Eine Frau steht mit ihrem Baby im Arm vor einer überfluteten informellen Siedlung in Kapstadt, Südafrika (2021). © Brenton Geach/Gallo Images (PTY) LTD
Eine Frau steht mit ihrem Baby im Arm vor einer überfluteten informellen Siedlung in Kapstadt, Südafrika (2021). © Brenton Geach/Gallo Images (PTY) LTD
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Neuer Amnesty-Bericht zu den Auswirkungen von Überschwemmungen auf informelle Siedlungen in Südafrika

4. November 2025

Die südafrikanische Regierung gefährdet die Sicherheit und in vielen Fällen auch das Leben der mehr als fünf Millionen Menschen, die in informellen Siedlungen Südafrikas leben. Die Regierung gewährt ihnen keinen Zugang zu angemessenem Wohnraum und grundlegenden Dienstleistungen, so Amnesty International Südafrika in einem neuen Bericht.  

Die Menschen, von denen viele in überschwemmungsgefährdeten Gebieten leben, sind vor allem bei schweren Unwettern regelmäßig auf sich allein gestellt. Und das, obwohl die Hauptverantwortung für die Vorbereitung auf solche Katastrophen und die Reaktion darauf bei der Regierung liegt. 

Der von Amnesty International Südafrika veröffentlichte Bericht Flooded and Forgotten: Informal Settlements and the Right to Housing in South Africa untersucht die Auswirkungen von Überschwemmungen – sowohl von großflächigen als auch von saisonalen – auf die Bewohner*innen von informellen Siedlungen und unterversorgten Gebieten in Südafrika. Der Bericht bezieht sich insbesondere auf Johannesburg, eThekwini und Kapstadt. Er stützt sich auf qualitative Recherchen, die zwischen Februar und September 2025 durchgeführt wurden.  

Informelle Siedlungen und andere unterversorgte Gebiete in Südafrika, wie zB. temporäre Umsiedlungsgebiete, sind eine schmerzhafte Erinnerung an die rassistische Diskriminierung und Entrechtung, die die Kolonial- und Apartheidzeit vor 1994 kennzeichneten. Die gegenwärtige Wohnungskrise und das Versagen der aufeinanderfolgenden Regierungen, das Recht auf Zugang zu angemessenem Wohnraum neben anderen Menschenrechten zu garantieren, dürfen allerdings nicht ignoriert werden.

Shenilla Mohamed, Geschäftsführerin von Amnesty International Südafrika

„Die Regierung lässt die Millionen von Menschen, die in diesen unterversorgten Gebieten leben, im Stich. Insbesondere in einer Zeit, in der wirtschaftliche Not und Armut weit verbreitet sind. Menschen leben in informellen Siedlungen, weil sie keinen Zugang zu bezahlbarem Wohnraum haben und diese Siedlungen oft die einzige Möglichkeit sind, in der Nähe von Arbeitsstätten zu wohnen. Artikel 10 der südafrikanischen Verfassung besagt eindeutig, dass jeder Mensch eine angeborene Würde und das Recht auf Achtung und Schutz seiner Würde hat, unabhängig davon, wer er ist", so Shenilla Mohamed weiter.

Der Staat muss mehr tun, um der erhöhten Hochwassergefahr zu begegnen 

Die jüngsten Überschwemmungen im Juni 2025 in der Provinz Ostkap, bei denen mehr als 100 Menschen ums Leben kamen und die Unterkünfte Tausender Menschen weggespült wurden, haben uns deutlich vor Augen geführt, dass die Regierung dringend handeln und sich auf langfristige Perspektiven ausrichten muss. Das südafrikanische Katastrophenschutzgesetz und der nationale Katastrophenschutzrahmen zielen zwar darauf ab, das Katastrophenrisiko zu verringern, es gibt jedoch zahlreiche Belege dafür, dass nicht genug getan wird, um dieses Ziel zu erreichen. 

Auf der Grundlage der im Bericht von Amnesty International dokumentierten Erfahrungen von Menschen, die in informellen Siedlungen leben, sowie von Interviews mit Expert*innen vor Ort und einer Überprüfung von Berichten, Gesetzen und politischen Maßnahmen zeigt sich eines: Die Reaktion Südafrikas auf Überschwemmungskatastrophen - seien sie nun größer oder saisonal bedingt - ist lückenhaft und bruchstückhaft. Es ist offenkundig, dass nicht genug getan wird, um sich auf solche Ereignisse vorzubereiten. 

So leben beispielsweise die Menschen, die 2022 durch die Überschwemmungen in KwaZulu-Natal ihr Zuhause verloren haben, fast drei Jahre danach immer noch in provisorischen Notunterkünften unter schlechten Bedingungen. Das weist auf eine mangelnde Vorbereitung auf die Wiederaufbaumaßnahmen hin. Einige der Betroffenen starben, nachdem sie in ein Gebiet umgesiedelt worden waren, das 2025 schwer überflutet wurde. Das stellt ein Versagen der Behörden bei der Umsiedlung von Flutopfern dar. Bei saisonalen Überschwemmungen erhalten viele Bewohner*innen informeller Siedlungen ausgesprochen schlechte oder gar keine Hilfe oder Unterstützung. 

