Am 2. Jänner 2021 brachen in der Region Mangystau im Südosten Kasachstans Proteste gegen Gaspreiserhöhungen aus, die sich dann auf mehrere andere Großstädte, darunter die größte Stadt Almaty, ausweiteten. Die Proteste schlugen allmählich in Gewalt um: Die Menge stürmte das Büro der Stadtverwaltung von Almaty, setzte es in Brand und plünderte Schusswaffen der Strafverfolgungsbehörden.
Die Behörden reagierten mit Tränengas, Blendgranaten und tödliche Waffen auf die Proteste. Die Behörden haben außerdem das Internet und andere Kommunikationsmittel eingeschränkt und die Medien davor gewarnt, gegen das übermäßig restriktive Mediengesetz Kasachstans zu verstoßen. Die Kommunikation mit den Menschen in Kasachstan, insbesondere in Almaty, ist stark eingeschränkt.
"Schiessen ohne vorwarnung"
Am 7. Jänner forderte der kasachische Präsident Kassym-Jomart Tokajew in einer Fernsehansprache die Sicherheitskräfte auf, bei weiteren Unruhen nach den jüngsten Massenprotesten und Gewalttaten "ohne Vorwarnung zu schießen".
Nach internationalem Recht dürfen Polizeibeamte tödliche Gewalt immer nur als letztes Mittel einsetzen. Sie darf nur dann eingesetzt werden, wenn es unbedingt notwendig ist, entweder um sich selbst oder andere vor einer unmittelbaren Bedrohung durch Tod oder schwere Verletzungen zu schützen, und nur dann, wenn alle anderen Möglichkeiten zur Deeskalation der Situation versagt haben.
"Wenn der Einsatz von Gewalt und Schusswaffen unbedingt erforderlich ist, sind die einschlägigen UN-Grundsätze eindeutig. Die Sicherheitskräfte müssen immer eine klare Warnung geben, bevor sie das Feuer eröffnen – außer wenn sie sich selbst oder andere dadurch in Gefahr bringen würden. Wenn sie dies nicht tun, erhöht sich das Risiko, dass unschuldige Umstehende schwer verletzt oder getötet werden. Die pauschale Anweisung, keine Warnung auszusprechen, ist äußerst gefährlich und deutet auf eine Politik des 'Erst töten, dann denken' hin", so Marie Struthers, Direktorin für Osteuropa und Zentralasien bei Amnesty International.