Ein Coltan-Minenarbeiter in der Demokratischen Republik Kongo ruht sich aus. Beim für Elektronik benötigten Coltan kommt es in der Wertschöpfungskette zu schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen. © Moses Sawasawa / AP / picturedesk.com
Ein Coltan-Minenarbeiter in der Demokratischen Republik Kongo ruht sich aus. Beim für Elektronik benötigten Coltan kommt es in der Wertschöpfungskette zu schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen. © Moses Sawasawa / AP / picturedesk.com
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Studienergebnis: Mehrheit der Europäer*innen unterstützt Umweltschutz und Menschenrechte

2. Oktober 2025

Eine neue Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos im Auftrag von Amnesty International und Global Witness zeigt, dass eine große Mehrheit der Menschen (75 Prozent) in zehn europäischen Ländern es für wichtig hält, dass die Europäische Union (EU) ihre eigenen Umweltgesetze einhält und dass Unternehmen für Menschenrechts- und Umweltschäden in der gesamten Lieferkette verantwortlich gemacht werden (rund 75–77%). Gleichzeitig unterstützen 58% die 2024 verabschiedete Richtlinie zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten (CSDDD) – eine Richtlinie, deren Kernbestandteile durch bevorstehende Entscheidungen im Europäischen Parlament am 13. Oktober ernsthaft gefährdet sind.

Amnesty International und Global Witness fordern, dass das Europäische Parlament diese schädlichen Vorschläge zurücknimmt und die Interessen der Menschen und des Planeten über die der Unternehmen stellt.

75%

Finden es wichtig, dass die EU ihre eigenen Umweltgesetze aufrechterhält und wollen, dass große Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden in ihren Wertschöpfungsketten zur Verantwortung gezogen werden sollten.

58%

Unterstützen die EU-Richtlinie zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten im Hinblick auf Nachhaltigkeit (CSDDD), die vor einer wichtigen Abstimmung im Europäischen Parlament in Gefahr ist. Nur 9 Prozent sind dagegen.

63%

Sind der Meinung, dass große Unternehmen gesetzlich verpflichtet sein sollten, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren.

Die Umfrage unter 10.861 Personen wurde gemeinsam von Amnesty International und Global Witness in Auftrag gegeben und ergab außerdem, dass rund drei Viertel der Befragten der Meinung sind, große Unternehmen sollten für Menschenrechtsverletzungen (75 Prozent) und Umweltschäden (77 Prozent) entlang ihrer globalen Wertschöpfungsketten zur Verantwortung gezogen werden. Die Ergebnisse kommen zu einem Zeitpunkt, an dem die EU eine drastische Schwächung des Umwelt- und Menschenrechtsschutzes erwägt. Das Europäische Parlament wird voraussichtlich am 13. Oktober über eine Reihe von Gesetzen abstimmen, die Teil der Rücknahme des „Green Deal“ durch die EU sind.

Das Parlament entscheidet dann, ob der Umfang und die wesentlichen Bestimmungen der wegweisenden Richtlinie zu den unternehmerischen Sorgfaltspflichten (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, auch EU-Lieferkettenrichtlinie), die erst im vergangenen Jahr verabschiedet wurde, stark eingeschränkt werden sollen. Laut Umfrage unterstützten 58 Prozent der Befragten die Richtlinie, während nur 9 Prozent die Schutzmaßnahmen ablehnen.

Beate Beller, Expertin für die EU bei Global Witness, sagt dazu:

„Die Europäer*innen senden Brüssel ein starkes Signal der Unterstützung für dringende Klimaschutzmaßnahmen und den Schutz der Menschenrechte. Die Europäische Union muss ihren Verpflichtungen nachkommen und sich Lobbyist*innen widersetzen, die einen Unterbietungswettlauf erzwingen wollen. Unternehmen sind entscheidend dafür verantwortlich, ihre Emissionen drastisch zu reduzieren, und sie müssen verpflichtet werden, jetzt Maßnahmen zur Bewältigung der Klimakrise zu ergreifen.“ 

Die Menschen in Europa wollen den Schutz der Menschenrechte und des Klimas – keine schwächeren Regeln. Ein Abbau dieser Schutzmaßnahmen würde nur den Einzelinteressen von Milliardär*innen und Großkonzernen dienen. Es ist noch nicht zu spät, um den Kurs zu ändern. Das Europäische Parlament muss jetzt Mut zeigen, sich der Tyrannei der Konzerne widersetzen und diese Gesetze im Namen der Menschen, die es vertritt, und des Planeten, auf den wir alle angewiesen sind, verteidigen.

Agnès Callamard, internationale Generalsekretärin von Amnesty International

Die Umfrage wurde von Ipsos in zehn europäischen Ländern durchgeführt: Dänemark, Frankreich, Deutschland, Italien, Litauen, Niederlande, Polen, Rumänien, Spanien und Schweden.

Die Ergebnisse könnten ein Zeichen dafür sein, dass die Mehrheit der Menschen sich bewusst ist, dass Klimaschutzmaßnahmen nicht mit wirtschaftlichen Kosten für die privaten Haushalte verbunden sein müssen. 87 Prozent der Befragten gaben an, dass die Lebenshaltungskosten in ihrem Land in den letzten zwölf Monaten gestiegen seien. Nur 13 Prozent von ihnen wählten jedoch aus einer Liste möglicher Gründe für diesen Anstieg die Antwort „Politik der Europäischen Union zur Bekämpfung des Klimawandels“ als eine der Hauptursachen aus. 

