Gericht ließ Foltervorwürfe nicht untersuchen
Amnesty International und Human Rights Watch haben zehn Urteile von 38 Personen analysiert, die vom Sondergerichtshof zwischen 2013 und 2016 verhängt worden waren. Die meisten davon richteten sich gegen Männer und Jugendliche, denen vorgeworfen wird, kriminelle Handlungen in Verbindung mit den Massendemonstrationen 2011 und 2012 in der Provinz asch-Scharqiyya getätigt zu haben. In dieser Region bilden schiitische Muslime die Mehrheit in der Bevölkerung.
In fast allen Urteilsbegründungen, die analysiert wurden, zogen die Angeklagten ihr „Geständnis“ zurück, da sie dazu genötigt worden seien – in manchen Fällen mithilfe von Folter: Sie sollen unter anderem Schläge oder eine verlängerte Einzelhaft bekommen haben.
Das Gericht wies alle Foltervorwürfe zurück, ohne die Behauptungen zu untersuchen. Manche Angeklagte baten die Richter, die Videoaufnahmen von den Gefängnissen anzufordern, die die Folterungen zeigen würden. Andere forderten das Gericht auf, die Beamt*innen, die für die Vernehmung zuständig waren, als Zeugen vorzuladen, damit diese beschreiben, wie diese „Geständnisse“ zustande kamen. Das Gericht ignorierte all diese Anfragen und erkannte diese „Geständnisse“ als Beweise an. Die Angeklagten wurden fast ausschließlich auf Basis dieser erzwungenen Aussagen verurteilt.
„Todesstrafen auf Basis von erzwungenen ‚Geständnissen‘ verletzten die Menschenrechte. Sie sind ein widerlicher – aber dennoch leider allzu alltäglicher – Ausgang bei Gerichtsverfahren in Saudi-Arabien, die mit Sicherheitsfragen zu tun haben“, sagt Lynn Maalouf. „Diesen Verfahren fehlt jede noch so geringe Grundanforderung für einen fairen Prozess.“
Hintergrund
Saudi-Arabien ist weltweit einer der Staaten mit den meisten Todesurteilen. Mehr als 400 Personen wurden seit Beginn 2014 hingerichtet – die meisten für Mord, Drogenkriminalität und Terrorismus. Neben den unfairen Verfahren macht sich Saudi-Arabien schuldig, mutmaßliche Kinderstraftäter*innen und nicht-gewalttätige Straftäter*innen hinzurichten (inklusive jener, die wegen Drogenkriminalität und „Verbrechen“ wie Hexerei angeklagt worden waren). Das widerspricht internationalen Gesetzen, die die Todesstrafe auf die „allerschwersten Verbrechen“ beschränken – etwa vorsätzliche Tötung. Seit Beginn 2014 hat Saudi-Arabien mindestens 147 Personen für nicht-gewalttätige Drogenkriminalität hingerichtet.