In Wirklichkeit weiß niemand genau, was mit dem Großteil dieser Kinder geschehen ist.
Zwar gehen öffentliche Stellen davon aus, dass die meisten Kinder in andere EU-Länder weitergereist sind, doch weit weniger als die Hälfte dieser Kinder werden in anderen EU-Mitgliedsstaaten wieder registriert. Aufgrund von Doppelzählungen ist völlig unklar, wie viele dieser verschwundenen Kinder in anderen EU-Staaten tatsächlich wieder auftauchen. Es ist daher zu befürchten, dass viele verschwundene Kinder Opfer von Menschenhandel oder anderen Menschenrechtsverletzungen werden.
Noch besorgniserregender ist, dass bei unbegleiteten geflüchteten Kindern nur dann eine Vermisstenanzeige erstattet wird, wenn diese unter 14 Jahre alt sind. Verschwindet ein über 14-jähriges Kind, so erfolgt lediglich eine schriftliche Meldung an den*die Obsorgeträger*in, der*die dann weitere Schritte veranlassen sollte (siehe Bericht der Kindeswohlkommission vom 13. Juli 2021).
Damit sind wir auch schon beim Kern des Problems: Unbegleitete geflüchtete Kinder, die über 14 Jahre alt sind, haben grundsätzlich keine*n Obsorgeberechtigte*n. Die Kinder- und Jugendhilfe übernimmt die Obsorge für diese Kinder nämlich erst dann, wenn sie von der sogenannten Bundesbetreuung in die Grundversorgung der Bundesländer überstellt werden. Und dies kann mehrere Monate dauern.
Insbesondere in diesen ersten Monaten, in denen diese Kinder in völlig ungeeigneten Bundesbetreuungseinrichtungen wie der Betreuungsstelle Ost in Traiskirchen, ohne Zugang zu kindgerechter Betreuung, Information und Bildung untergebracht sind, verschwindet der Großteil der Kinder.