Mehr als die Hälfte (53 Prozent) war außerdem der Ansicht, dass es für die EU nun wichtiger sei, ihre eigenen Umweltgesetze einzuhalten, da die US-Regierung ihre Umweltschutzmaßnahmen zurückgefahren habe. Nur 10 Prozent gaben an, dass dies weniger wichtig sei. 

Die EU muss die Menschen und den Planeten über die Unternehmensgewinne stellen

2024 verabschiedete die EU die EU-Richtlinie zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten (auch EU-Lieferkettenrichtlinie genannt), die in der EU tätige Großunternehmen gesetzlich dazu verpflichtet, negative Auswirkungen ihrer Aktivitäten auf Menschenrechte und Umwelt weltweit zu identifizieren, zu verhindern und zu mildern.

Die Bestimmungen dieser als wegweisend gefeierten Richtlinie sollten es der EU ermöglichen, ihr Ziel zu verwirklichen, bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu werden. Kurz nach der endgültigen Verabschiedung des entsprechenden Gesetzes legte die Europäische Kommission am 26. Februar 2025 jedoch den sogenannten „Omnibus-Vorschlag“ vor – eine Reihe von Vorschriften, die darauf abzielen, kürzlich in der EU erlassene Schutzmaßnahmen gegen Risiken für Umwelt und Menschenrechte zurückzuschrauben. Mehr als 360 zivilgesellschaftliche Organisationen aus rund 50 Ländern unterzeichneten daraufhin eine gemeinsame Erklärung, in der sie Alarm schlugen und sich gegen diese Pläne aussprachen. 

Am 13. Oktober wird der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments voraussichtlich über seine Position zum Omnibus-Vorschlag abstimmen und damit den Weg für die Positionierung des Parlaments sowie für Verhandlungen zwischen Parlament und Rat ebnen.

Die Vorschläge betreffen wichtige Gesetze zur Unternehmensnachhaltigkeit wie die EU-Lieferkettenrichtlinie. Mit dem Omnibus-Vorschlag droht die Schwächung einiger ihrer zentralen Bestimmungen. Dazu gehört die Abschaffung eines harmonisierten zivilrechtlichen Haftungssystems, das Betroffenen von Menschenrechtsverstößen, d. h. ausgebeuteten Arbeitnehmer*innen und von Unternehmen vertriebenen Personen, einen klaren Weg zur Einforderung von Gerechtigkeit eröffnen sollte. Außerdem gehört dazu die Beschränkung des Umfangs der Sorgfaltspflichten auf unmittelbare Geschäftspartner statt auf die gesamte Wertschöpfungskette und die Aushöhlung der Übergangsverpflichtungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel.

Wie aus dem Vorschlag des Europäischen Rates vom Juni dieses Jahres hervorgeht, zeichnet sich zudem ein drastischer Trend zur Reduzierung der Unternehmen ab, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen würden.

„Es gibt keine Zeit zu verlieren. Wir alle wollen und verdienen es, in einer sauberen und gesunden Umwelt zu leben und zu arbeiten“, meint Agnès Callamard.

Das Europäische Parlament muss jetzt Führungsstärke beweisen, indem es diese schädlichen Vorschläge zurücknimmt und die Interessen der Menschen und des Planeten über die der Unternehmen stellt.

Beate Beller, Expertin für die EU bei Global Witness

Allgemeiner Hinweis zur Umfrage

Im Auftrag von Amnesty International und Global Witness hat Ipsos mithilfe seines Online-Dienstes i:omnibus sowie seiner Ad-hoc-Dienste auf repräsentativen Quotenstichproben beruhende Befragungen von Erwachsenen in zehn Märkten durchgeführt. Befragt wurden 1.086 Personen im Alter von 16–75 Jahren in Dänemark, 1.098 im Alter von 16–75 Jahren in Frankreich, 1.092 im Alter von 16–75 Jahren in Deutschland, 1.098 im Alter von 16–75 Jahren in Italien, 1.063 im Alter von 18–65 Jahren in Litauen, 1.085 im Alter von 16–75 Jahren in den Niederlanden, 1.092 im Alter von 16–75 Jahren in Polen, 1.084 im Alter von 16–75 Jahren in Rumänien, 1.078 im Alter von 16–75 Jahren in Spanien und 1.085 im Alter von 16–75 Jahren in Schweden.

Die Befragungen wurden durchgeführt zwischen dem 5. und dem 17. September 2025. Die nach Quoten zu Alter, Geschlecht, Region und Erwerbsstatus erhobenen Stichproben sind repräsentativ für die jeweilige nationale Bevölkerung. Die Daten wurden anhand der bekannten Offline-Bevölkerungsanteile im jeweiligen Markt nach Alter, Erwerbsstatus, Regierungsbezirk und Bildung gewichtet, um die erwachsene Bevölkerung des Marktes, in dem die Umfrage durchgeführt wurde, wiederzugeben. Darüber hinaus wurde eine Kombination der Ergebnisse aus den zehn europäischen Ländern erstellt, die anschließend gewichtet wurden, um das jeweilige Größenverhältnis zu zeigen.