
Israel muss diskriminierendes Todesstrafengesetz sofort stoppen
11. November 2025Das israelische Parlament hat in erster Lesung für eine umstrittene Änderung des israelischen Strafgesetzes gestimmt. Dem Gesetzentwurf nach soll die Todesstrafe zwingend für Personen gelten, die Israelis „vorsätzlich oder fahrlässig“, „aus rassistischen Motiven“, aus „Feindseligkeit gegenüber der Öffentlichkeit“ und „mit dem Ziel, dem Staat Israel und der Wiedergeburt des jüdischen Volkes zu schaden“ töten, hieß es. Um das Vorhaben tatsächlich umzusetzen, bedarf es noch zwei weiterer Lesungen. Amnesty fordert, dass die internationale Gemeinschaft Druck auf die israelische Regierung ausübt, damit sie den diskriminierenden Gesetzentwurf unverzüglich zurückzieht.
In der Knesset stimmten in erster Lesung 39 Abgeordnete mit Ja, 16 mit Nein. Amnesty International lehnt die Todesstrafe grundsätzlich und ohne Ausnahme ab, ungeachtet der Art und Umstände des Verbrechens, der Schuld oder Unschuld oder anderer Eigenschaften der Person oder der Hinrichtungsmethode. Bis heute haben 113 Länder die Todesstrafe für alle Verbrechen abgeschafft, sieben von ihnen zwischen 2020 und heute.
Es gibt nichts zu beschönigen: Eine Mehrheit von 39 israelischen Knessetmitgliedern hat in erster Lesung einem Gesetzentwurf zugestimmt, der die Gerichte dazu verpflichten würde, die Todesstrafe ausschließlich gegen Palästinenser*innen zu verhängen. Zwar werden im Gesetzestext nicht ausdrücklich Palästinenser*innen genannt, aber die dort aufgeführte Motivation, die der betreffenden Straftat [als Voraussetzung für die Todesstrafe] zugrunde liegen muss, legt nahe, dass die Opfer in erster Linie Palästinenser*innen sein werden. Und zwar auch diejenigen, die vor der Verabschiedung des Gesetzes die entsprechenden Straftaten begangen haben.
Erika Guevara Rosas, leitende Direktorin für Recherche, Advocacy, Politik und Kampagnen bei Amnesty International
„Die Knessetmitglieder sollten sich für die Abschaffung der Todesstrafe einsetzen, anstatt ihren Anwendungsbereich zu erweitern. Die Todesstrafe verletzt das Recht auf Leben und ist die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen. Sie sollte unter keinen Umständen verhängt werden, geschweige denn als offenkundig diskriminierendes Instrument staatlich verordneter Tötung, Beherrschung und Unterdrückung. Ihre obligatorische Verhängung und rückwirkende Anwendung würde gegen eindeutige Verbote verstoßen, die in den internationalen Menschenrechtsnormen und -standards für die Anwendung dieser Strafe festgelegt sind.“
„Das Vorhaben, die Gerichte verpflichten zu wollen, die Todesstrafe gegen Palästinenser*innen zu verhängen, ist ein gefährlicher und dramatischer Rückschritt sowie ein Ergebnis der anhaltenden Straffreiheit für Israels Apartheidsystem und seinen Völkermord in Gaza. Das Vorhaben ist nicht in einem Vakuum entstanden, sondern vor dem Hintergrund eines drastischen Anstiegs der Zahl rechtswidriger Tötungen von Palästinenser*innen in den letzten zehn Jahren. Dazu gehören auch Tötungen, die außergerichtlichen Hinrichtungen gleichkommen, sowie ein erschreckender Anstieg von Todesfällen von Palästinenser*innen in Gewahrsam seit Oktober 2023. Solche Taten werden nicht nur nahezu straffrei hingenommen, sondern auch legitimiert, unterstützt und manchmal sogar verherrlicht. Es [das Gesetzesvorhaben] fällt außerdem in ein Klima, in dem zu Gewalt gegen Palästinenser*innen aufgestachelt wird, wie die Zunahme der staatlich unterstützten Siedlerangriffe im besetzten Westjordanland zeigt.“
„Es ist außerdem besorgniserregend, dass das Gesetz Militärgerichte ermächtigt, Todesurteile gegen Zivilist*innen zu verhängen, die nicht umgewandelt werden können. Dies gilt umso mehr angesichts der oft unfairen Prozesse vor diesen Gerichten, die eine Verurteilungsquote von über 99 % für palästinensische Angeklagte aufweisen.“
Auf dem Papier beschränkt das israelische Recht die Anwendung der Todesstrafe traditionell auf außergewöhnliche Verbrechen wie Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die letzte von einem ordentlichen Gericht in Israel angeordnete Hinrichtung wurde 1962 vollstreckt – an dem deutschen NS-Verbrecher Adolf Eichmann.
„Sollte dieser Gesetzesentwurf angenommen werden, würde sich Israel nicht nur gegen den weltweiten Trend zur Abschaffung der Todesstrafe stellen, sondern auch gegen das erklärte Ziel ihrer Abschaffung, das in einem wichtigen internationalen Vertrag verankert ist, den das Land 1991 ratifiziert hat.
Die Bestimmung des Gesetzentwurfs, dass Gerichte die Todesstrafe gegen Personen verhängen sollen, die wegen nationalistisch motivierten Mordes ‚mit der Absicht, dem Staat Israel oder der Wiedergeburt des jüdischen Volkes zu schaden‘ verurteilt wurden, ist ein weiterer eklatanter Ausdruck der institutionalisierten Diskriminierung von Palästinenser*innen in Gesetz und Praxis – eine der wichtigsten Säulen des israelischen Apartheidsystems.“
Die internationale Gemeinschaft muss maximalen Druck auf die israelische Regierung ausüben, damit sie diesen Gesetzentwurf unverzüglich zurückzieht und alle Gesetze und Praktiken abschafft, die zum System der Apartheid gegen Palästinenser*innen beitragen. Die israelischen Behörden müssen sicherstellen, dass palästinensische Gefangene im Einklang mit dem Völkerrecht, einschließlich des Verbots von Folter und anderen Misshandlungen, behandelt werden und dass ihnen ein faires Verfahren garantiert wird. Sie müssen auch konkrete Schritte zur Abschaffung der Todesstrafe für alle Straftaten und alle Menschen einleiten.
Erika Guevara Rosas, leitende Direktorin für Recherche, Advocacy, Politik und Kampagnen bei Amnesty International




