"Die Regierungen Südasiens müssen einen fairen und gerechten Zugang zu Impfstoffen für alle sicherstellen, unabhängig von Kaste, sozioökonomischem oder anderem Status, Herkunft oder Nationalität", sagt Yamini Mishra, Regionaldirektorin Asien-Pazifik bei Amnesty International, und sagt weiter:
"Der mangelnde Zugang zu Impfstoffen in den meisten Ländern der Region ist ein reales und dringendes Problem, das so schnell wie möglich gelöst werden muss. Das darf diesen Ländern jedoch keinen Anlass geben, den Zugang zu Impfstoffen unangemessen einzuschränken, indem sie zum Beispiel gefährdete Gruppen nicht informieren, wie sie zu einer Impfung kommen. Wer man ist und wo man lebt, darf nicht über den Zugang zu Impfstoffen entscheiden."
Hürden beim Zugang zu Impfstoffen und Information
Viele Menschen in weniger privilegierten Gemeinden in ganz Südasien haben keinen Zugang zu Smartphones und anderen mobilen Geräten, die in den meisten Fällen benötigt werden, um sich online für Impfungen zu registrieren. Auch der Großteil der öffentlichen Gesundheitsinformationen werden über diesen Weg verbreitet.
In Pakistan schließt der Registrierungsprozess bestimmte Gruppen von vornherein aus, da nationale Identitätsnummern verlangt werden, die für Geflüchtete oder Migrant*innen nicht verfügbar sind. Anfang April ermöglichten die Behörden Ausländer*innen über 60 Jahren und medizinischem Personal ausländischer Herkunft die Impfung, aber es gibt keine Klarheit darüber, wie diese Gruppen sich für die Impfung registrieren können. Da die Impfstoffregistrierung per SMS oder online erfolgt, sind auch Gefangene ohne Zugang zu Internet oder Telefon effektiv ausgeschlossen. Während die Provinzregierung von Sindh angekündigt hat, dass alle Gefangenen über 50 Jahren geimpft werden sollen, ist nicht klar, ob andere Provinzen diesem Beispiel folgen werden.
Aufgrund des fehlenden Zugangs zu Informationen und fehlenden Mechanismen für den Informationsaustausch über die Einführung von Impfstoffen herrscht in Ländern wie Bangladesch unter der Landbevölkerung weiterhin die falsche Vorstellung, dass COVID-19 nur für Stadtbewohner*innen ein Problem darstellt. Amnesty International fordert die nationalen Behörden auf, in Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen Maßnahmen zu ergreifen, um auch die Landbevölkerung über Impfkampagnen zu informieren und ein Bewusstsein für die von COVID-19 ausgehende Gefahr zu schaffen.
In Sri Lanka erschwert die eingeschränkte Kommunikation über Termine, Orte und Anspruchsberechtigungen für Impfungen den Zugang. In einigen Ländern wie Afghanistan, Pakistan und Sri Lanka gibt es keine Informationen über die COVID-19-Impfplanung und die Immunisierung der breiteren Bevölkerung. In der Zwischenzeit werden Impfpläne, die von Ländern wie Bangladesch für die Durchimpfung der Bevölkerung entwickelt wurden, nicht umgesetzt, wie z. B. Reinigungskräfte, ungelernte Lohnarbeiter*innen und Menschen in unteren Einkommensgruppen zu impfen. Regierungen müssen sicherstellen, dass die Informationen zu den Impfplänen effektiv an die Menschen weitergegeben werden, in Sprachen und Formaten, die für sie verständlich sind. Nur so kann ein gerechter Zugang zu Impfstoffen gewährleistet werden.
TRIPS-Abkommen aussetzen, um Impfstoffknappheit entgegenzuwirken
Da die Länder, die Impfstoffe herstellen, ihren eigenen Bevölkerungen Vorrang einräumen, ist es für Länder in Südasien sehr schwierig, genug Impfstoff zu kaufen, um den nationalen Bedarf zu decken.
Die Situation hat dazu geführt, dass Hunderte Millionen Menschen in der Region in absehbarer Zeit keinen Zugang zu Impfstoffen haben werden, darunter Gruppen wie eine Million geflüchtete Rohingya in Bangladesch und vier Millionen Binnenvertriebene in Afghanistan. In Pakistan haben die begrenzten Vorräte dazu geführt, dass viele Mitarbeiter*innen des Gesundheitswesens über Schwierigkeiten bei der Sicherstellung ihrer zweiten Impfung berichteten. Das führt dazu, dass sie nun in der dritten COVID-19-Welle, in der sich das Land gerade befindet, der Krankheit schutzlos ausgeliefert sind.
Amnesty International fordert die Regierungen auf, ihre Menschenrechtsverpflichtungen zu erfüllen und aktiv den Vorschlag zu unterstützen, bestimmte Regelungen des TRIPS-Abkommens auszusetzen. Das TRIPS-Abkommen ist ein globaler Vertrag, der die Rechte an geistigem Eigentum regelt und der oft einschränkt, wo, wann und wie Medikamente produziert werden.