei einer Flugabschiebung) als Grundlage herangezogen, um den Handlungsspielraum im Flugzeug zu präzisieren. Dabei wird jedoch außer Acht gelassen, dass es im gegenständlichen Fall darum ging, ob die zuständigen Behörden an Bord des Flugzeuges (einer bulgarischen Fluglinie) Akte unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt setzen konnten, da die Befehlsgewalt an Bord nach internationalem Recht ausschließlich dem Kapitän des Flugzeuges zugekommen sei. Der Verfassungsgerichtshof erkannte in Folge, dass aus dem „Umstand, dass die Rechtsordnung unter bestimmten Voraussetzungen keine Befugnisse zu Befehls- und Zwangsmaßnahmen einräumt, nicht abgeleitet werden kann, dass staatliche Organe, die zumindest in abstracto mit Hoheitsgewalt betraut sind, nicht dennoch – wenn dann auch ex definitione: rechtswidrige – Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- oder Zwangsgewalt gesetzt haben“.

Die EB beziehen sich weiters auf das Montreal Protokoll vom 4. April 2014, mit dem das Abkommen über strafbare und bestimmte andere an Bord von Luftfahrzeugen begangene Handlungen (Tokioter Abkommen) novelliert werden soll und insbesondere auf die Einführung sogenannter „in-flight security officers“ (IFSO). Österreich hat bis dato das Protokoll noch nicht ratifiziert. Der Entwurf verweist lediglich darauf, dass eine Ermächtigung zur Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt vorliegt, soweit bindendes Völkerrecht dem Einschreiten nicht entgegensteht. Dies schafft jedenfalls keine Klarheit über die tatsächliche Ermächtigung in der Praxis. Nach Ansicht von Amnesty International verletzt die vorliegende Bestimmung das Bestimmtheitsgebot des Art 18 B-VG und sollte daher eliminiert werden.

§§ 34 Abs 1 Z 2, 36 Abs 1 Z 1(Befugnisse von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Rahmen von Grundversorgungskontrollen)
Die im Entwurf vorgeschlagenen Bestimmungen sehen eine Ermächtigung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zum Betreten von Grundstücken, Räumen, Betriebsstätten, Arbeitsstellen und Fahrzeugen vor, wenn dies im Rahmen von Grundversorgungskontrollen nach dem GVG-Bund erforderlich bzw. notwendig ist. Diese Bestimmung erscheint angesichts ihrer Eingriffsintensität, der nicht einmal ein Verdacht irgendeiner Art gegenübersteht, jedenfalls überschießend und ein vorgeschobener, diskriminerender Grund zur Ermöglichung schwerer Eingriffe in die Privatsphäre einer bestimmten Gruppe von Menschen.

§ 46 Abs 2a (Duldung)
Abs 2a erweitert die Mitwirkungspflicht bezüglich der Mitwirkung zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments. Nach Ansicht von Amnesty International ist die Formulierung „im erforderlichen Umfang“ nicht klar und verstößt gegen das Bestimmtheitsgebot des Art 18 B-VG.

§ 61 Abs 4 (Anordnung zur Außerlandesbringung)
Mit Abs 5 § 61 wird die Anordnung zur Außerlandesbringung einer Überstellungsentscheidung im Sinne des Art 26 Dublin-Verordnung und somit den Regelungen für AsylwerberInnen gleichgestellt, was zur Folge hat, dass sich die Beschwerdefrist auf eine Woche verkürzt.

