Gibt es Schicksale von Menschen, denen ein Schwangerschaftsabbruch verweigert wurde, die dich berührt haben?
Ich denke da besonders an den Fall von Belén. Sie wurde wegen Mordes angeklagt, nachdem sie 2014 in einem staatlichen Krankenhaus im argentinischen Tucuman eine Fehlgeburt erlitten hatte. Erst 2017 wurde sie endlich aus dem Gefängnis entlassen und kurz danach von allen Vorwürfen freigesprochen.
Der Fall rief sowohl in Argentinien als auch weltweit große Empörung hervor und trug letztlich dazu bei, dass Argentinien Schwangerschaftsabbrüche Ende 2020 legalisierte.
Das Schicksal von Belén führt uns deutlich vor Augen, was auf dem Spiel steht.
Gibt es auch Schicksale von Frauen, die du unterstützt hast und die dir in Erinnerung geblieben sind?
Absolut. Der Fall von Vannesa Rosales, einer venezolanischen Lehrerin, die einer 13-Jährigen nach einer Vergewaltigung zu einer sicheren Abtreibung verholfen hat, ist sehr berührend. Vannesa wurde festgenommen und angeklagt, weil sie beim Zugang zu einem Schwangerschaftsabbruch geholfen hatte, doch sie stand tapfer für Gerechtigkeit ein. Nach einer wirkungsvollen Amnesty-Kampagne wurde sie am 21. Juli 2021 aus dem Gefängnis entlassen, nachdem sie neun Monate im Gewahrsam verbracht hatte, sechs davon im Hausarrest. Ihr Mut und die weltweite Unterstützung, die sie erhielt, verdeutlichen die Wirkung von Solidarität.
Welche unerwarteten Hürden gibt es beim Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen?
Selbst wenn der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen legal ist, kann er untergraben werden: durch Wartezeiten, obligatorische Beratungsstunden, vorgeschriebene Genehmigungen durch Dritte oder die Notwendigkeit eines Polizeiberichts. Wenn Beschäftigte des Gesundheitswesens sich z. B. aus Gewissensgründen weigern, die Leistung zu erbringen, schränkt dies den Zugang in der Praxis ein, wie sich bei unserer Arbeit in Südafrika gezeigt hat.
Dank Zensur im digitalen Bereich und Fehlinformationen auf großen Plattformen fehlt es an verlässlichen Informationen zum Thema. Stigmatisierung sowie religiöser und sozialer Druck halten Menschen oftmals davon ab, entsprechende Leistungen in Anspruch zu nehmen. Besonders in ländlichen Gegenden ist der Zugang zu einem Schwangerschaftsabbruch häufig dadurch eingeschränkt, dass die Entfernung zu groß ist oder die Kosten zu hoch sind. Hinzu kommen mangelnde Privatsphäre und unzureichende Infrastruktur. Wenn kein offizieller Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen besteht, greifen die Betroffenen oft auf unsichere Methoden zurück, was zu vermeidbaren Gesundheitsschäden führen kann.