Ein Polizist bewacht eine Gruppe Rohingya im Buthidaung Township © RICHARD SARGENT / AFP / picturedesk.com
Ein Polizist bewacht eine Gruppe Rohingya im Buthidaung Township © RICHARD SARGENT / AFP / picturedesk.com
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Hunger, Zwangsarbeit und Gewalt: Rückführung von Rohingya nach Myanmar könnte katastrophale Folgen haben

29. September 2025

Rohingya-Gemeinschaften im Norden des Bundesstaats Rakhine (Myanmar) werden Zwangsarbeit ausgesetzt. Sie hungern, sind ohne ärztliche Hilfe, dürfen sich kaum frei bewegen, während bewaffnete Konflikte um sie herum eskalieren. Trotz dieser katastrophalen Verhältnisse wird über ihre Rückführung in den Bundesstaat Rakhine diskutiert. Amnesty International kritisiert die geplante Rückführung von Geflüchteten aus Bangladesch und warnt vor gefährlich voreiligen Entscheidungen.

Die UN-Generalversammlung kommt am 30. September 2025 zu einer hochrangigen Konferenz zusammen, um über die Lage der Rohingya-Muslim*innen und anderer Minderheiten in Myanmar zu sprechen. Die Konferenz will einen Plan ausarbeiten, der die Rückkehr von mehr als einer Million in Bangladesch lebender Rohingya-Flüchtlinge nach Rakhine, Myanmar ermöglicht, nachdem die Mehrheit von ihnen 2016 und 2017 gewaltsam vom Militär aus dem Land vertrieben wurde.

Amnesty International führte Interviews mit 15 Rohingya-Flüchtlingen, die in den vergangenen zwölf Monaten, zuletzt im Juli 2025, in Bangladesch angekommen waren. Die Flüchtlinge stammten aus den Townships Maungdaw und Buthidaung, die beide 2024 von der bewaffneten Gruppe Arakan Army erobert wurden, nachdem sie zuvor unter der Kontrolle der myanmarischen Armee gestanden hatten. Außerdem sprach die Organisation mit UN-Mitarbeiter*innen, Diplomat*innen, Researcher*innen und internationalen humanitären Organisationen.

Darüber hinaus traf sich Amnesty International mit Vertreter*innen des politischen und des humanitären Flügels der Arakan Army – der United League of Arakan (ULA) und dem Humanitarian and Development Coordination Office (HDCO).

„Die Bedingungen, die aktuell im Norden des Bundesstaats Rakhine in Myanmar herrschen, sind bei weitem nicht geeignet, um eine sichere Rückkehr der Rohingya zu ermöglichen“, so Joe Freeman, Researcher für Myanmar bei Amnesty International. „Die Arakan Army hat in den Augen vieler Rohingya das Militär von Myanmar als Unterdrücker abgelöst. Das Militär missbraucht die Rohingya-Zivilbevölkerung als Kanonenfutter im Kampf gegen die Arakan Army, und bewaffnete Rohingya-Gruppen starten neue Angriffe auf das Gebiet. Die drastische Kürzung der US-Hilfe hat die humanitäre Krise, in der die Vorräte knapp sind und die Preise in die Höhe schnellen, weiter verschärft.“

So wichtig es ist, mit der heutigen Konferenz die internationale Aufmerksamkeit auf die Rohingya-Krise zu lenken, könnte jeder Versuch, die Rückführung voranzutreiben, ohne die akuten Gefahren anzugehen, denen alle Gemeinschaften wie Rohingya, Rakhine und andere ethnische Minderheiten in Bangladesch und Myanmar ausgesetzt sind, katastrophale Folgen haben.

Joe Freeman, Researcher für Myanmar bei Amnesty International

„Das ist nicht euer Land“

Der myanmarische Bundesstaat Rakhine, der an der Grenze zu Bangladesch liegt, befindet sich derzeit unter der Kontrolle der Arakan Army, während das Militär von Myanmar nach wie vor die Hauptstadt Sittwe kontrolliert, einen zentralen Zugang für Hilfsgüter und Transporte.