Begründet wird dies mit der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, die aus dem Jahre 1998 datiert und die eine Frist von einer Woche gerade noch als ausreichend angesehen hat, um eine ausreichend begründete Berufung (!) einbringen zu können. Vergessen wird jedoch, dass sich seither die Gesetzeslage – auch verfahrensrechtlich – deutlich verschärft hat und die Materie an sich immer unübersichtlicher geworden ist. Wiederholt hat der Verfassungsgerichtshof festgehalten, dass Rechtsschutzeinrichtungen nicht nur die Erlangung einer rechtsrichtigen Entscheidung ermöglichen müssen, sondern auch ein „Mindestmaß an faktischer Effizienz“ für den Rechtsschutzwerber aufweisen müssen, wobei zu einem fairen Verfahren auch die Effektivität des Rechtsschutzes gehört. Rechtsschutz darf nicht nur formal, sondern muss im Einzelfall effektiv gestaltet sein. Dieser effektive Rechtsschutz scheint aufgrund der derzeitigen Gegebenheiten nicht mehr existent. Amnesty International regt daher an, die hier vorliegende Regelung zu streichen und auch die Beschwerdefrist im Dublin-Verfahren dementsprechend anzupassen.

§ 76 (Schubhaft)
Aus Sicht von Amnesty International sollten AsylwerberInnen grundsätzlich nicht in Schubhaft genommen werden, Schubhaft sollte immer nur ultima ratio sein. § 76 sieht vor, dass Schubhaft nur angeordnet werden darf, wenn dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder die Abschiebung notwendig ist oder die Voraussetzung des Art 28 Dublin-III-Verordnung vorliegt. Weiters ist in § 76 vorgesehen, dass Fluchtgefahr vorliegen und die Schubhaft verhältnismäßig sein muss. Amnesty International begrüßt, dass die Verhältnismäßigkeitsprüfung ausdrücklich im Gesetz aufgenommen wurde, verweist aber darauf, dass im Widerspruch zu EU-Vorgaben lediglich „Fluchtgefahr“ verlangt wird, während Art 28 der Dublin-III-VO „erhebliche Fluchtgefahr“ fordert. Bei der Dublin-III-Verordnung handelt es sich gem. Art 288 AEUV um verbindliches Recht, das unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gilt und folglich auch nicht eingeschränkt werden darf.

Amnesty hat Bedenken, dass § 76 (neu) keine Unterscheidung mehr zwischen AsylwerberInnen und Fremden vornimmt und somit auch die besondere Situation von AsylwerberInnen außer Acht gelassen wird.

Abs 4 sieht die Anordnung von Schubhaft mittels eines Mandatsbescheids (§ 57 AVG) vor. Nach Ansicht von Amnesty International ist dies mit dem Unionsrecht unvereinbar. Abs 2 des Art 28 der Dublin-III-Verordnung sieht nämlich vor, dass, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht für die Inhaftnahme einer Person in jedem Fall eine Einzelfallprüfung durchzuführen ist. Gemäß § 57 Abs 1 AVG ist unter bestimmten Voraussetzungen die Bescheiderlassung jedoch ohne (!) vorausgegangenes Ermittlungsverfahren möglich, was deutlich im Widerspruch mit der Erfordernis der Einzelfallprüfung steht. Amnesty empfiehlt daher, den vorliegenden § 76 zu überarbeiten und insbesondere auf die Möglichkeit des Mandatsverfahrens zu verzichten.

§ 92 Abs 1a (Versagung eines Fremdenpasses)
Die neuen Bestimmungen normieren, dass die in § 14 PassG normierten Passversagungsgründe sinngemäß für Fremdenpässe anzuwenden sind. Gemäß § 14 Abs 1 Z 1 PassG ist ein Pass zu versagen, wenn „der Passwerber seine Identität nicht zweifelsfrei nachzuweisen vermag“. Amnesty International ist besorgt, dass davon zahlreiche subsidiär Schutzberechtigte betroffen sein könnten, da diese oftmals keine Identitätsdokumente haben. Die Bestimmung würde zudem Art 25 der Statusrichtlinie widersprechen, die vorsieht, dass Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt wurde und die keinen nationalen Pass erhalten können, Dokumente für Reisen außerhalb ihres Hoheitsgebietes (Anm: des Mitgliedsstaates) erhalten sollen, es sei denn, es würden dem zwingende Gründe der nationalen Sicherheit und Ordnung entgegenstehen.

Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz

§ 11 Abs 1 Z 3 (Erteilungshindernis – Aufenthaltstitel)
Mit § 11 Abs 1 Z 3 wird der Versuch unternommen, ein klar unionsrechtswidriges automatisches Rückkehrverbot durch die Hintertüre wieder einzuführen. Amnesty International weist erneut darauf hin, dass Art 11 der Rückkehrrichtlinie nicht die automatische Erlassung eines Einreiseverbots einhergehend mit einem Rückkehrverbot vorsieht. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 15.12.2011 (Zl: 2011/21/0237) festgestellt, dass zwar eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen kann, „eine zwingende Mindestdauer von 18 Monaten - mag sie auch häufig gerechtfertigt sein - in jedem Fall, der Anordnung, wonach die Festsetzung der Dauer des Einreiseverbotes "in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls" zu erfolgen habe, jedoch nicht gerecht wird“. Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) befand folglich, dass die – zweifellos unmittelbar anwendbare – Richtlinienbestimmung daher § 53 Abs 2 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 insoweit entgegensteht, als dort – ohne Ausnahme – die Festsetzung eines Einreiseverbotes für die Dauer von 18 Monaten vorgesehen ist. § 11 NAG in der Fassung des vorliegenden Entwurfs sieht entgegen der Judikatur des VwGH erneut eine automatische und somit EU-rechtswidrige De-facto-Verhängung eines „pauschalierten“ Einreiseverbots vor.

Grundversorgungsgesetz - Bund

§ 2 Abs 1 (Besondere Bedürfnisse von schutzbedürftigen Personen)
Die vorgeschlagene Bestimmung entspricht nicht den Anforderungen von Art 22 Aufnahmerichtlinie. Die Wendung „so weit als möglich – berücksichtigt wird“ ist nicht mit den Anforderungen der Richtlinie vereinbar, die sogar eine Pflicht zur Ermittlung der besonderen Bedürfnisse vorsieht. Darüber hinaus sieht die Richtlinie nicht nur vor, dass Personen mit besonderen Bedürfnissen bei der Aufnahme Unterstützung nach der Richtlinie gewährt wird, sondern es sind die besonderen Bedürfnisse während des gesamten Asylverfahrens beachtlich, auch wenn sie erst in einer späteren Phase des Asylverfahrens zu Tage treten. § 2 Abs 1 ist dementsprechend anzupassen. Die Mitgliedsstaaten müssen dafür Sorge tragen, dass den besonderen Bedürfnissen dieser Personen während der gesamten Dauer des Asylverfahrens Rechnung getragen werden. Die vorgeschlagene Bestimmung bleibt klar hinter diesen Verpflichtungen zurück.

Darüber hinaus fehlt auch hier die explizite Umsetzung von Art 23 der Aufnahmerichtlinie, die das Kindeswohl im Blickpunkt hat.

§ 2 Abs 4 Z 3 und Abs 7 (Einschränkung und Entzug bzw. Verlust der Grundversorgung)
Amnesty International ist besorgt, dass mit der Novelle neue Verlusttatbestände aufgenommen werden, die neben die ohnehin schon große Anzahl an Gründen, aus denen die Grundversorgung eingeschränkt, entzogen oder abgelehnt werden kann, hinzutreten. Damit wird die ohnehin prekäre Situation von AsylwerberInnen zusätzlich verschärft und die Voraussetzungen für ein faires Verfahren unterminiert.

Im Zusammenhang mit den Bestimmungen zu Einschränkung, Entzug und Verlust der Grundversorgung vermisst Amnesty International auch die Umsetzung der Bestimmung des Art 20 Abs 5 Aufnahmerichtlinie. Diese sieht einerseits die Rücksichtnahme auf die besondere Situation der betreffenden Personen, insbesondere jene der schutzbedürftigen Personen nach Art 21 Aufnahmerichtlinie, vor, andererseits ist dort normiert, dass in jedem Fall Zugang zur medizinischen Versorgung und ein würdiger Lebensstandard gewährleistet sein muss. Da Entziehung oder Einschränkung der Grundversorgungsleistungen in den meisten Fällen einen würdigen Lebensstandard ausschließt, ist die neuerliche Verschärfung abzulehnen.

Amnesty International Stellungnahme Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015