Aus der Untersuchung geht hervor, dass Ordner*innen und Sicherheitskräfte, die an den Austragungsorten der FIFA-WM für das Unternehmen Teyseer Security Services mit Sitz in Katar tätig waren, im Zusammenhang mit ihrer Arbeit Schaden erlitten haben und einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt waren.
Unter anderem mussten Arbeiter*innen rechtswidrige Vermittlungsgebühren und andere damit zusammenhängende Kosten bezahlen und erhielten falsche Informationen über die Bedingungen ihres Beschäftigungsverhältnisses. Nach Ablauf ihrer befristeten Verträge blieb den Arbeiter*innen nach eigenen Angaben nichts anderes übrig, als nach Hause zurückzukehren, so dass sie keinerlei Rechtsmittel oder Entschädigungen in Anspruch nehmen konnten.
Recherche von Amnesty International
Amnesty International sprach im Rahmen der Recherchen mit 22 Männern aus Nepal, Kenia und Ghana, die zu den Tausenden von Arbeitsmigrant*innen gehörten, die über Kurzzeitverträge bei Teyseer beschäftigt waren. Amnesty International hat Arbeitsverträge, Korrespondenz zu Stellenangeboten und audiovisuelles Material geprüft, darunter auch Aufzeichnungen von Gesprächen zwischen Arbeiter*innen und Vermittler*innen. Geprüft wurden auch Informationen von anderen Arbeiter*innen, die zuvor von der Menschenrechtsorganisation Equidem befragt worden waren. Sie untermauern Behauptungen, dass viele andere Arbeitsmigrant*innen ähnliche Missstände erlebt haben.
Die befragten Personen hatten im Vorfeld und während des Turniers, das vom 20. November bis zum 18. Dezember 2022 stattfand, als Ordner*innen und Sicherheitskräfte gearbeitet. Sie waren an verschiedenen Orten im Einsatz, unter anderem im Khalifa International Stadium, in den FIFA-Fanzonen, an der Corniche sowie in und vor der Metrostation Souk Waqif in Doha.
Die Namen der zitierten Arbeiter wurden auf ihren Wunsch geändert.
Die Männer waren Mitte Oktober 2022 in Katar eingetroffen und hatten einen Arbeitsvertrag für drei Monate. Alle von ihnen hatten nach eigenen Angaben für diese Verträge Vermittlungsgebühren gezahlt. Von 16 der Befragten, die angaben, mehr als 200 US-Dollar (etwa 185,50 Euro) gezahlt zu haben, hatten vier mehr als 600 US-Dollar (etwa 556,80 Euro) gezahlt, mehr als ein Drittel ihres gesamten zu erwartenden Verdienstes.
Bei einigen beinhalteten diese Kosten bis zu 300 US-Dollar (etwa 278,40 Euro) an Gebühren für die Personalvermittlung sowie medizinische Untersuchungen vor der Reise nach Katar, für Corona-Tests und Strafregisterüberprüfungen. Fünf der Arbeiter aus Ghana und Kenia gaben an, ihnen seien jeweils zwischen 85 und 250 US-Dollar (etwa 78,99 bzw. 232 Euro) an Reise- und Lebenshaltungskosten entstanden, um an einem zweiwöchigen Schulungsprogramm in ihren Heimatländern teilzunehmen, für das sie nicht bezahlt wurden.
Einige Personalvermittler*innen sagten den Arbeiter*innen, Teyseer würde ihnen die entstandenen Kosten erstatten, und auch in der von Amnesty International eingesehenen Korrespondenz zu Stellenangeboten ist festgehalten, das Unternehmen werde alle mit der Einstellung verbundenen Kosten übernehmen. Die überwiegende Mehrheit gibt jedoch an, dass ihnen die Kosten nicht erstattet wurden, obwohl Vertreter*innen von Teyseer einige Arbeiter kurz nach ihrer Ankunft in Katar aufforderten, sich schriftlich an die Geschäftsführung zu wenden und die Beträge anzugeben, die sie für die Vermittlung bezahlt hatten.
Alle befragten Arbeiter gaben an, dass die Vertreter*innen von Teyseer oder für das Unternehmen tätige Personalvermittlungen ihnen falsche Versprechungen machten. So wurde ihnen beispielsweise gesagt, dass sie höhere Aufgaben übernehmen und 275 US-Dollar (etwa 255,10 Euro) pro Monat zusätzlich verdienen könnten, dass sie in Katar bleiben und über die dreimonatige Vertragslaufzeit hinaus arbeiten könnten oder dass sie mögliche Zuschläge erhalten würden. Nichts davon sollte sich in Katar jedoch als wahr erweisen.
