Polizeigewalt trifft strukturell diskriminierte Menschen am härtesten
In den letzten Jahren hat Amnesty International dokumentiert, dass die Polizei in Ländern wie Chile, Kolumbien, Honduras, Nicaragua oder Venezuela unrechtmäßige Gewalt anwendet, um Demonstrierende abzuschrecken und auseinanderzutreiben. In anderen Ländern, beispielsweise in Brasilien oder Jamaika, sollten so Beschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie durchgesetzt werden. Auch bei Maßnahmen zur Verbrechensbekämpfung setzte die Polizei in diesen Ländern unrechtmäßige Gewalt ein. Die meisten derjenigen, die verdächtigt werden, für diese Menschenrechtsverletzungen strafrechtlich verantwortlich zu sein, genießen fast völlige Straffreiheit. Die Polizei an Orten wie Rio de Janeiro folgt oft ihren eigenen Gesetzen: Sie ermittelt, nimmt fest und verurteilt Menschen zum Tode. El Salvador dagegen weist nicht nur die höchste Mordrate der Welt auf, sondern auch die höchste Rate an Tötungen durch die Polizei – Tendenz steigend.
Der neue Bericht stellt fest, dass die Betroffenen exzessiver oder anderweitig unrechtmäßiger Gewaltanwendung durch die Polizei in Lateinamerika und der Karibik häufig aus Gemeinschaften stammen, die struktureller Diskriminierung ausgesetzt sind, wie etwa indigene und Schwarze Menschen, Migrant*innen und Geflüchtete, Bewohner*innen von Stadtvierteln mit niedrigem Einkommen und LGBTIQ+-Personen.
Sexualisierte Gewalt gegen Frauen durch Polizei und Streitkräfte
Auch wenn bei den meisten Tötungsdelikten durch die Polizei keine Frauen sterben, trifft sie das Leid, wenn ein Angehöriger getötet oder dauerhaft verletzt wird. Frauen sind zudem von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen. In Ländern wie Mexiko kommt es beispielsweise in der Haft oder bei Verhören häufig zu sexualisierter Gewalt durch Angehörige der Polizei oder der Streitkräfte. Darüber hinaus werden bestimmte Gruppen von Frauen, wie z. B. Sexarbeiterinnen, in einer Reihe von Ländern besonders häufig gefoltert und misshandelt, u. a. in der Dominikanischen Republik.
Die Straflosigkeit für polizeiliche Übergriffe besteht häufig fort, weil die Ermittlungen zu diesen Verbrechen nicht unabhängig sind, nicht den Mindestanforderungen der Sorgfaltspflicht entsprechen und die Betroffenen, ihre Familien und die Zivilgesellschaft nicht einbezogen werden. Viele Ermittlungen in Brasilien wurden dadurch untergraben, dass die gerichtsmedizinischen und ballistischen Dienste von der Polizei kontrolliert werden. Mangels unabhängiger Untersuchungen konnten in Kolumbien Beweise so manipuliert werden, dass rechtswidrige Tötungen als Todesfall bei Kampfhandlungen dargestellt wurden – ein Phänomen, das als „falsos positivos“ bekannt ist.