Mindestens 17 Kinder kamen letztes jahr im lager zu tode
Die von der Autonomieverwaltung verhängten strengen Bewegungsbeschränkungen kommen in der Praxis einer Freiheitsberaubung gleich. Frauen und Kinder dürfen das Lager nur mit vorheriger Genehmigung verlassen, die nach Aussagen von Personen, die von Amnesty International befragt wurden, von den Asayish nur selten erteilt wird.
Um in den Versorgungsbereich des Lagers zu gelangen, in dem humanitäre Organisationen Gesundheitsversorgung und andere wichtige Dienstleistungen anbieten, müssen Frauen und Kinder im Lager eine Genehmigung der Asayish einholen und einen von ihnen betriebenen Kontrollpunkt passieren. Am Kontrollpunkt müssen sie sich mit unbedecktem Gesicht fotografieren lassen, was bedeutet, dass Frauen, die ihr Gesicht bedecken, gezwungen werden, sich zu entblößen. Diese Prozedur wird bei jedem Besuch des Versorgungsbereichs wiederholt und hält Frauen mitunter davon ab, sich und ihre Kinder medizinisch versorgen zu lassen, was zu ernsten gesundheitlichen Problemen wie langwierigen Infektionen und schwerwiegenden Schädigungen des Sehvermögens und der Zahngesundheit führen kann.
Männer und Frauen haben nur sehr begrenzten Zugang zu Beschäftigungsmöglichkeiten. Die autonome Verwaltung erlaubte humanitären Organisationen kurzzeitig, Männer und Frauen im Hauptlager von Al-Hol zu beschäftigen, setzte diese Entscheidung jedoch kürzlich aus unklaren Gründen aus.
Der Mangel an Erwerbsmöglichkeiten für Erwachsene in Verbindung mit dem unzureichenden Zugang zu sicheren Räumen und Bildung für Kinder hat zu einem Anstieg der Kinderarbeit geführt. Einem aktuellen Bericht von Save the Children zufolge erhalten nur 40 % der Kinder im Alter zwischen drei und 17 Jahren im Lager Al-Hol eine Schulbildung. Während der Covid-19-Beschränkungen konnten die Kinder im Lager ihre Ausbildung nicht fortsetzen, da die Lernzentren im Lager geschlossen wurden und Online-Lernen aufgrund fehlender Internetverbindungen und Mobiltelefone nicht möglich war.
Das Versäumnis der autonomen Verwaltung, einen transparenten und konsequenten Sicherheitsplan für das Lager zu erstellen und umzusetzen, hat nach Aussage der befragten Personen zu einem Klima der Wut und Angst inmitten der allgegenwärtigen Gewalt geführt. Ein Bericht von Save the Children wies auf die hohe Mordrate im Lager hin: 79 Menschen wurden in diesem Jahr im Lager getötet, darunter drei Kinder, die erschossen wurden, und 14 weitere Kinder, deren Tod auf verschiedene Vorfälle wie Brände zurückzuführen ist.
Zahlreiche Hürden hindern die Menschen an Rückkehr in ihre Heimatländer
Einige Syrer*innen erhalten zwar die Erlaubnis, das Lager dauerhaft zu verlassen, doch sie stoßen bei ihrer Rückkehr in ihre Heimatgebiete auf eine Reihe von Hindernissen. Dazu zählt die Angst vor einer Rückkehr in Gebiete, die unter der Kontrolle der syrischen Regierung stehen, und die Ablehnung von Rückkehranträgen durch die Autonomieverwaltung, was zur Trennung von Familien führt. Frauen haben mitunter Vorbehalte, ohne ihre männlichen Verwandten zurückzukehren, die entweder inhaftiert sind oder vermisst werden. Auch hohe Transportkosten stehen der Rückkehr im Weg.
Aufgrund unzureichender finanzieller Mittel sind die im Nordosten Syriens tätigen humanitären Organisationen nicht in der Lage, syrische Kinder zu schützen, wenn sie das Lager Al-Hol verlassen, wodurch sie häufig der Gefahr des Kinderhandels, der Frühverheiratung oder der Rekrutierung durch bewaffnete Kräfte ausgesetzt sind.
Für irakische und drittstaatsangehörige Kinder ist die Repatriierung die einzige Möglichkeit, das Lager zu verlassen. Im Jahr 2021 begann der Irak langsam mit einem Rückführungsprozess. Die meisten anderen Staaten zögern jedoch, sich umfassend für die Rückführung aller Kinder einzusetzen.