"Die türkischen Behörden müssen diese abscheulichen Taten beenden und internationalen Beobachtern Zugang zu all diesen Gefangenen gewähren."
Viele Inhaftierte werden willkürlich festgehalten, teils in informellen Hafteinrichtungen, und erhalten keinen Zugang zu ihren Rechtsbeiständen und Familienangehörigen. Zudem wurden sie nicht angemessen über die gegen sie erhobenen Anklagen informiert, was ihr Recht auf ein faires Gerichtsverfahren untergräbt.
Am 23. Juli verkündete die türkische Regierung die erste Verfügung unter dem neu ausgerufenen Ausnahmezustand. Demnach können Gefangene nun nicht mehr nur wie bisher vier Tage lang ohne Anklage in Haft gehalten werden, sondern ganze 30 Tage lang. Inhaftierte sind damit einer erhöhten Gefahr von Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt. Zudem dürfen Beamtinnen und Beamte nun Treffen zwischen Untersuchungshäftlingen und deren Rechtsbeiständen beobachten oder gar aufzeichnen, und Inhaftierten wurden Einschränkungen bei der Wahl eines Rechtsbeistands auferlegt. All dies bedroht das Recht auf ein faires Verfahren noch weiter.
Folter und andere Misshandlung
Amnesty International sind mehrere Berichte zugegangen, nach denen Personen an inoffiziellen Orten wie Sporteinrichtungen und einem Stall festgehalten werden. Einige Häftlinge, darunter auch mindestens drei Richter, wurden in den Fluren von Gerichtsgebäuden festgehalten.
Die Organisation hat mit Rechtsbeiständen, Ärztinnen und Ärzten sowie mit einer in einer Hafteinrichtung beschäftigten Person über die Haftbedingungen gesprochen.
Die Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner, die aus Sicherheitsgründen anonym bleiben möchten, berichteten über Folter und andere Formen der Misshandlung an Häftlingen, insbesondere in der Sporthalle der Polizeizentrale in Ankara sowie in der Başkent-Sporthalle in Ankara und den zugehörigen Reitställen.
Diesen Berichten zufolge zwingt die Polizei Gefangene dazu, in Stresspositionen zu verharren, beleidigt und bedroht sie und verweigert ihnen Essen, Wasser sowie medizinische Versorgung. Zudem wurden einige Gefangene brutal geschlagen und misshandelt, in einigen Fällen auch sexuell genötigt und vergewaltigt.
Zwei Rechtsbeistände, die Gefangene in Ankara vertreten, gaben gegenüber Amnesty International an, dass Häftlinge gesehen hätten, wie hochrangige Militäroffiziere im Gewahrsam von Polizeikräften mit einem Knüppel oder mit Fingern vergewaltigt wurden.
Eine in der Sporthalle der Polizeizentrale in Ankara beschäftigte Person berichtete über einen Gefangenen, der schwere Verletzungen und eine Schwellung am Kopf aufwies, was darauf schließen lässt, dass er geschlagen wurde. Der Gefangene soll nicht mehr in der Lage gewesen sein, gerade zu stehen oder seine Augen zu fokussieren, und verlor schließlich das Bewusstsein. Während manchen Inhaftierten eine begrenzte medizinische Versorgung gewährt wurde, verweigerte die Polizei diesem Gefangenen offenbar trotz seiner schweren Verletzungen die dringend nötige Behandlung. Ein Polizeiarzt soll gesagt haben: "Lass ihn sterben. Wir sagen einfach, dass er schon tot hier ankam."
Die in der Sporthalle der Polizeizentrale in Ankara beschäftigte Person sagte zudem aus, dass dort 650-800 Soldaten festgehalten werden, von denen mindestens 300 Anzeichen von Misshandlung aufweisen, darunter Prellungen, Schnitte oder Knochenbrüche. Etwa 40 Personen sind so schwer verletzt, dass sie nicht laufen können, und zwei Personen können nicht aufrecht stehen. Eine Frau, die dort in einer separaten Einrichtung untergebracht war, wies Prellungen im Gesicht und am Oberkörper auf.
Polizeikräfte sollen Bemerkungen gemacht haben, die darauf schließen lassen, dass sie für Schläge verantwortlich waren und dass Gefangene geschlagen wurden, um sie "zum Sprechen zu bringen".
Im Allgemeinen scheint es, als würden die inhaftierten hochrangigen Militäroffiziere am schlimmsten behandelt.
Vielen in der Sporthalle und in anderen Einrichtungen Inhaftierten wurden die Hände mit Kabelbindern auf dem Rücken zusammengebunden und man zwang sie, stundenlang zu knien. Die Kabelbinder wurden den Berichten zufolge oft sehr fest zugeschnürt und fügten den Betroffenen Verletzungen zu. Einigen Gefangenen wurden für die Gesamtdauer ihrer Haft die Augen verbunden.
Rechtsbeistände berichteten von Personen, die in blutigen T-Shirts für die Vernehmung zur Staatsanwaltschaft gebracht wurden.
Die Personen, mit denen Amnesty International gesprochen hat, sagten außerdem, dass Häftlinge ihnen gegenüber angegeben haben, die Polizei würde ihnen bis zu drei Tage lang kein Essen und zwei Tage lang kein Wasser geben.
Eine Anwältin, die im Gerichtsgebäude Çağlayan in Istanbul arbeitet, berichtet über dort inhaftierte Personen, die unter starker emotionaler Belastung leiden. Ein Gefangener soll versucht haben, sich aus einem Fenster im sechsten Stock zu stürzen, während ein anderer seinen Kopf wiederholt gegen die Wand schlug.