Die Herausforderung besteht nicht nur darin, uns vor rassistischer Sprache und ihren konkreten Folgen zu schützen, sondern wir müssen auch daran arbeiten, aktiv eine Atmosphäre der Inklusion und des Respekts zu schaffen – über Parteigrenzen hinweg. Wir müssen uns daran erinnern, dass die Würde jedes Menschen unantastbar ist und bleiben muss. Statt Begriffe zu normalisieren, die Spaltung fördern, sollten wir uns auf eine gemeinsamen Sprache einigen, die unsere Werte – Menschenrechte, Solidarität, Respekt – widerspiegeln. Und sie gemeinsam verteidigen.
Gemeinsam gegen die Diskursverschiebung
Wenn wir uns als Gesellschaft einig sind: Wir möchten nicht, dass sich der Diskurs in Richtung einer menschenfeindlichen Sprache verschiebt – dann ist Vernunft und Disziplin gefragt. Die Versuchung, an Stammtischparolen anzustreifen und politisches Kleingeld mit Ausgrenzung zu machen, ist vor allem im Wahlkampf groß. Gewinner dabei: der extreme, rassistische Rand. Gerade im Migrationsdiskurs sachlich zu bleiben und nach konstruktiven Lösungen zu suchen, wäre ein aktiver Beitrag gegen die Diskursverschiebung.
In der Asyl- und Migrationspolitik gibt es genügend Probleme, für die unsere Gesellschaft dringend echte Lösungen braucht. Eines davon ist der fehlende Schutz unbegleiteter geflüchteter Kinder, die aktuell monatelang ohne Obsorge bleiben und denen wir in Österreich die Zukunft verbauen. Wie können wir dafür sorgen, dass die Menschenrechte aller Kinder gewahrt werden und dass alle Kinder in Österreich ihre Potentiale entfalten können? Das wäre ein gewinnbringendes Thema für den Migrationsdiskurs. Wie auch sichere Fluchtrouten und der Schutz der Menschenrechte an den EU-Außengrenzen. Es gibt unzählige dieser Fragen, über die wir dringend reden sollten, statt uns im Sog der Diskursverschiebung mitziehen zu lassen.
Beschwichtigung unangebracht
Wenn man die Berichte von Menschen mit Migrationsbiografie hört, wenn man versucht, nachzufühlen, wie viele Menschen in Österreich und Deutschland die letzten Wochen erlebt haben, welche Verunsicherung, Angst und Sorgen die rechtsextremen Pläne besonders auch bei jungen Menschen ausgelöst haben, dann sind jegliche Versuche der Beschwichtigung unangebracht und gefährlich. Die Pläne, die in Potsdam diskutiert wurden, bedeuten nichts anderes als die zwangsweise Vertreibung von Menschen nach ethnischen, religiösen oder auch sozialen und politischen Kriterien. Das ist menschenverachtend.
Auch ich habe eine Migrationsbiografie. Wenn meinen Eltern in den späten 80er Jahren nicht die Flucht aus dem Iran gelungen wäre, wäre ihr und mein Leben grundlegend anders verlaufen. Mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit wären meine Eltern, zwei junge Menschen, die im iranischen Widerstand gegen eine autoritäre Theokratie aktiv waren, hingerichtet worden oder wären für viele Jahre inhaftiert gewesen. Was mit mir passiert wäre, ist unklar. Vielleicht hätte man mich zur Adoption freigegeben, vielleicht hätte ich, wie viele andere Kinder von Gewissensgefangenen auch, meine Kindheit im Gefängnis verbracht.