Mehr als ein Drittel der befragten Männer, insbesondere jene, die als Ordner tätig waren, gaben an, an bis zu 38 aufeinander folgenden Tagen bis zu zwölf Stunden täglich gearbeitet zu haben, ohne einen freien Tag oder eine angemessene Bezahlung für diese Extraarbeit erhalten zu haben. Dies ist ein Verstoß gegen katarisches Recht. Häufig mussten sie bei ihrer Arbeit viele Stunden lang stehen, ohne sich hinsetzen zu können, und nach den Spielen ohne angemessene Schulung und Unterstützung für die Sicherheit großer Menschenmengen sorgen.
Meldung von Menschenrechtsverstößen
Diese Menschenrechtsverstöße veranlassten viele Arbeiter*innen von Teyseer während ihres Aufenthalts in Katar wiederholt zu Protesten. Wie einige von ihnen Amnesty International berichteten, hatten sie die Art und Weise, wie sie behandelt wurden, im November bei der WM-Beschwerdestelle gemeldet, ohne dass jedoch Maßnahmen ergriffen worden wären. Ein Arbeiter berichtete, ein Manager habe ihm und anderen angesichts der Beschwerde mit Vergeltung gedroht und ihn davor gewarnt, je wieder ein Problem zu melden.
Einige Tage vor Ablauf ihrer Arbeitsverträge Anfang Januar forderten Hunderte von Ordner*innen bei einem Protest ihren rechtmäßigen Lohn. Dazu gehörte die Bezahlung von Überstunden sowie eine Prämie, die ihnen nach eigenen Angaben nach Erfüllung ihrer Pflichten zugesichert worden sei.
Im Anschluss an diesen Protest hätten ihnen Vertreter*innen von Teyseer und der Regierung versprochen, dass sie eine Entschädigung erhalten würden. Dieses Versprechen wurde jedoch nicht eingelöst.
Einigen der Befragten zufolge haben Vertreter*innen von Teyseer mit nicht näher benannten „Maßnahmen“ gedroht, sollten die Männer nicht mit den vom Unternehmen gebuchten Flügen das Land verlassen, oder ihnen gesagt, sie müssten selbst für ein neues Flugticket aufkommen. Wie die Männer angaben, musste Hunderte Katar ohne Entschädigung verlassen.
Kein Rechtsbehelf
Obwohl die Männer beteuerten, dass Teyseer und die FIFA über die Missstände informiert waren, hat offenbar keine der beiden Organisationen wirksame Maßnahmen ergriffen, um diese Probleme angemessen anzugehen und rechtzeitig Abhilfe für die Arbeiter*innen zu schaffen.
Katar hat zwar Beschwerdemechanismen eingerichtet, doch müssen die Arbeiter*innen sich im Land befinden, um Zugang zu Arbeitsgerichten und Entschädigungsmaßnahmen zu haben. Da sie keine Möglichkeit haben, sich aus dem Ausland zu beschweren, und ihnen kaum eine andere Wahl blieb, als das Land zu verlassen, wurde den Arbeitsmigrant*innen Gerechtigkeit verweigert.
Die Menschenrechtsverletzungen gegen die Sicherheitskräfte sind Teil systematischer Missstände, denen Arbeitsmigrant*innen in Katar ausgesetzt waren, seit die FIFA das Land 2010 für die Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft ausgewählt hat. Hunderttausende von Arbeitsmigrant*innen haben illegale Vermittlungsgebühren gezahlt oder ihre Löhne wurden einbehalten, ohne dass sie eine Entschädigung erhalten hätten. Viele, die beim Bau der Stadien und der Infrastruktur oder bei der Durchführung des Turniers mitgeholfen haben, sind gestorben, und ihre Familien wurden noch nicht angemessen oder überhaupt nicht entschädigt.
Katar und die FIFA haben noch keinen angemessenen Entschädigungsmechanismus und beharren darauf, dass das bestehende Verfahren in Katar ausreichend sei. Im März 2023 kündigte die FIFA an, dass ihr Unterausschuss für Menschenrechte eine Bewertung des menschenrechtlichen Erbes des Turniers vornehmen und dabei auch die Frage der Wiedergutmachung für Arbeitsrechtsverstöße behandeln werde.