Am Donnerstag, 18. November 2021, beginnt im griechischen Lesbos endlich der Prozess gegen die beiden freiwilligen Helfer*innen Sarah Mardini und Seán Binder, denen eine Gefängnisstrafe droht, weil sie Geflüchteten geholfen haben. Ab 2017 arbeiteten die beiden ehrenamtlich für eine NGO auf Lesbos. Als ausgebildete Rettungsschwimmer*innen und Ersthelfer*innen hielten sie Ausschau nach Flüchtlingsbooten und halfen den Menschen, sicher an Land zu kommen. Für ihren mutigen Einsatz droht ihnen nun bis zu 25 Jahre Haft.
Humanitäre Arbeit darf nicht bestraft werden
Sarah Mardini lebt in Berlin, kommt jedoch ursprünglich aus Syrien und weiß genau, wie es ist, in einem seeuntauglichen Boot über das Meer fliehen zu müssen. Gemeinsam mit ihrer Schwester war sie 2015 selbst auf diesem Weg in Lesbos angekommen – unter dramatischen Umständen: Nach dem Ausfall des Motors hatten die beiden geübten Schwimmerinnen das Boot an einer Leine hinter sich hergezogen und so allen Insassen das Leben gerettet.
Später kehrte Sarah Mardini nach Griechenland zurück und arbeitete als Freiwillige bei einer griechischen Such- und Rettungsorganisation, wo sie Seán Binder kennenlernte, einen ausgebildeten Taucher. Seán Binder, der in Dublin Internationale Beziehungen studiert hat, setzt sich schon lange mit der Situation von Geflüchteten auseinander. Die Inspiration dafür kommt von seiner Mutter, die im Rahmen von Workshops neu angekommene Menschen in Irland beim Start in ihr neues Leben unterstützt.
Im August 2018, als Sarah Mardini nach Berlin zurückkehren wollte, um ihr Studium fortzusetzen, wurde sie festgenommen. Seán Binder, der sie unterstützen wollte, kam ebenfalls ins Gefängnis. Die Polizei hatte eine Untersuchung gegen die beiden eröffnet. Der Vorwurf: Sie würden den Geflüchteten die Überfahrt nach Europa erleichtern. Über drei Monate verbrachten Sarah und Seán in Untersuchungshaft, bevor sie im Dezember 2018 auf Kaution freigelassen wurden.
Am 18. November 2021 werden Sarah und Seán wegen eines Vergehens angeklagt, das mit einer Strafe von bis zu 8 Jahren geahndet werden kann. Außerdem müssen sie sich wegen "Menschenschmuggels", "Betrugs", "Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung" und "Geldwäsche" verantworten, was im Falle einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von bis zu 25 Jahren führen kann.
"Sarah und Seán leisteten lebensrettende humanitäre Arbeit, indem sie vor der griechischen Küste Boote in Seenot ausfindig machten und die Menschen an Bord mit Decken, Wasser und einem herzlichen Empfang versorgten. Die gegen sie erhobenen Anklagen sind eine Farce und hätten nie vor Gericht kommen dürfen", sagt Nils Muižnieks, Direktor des europäischen Regionalbüros von Amnesty International.