Die Arakan Army, die seit dem Staatsstreich 2021 lose mit einer Vielzahl oppositioneller bewaffneter Gruppen verbündet ist, die gegen das myanmarische Militär kämpfen, startete im November 2023 eine Offensive, durch die das Militär aus weiten Teilen im Norden des Bundesstaates vertrieben wurde. Die bewaffnete Gruppe kontrolliert jetzt effektiv die gesamte Grenze Myanmars zu Bangladesch.

Die seit langem bestehenden Spannungen zwischen der buddhistischen Bevölkerung der ethnischen Gemeinschaft der Rakhine im Bundesstaat Rakhine und der muslimischen Bevölkerung der Rohingya wurden vom myanmarischen Militär ausgenutzt, indem dieses mit bewaffneten Gruppen der Rohingya zusammenarbeitete und Rohingya-Zivilisten zwangsrekrutierte, um gegen die überwiegend buddhistische Arakan Army zu kämpfen.

Angesichts des bewaffneten Konflikts sind Zivilist*innen der Rohingya und der Rakhine zwischen die Arakan Army und das myanmarische Militär geraten. Letzteres hat die Lieferung humanitärer Hilfe über die Landeshauptstadt Sittwe blockiert und tödliche, wahllose Luftangriffe durchgeführt. Berichten zufolge wurden Anfang dieses Monats bei einem solchen Luftangriff der Armee mindestens 19 Studierende der Rakhine im Schlaf getötet. 

Hunderttausende Rohingya sind Binnenvertriebene, und mehr als 150.000 Männer, Frauen und Kinder der Rohingya sind dem UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) zufolge in den vergangenen 20 Monaten über die Grenze in Lager nach Bangladesch geflüchtet. Damit liegt die Gesamtzahl der Flüchtlinge bei geschätzten 1,2 Millionen.

Amnesty International und andere Organisationen haben Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und zunehmende Menschenrechtsverletzungen der Arakan Army gegen Zivilpersonen dokumentiert, darunter wahllose Angriffe und willkürliche Inhaftierungen.

Für Angehörige der Rohingya erinnert das Leben unter der Herrschaft der Arakan Army im Bundesstaat Rakhine schmerzlich an das Leben unter dem Militärregime in Myanmar. Viele sagen, es sei sogar noch schlimmer, da sie ständig verdächtigt würden, Verbindungen zu militanten Rohingya-Gruppen zu haben. In einem Bericht des Büros des UN-Hochkommissars für Menschenrechte vom 2. September heißt es, dass „die von früheren Regierungen auferlegten Einschränkungen der Rechte und Freiheiten der Rohingya weiterhin bestehen“ und dass die Arakan Army sich wie schon das myanmarische Militär weigert, die Identität der Rohingya anzuerkennen, indem sie diese ausschließlich als Bengal*innen oder Muslim*innen bezeichnet.

Vertreter*innen der Arakan Army behaupten, ihre Gruppe sei Opfer einer Propagandakampagne, die von Rohingya-Aktivist*innen und bewaffneten Gruppen angeheizt werde.

Nach Zeug*innenaussagen, die Amnesty International zusammengetragen hat, sind Rohingya-Gemeinschaften im Norden des Bundesstaates Rakhine mit starken Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit durch die Arakan Army konfrontiert. Außerdem berichten die Rohingya von diskriminierenden Fischfang- oder anderen Verboten, Einschränkungen ihrer Erwerbsmöglichkeiten, Zwangsarbeit und unzureichendem Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und humanitärer Hilfe. Außerdem werden im Rahmen des fortdauernden Konflikts Rohingya auch immer wieder schwer verletzt oder getötet.

Ein Mann in den Zwanzigern berichtete, dass er und Angehörige seiner Familie von Soldat*innen der Arakan Army zu einem Lager für Binnenflüchtlinge gebracht worden seien und er auf dem Weg mindestens vier Personen gesehen habe, die auf Landminen getreten seien und dabei Gliedmaßen verloren hätten.

Ein 60-jähriger Mann, der im Juli 2025 mit seiner Familie aus Myanmar geflohen war, beschrieb das Leben in einem Lager für Binnenflüchtlinge im Township Buthidaung. Dorthin war er gebracht worden, nachdem die Arakan Army im Mai 2024 das bis dahin unter der Kontrolle des myanmarischen Militärs stehende Buthidaung eingenommen hatte. Nach seinen Angaben suchte die Arakan Army im Lager nach Angehörigen bewaffneter Rohingya-Gruppen und habe „willkürlich Menschen aus der Menge herausgegriffen und verschwinden lassen“.