Das Ministerium für Siedlungen in KwaZulu-Natal behauptete in seiner Antwort an Amnesty International vom 30. Oktober 2025, dass „informelle Siedlungen keine geplanten Siedlungen sind und ihrer Errichtung naturgemäß keine Grundversorgung vorausgeht”. Trotzdem bleibt Südafrika an seine verfassungsrechtlichen und internationalen Verpflichtungen gebunden, allen Einwohner*innen, einschließlich jenen in informellen Siedlungen, grundlegende Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen.  

Die Realität, wie sie im Bericht von Amnesty International dokumentiert ist, sieht so aus, dass Millionen von Südafrikaner*innen, die in informellen Siedlungen leben, dieser Rechte aufgrund der Vernachlässigung durch die Zentralregierung, der Unterfinanzierung der Gemeinden und der schlechten Stadtverwaltung beraubt werden.

Shenilla Mohamed, Geschäftsführerin von Amnesty International Südafrika

„Der fehlende Zugang zu angemessenem, gut gelegenem und erschwinglichem Wohnraum in Südafrika hat auch zum Anwachsen informeller Siedlungen in Überschwemmungsgebieten und niedrig gelegenen Gebieten geführt. Das bedeutet, dass die dort lebenden Menschen zunehmend von Hochwasserkatastrophen betroffen sind", so Shenilla Mohamed weiter.  

Die Klimakrise verschlimmert die Situation noch weiter 

 

Die von Menschen verursachte Klimakrise hat auch die Gefahr von Überschwemmungen verschärft, die in den informellen Siedlungen und unterversorgten Gebieten Südafrikas bereits zuvor ein saisonales Problem darstellten. Wie überall auf der Welt bedeutet dies, dass die Menschen, die aufgrund ihres geringen Verbrauchs am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben, am stärksten von den Auswirkungen betroffen sind. 

 

Die regelmäßigen saisonalen Überschwemmungen in informellen Siedlungen und unterversorgten Gebieten werden selten als Grund für eine Katastrophenhilfe durch die Behörden angesehen. Die Bewohner*innen sind auf sich allein gestellt und auf Hilfsorganisationen angewiesen. Das wurde in allen drei Ballungsgebieten mitunter am häufigsten an Amnesty International herangetragen. Eine Frau aus Johannesburg sagte etwa: „Wir bekommen keine Hilfe von irgendjemandem, wir müssen bleiben und es in Ordnung bringen, wir können nicht weglaufen... wo sollen wir hin?" 

Südafrika muss seine Menschenrechtsverpflichtungen erfüllen 

 

Südafrika verfügt über eine Fülle von Gesetzen und Strategien was den Zugang zu Wohnraum, die Bereitstellung grundlegender Dienstleistungen wie Wasser und Abwasser, die Aufwertung informeller Siedlungen, eine gesunde Umwelt und die Vorbereitung und Reaktion auf Katastrophen betrifft. Darüber hinaus ist das Land Vertragspartei aller wichtigen internationalen und regionalen Menschenrechtsinstrumente, einschließlich des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, der das Recht auf Zugang zu angemessenem Wohnraum, Wasser und sanitären Einrichtungen garantiert. 

Obwohl Südafrika über eine solide Gesetzgebung und politische Maßnahmenpakete verfügt und klare internationale Verpflichtungen eingegangen ist, bleibt die Umsetzung wie bei so vielen anderen Dingen in diesem Land ein Problem. Die Realität zeigt, dass die Regierung diese Verpflichtungen nicht angemessen und gründlich erfüllt. Den Preis dafür zahlen Millionen Menschen, deren Menschenrechte, Lebensgrundlage und Leben gefährdet sind.

Shenilla Mohamed, Geschäftsführerin von Amnesty International Südafrika

Die südafrikanische Regierung muss den im Land lebenden Menschen Zugang zu angemessenem Wohnraum verschaffen und sich verpflichten, informelle Siedlungen mit Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen in einer Weise aufzuwerten, die mit den Menschenrechtsabkommen und -standards im Einklang steht, auch durch finanzielle und politische Verpflichtungen. 

Darüber hinaus muss sie alle erforderlichen personellen, finanziellen und technischen Ressourcen mobilisieren, um sicherzustellen, dass die Katastrophenvorsorge in vollem Umfang in die Stadtplanungsprozesse integriert wird und diese mit dem Ziel durchgeführt werden, die Bewohner*innen informeller Siedlungen vor Katastrophen - ob im Zusammenhang mit der Klimakrise oder nicht - zu schützen und ihre Menschenrechte zu wahren.