Die im Lager lebenden Menschen wurden außerdem zur Arbeit gezwungen, auch in Konfliktgebieten an der Front.

„Sie zwangen uns, Steine und Ziegelsteine zu ihren Kontrollpunkten zu tragen und dort zu stapeln, obwohl wir Hunger hatten. Da ich schon alt war, musste ich diese Arbeit nicht machen, aber meine Kinder mussten sie mehr als zehn Mal machen ... Wenn wir uns weigerten zu arbeiten, wurden wir [von Angehörigen der Arakan Army] brutal geschlagen und gezwungen, uns auf dem Bauch hinzulegen. Dann schlugen sie uns.“

Menschen, die vor ihrer Flucht nach Bangladesch in Lagern für Binnenvertriebene in Myanmar lebten, berichteten, dass sie nur selten etwas zu essen bekamen, sich von Reis und Wasser aus einem schlammigen Brunnen ernährten und Kinder an Durchfall starben.

Sie [die Arakan Army] gaben uns nichts, sondern schienen sich sogar zu freuen, wenn jemand starb“, sagte der 60-jährige Mann. „Sie sagten: ‚Das ist nicht euer Land. Das ist unser Land, unser Boden, unser Wasser, unsere Luft – nichts hier gehört euch. Verschwindet aus unserem Land.‘

60-jähriger Mann, der im Lager für Binnenflüchtlinge im Township Buthidaung lebte

Die Arakan Army drohte den Menschen, sie aus Myanmar rauszuwerfen, wenn sie sich nicht an ihre Regeln hielten oder sich weigerten zu arbeiten.

„Keine Schule, keine Medikamente und keine Hilfe“

Ein 25-Jähriger, der nach acht Monaten Vertreibung aus seinem Zuhause im Township Buthidaung im Januar dieses Jahres in Bangladesch ankam, beschrieb die Bedingungen in dem Lager für Binnenvertriebene, in dem er lebte, als „schrecklich“.

Wir hatten keine Schule, keine Medikamente und keine Hilfe. Gelegentlich nahmen wir heimlich etwas Reis aus Dörfern mit, die nicht niedergebrannt waren. Wir haben Wasser aus einem einzigen Teich genutzt und brauchten die Erlaubnis der Arakan Army, wenn wir irgendwo hingehen wollten.

25-Jähriger Mann, der im Township Buthidaung lebte

Er berichtete, sein Bruder sei von der Arakan Army angeschossen und verletzt worden, als Soldat*innen versuchten, große Gruppen von Menschen zum Umsiedeln zu zwingen und diese sich nicht schnell genug bewegten. Bei einer anderen Gelegenheit, so der Mann, habe die Arakan Army ihn verdächtigt, Teil einer bewaffneten Rohingya-Gruppe zu sein, und ihn geschlagen, um Informationen aus ihm herauszubekommen. Als seine schwangere Frau sie bat, damit aufzuhören, wurde auch sie geschlagen, was nach Ansicht des Paares zu Entwicklungsstörungen ihres Babys nach der Geburt führte.

„Die Arakan Army hat uns schlimmer behandelt als das Militär von Myanmar. Wann immer es zu Kämpfen zwischen den beiden Konfliktparteien kam, zwangen sie uns, die Folgen zu beseitigen, Leichen und Trümmer aufzulesen und sie in den Fluss zu werfen. Ich musste dies zehn Mal ohne Bezahlung tun. Alle Familien mussten jemand im Alter zwischen 15 und 70 Jahren zur Zwangsarbeit schicken. Wer ablehnte, wurde geschlagen“, sagte er.

Eine 35-jährige Frau, die ebenfalls im Januar 2025 in Bangladesch ankam, nachdem sie mit ihren Kindern fünf Tage lang durch bergiges Gelände gelaufen war, berichtete, dass Bäuer*innen Steuern in Form von Reis an die Arakan Army zahlen und Rohingya kostenpflichtige Anträge stellen mussten, um eine Reisegenehmigung zu erhalten.

„Unter der Kontrolle der Arakan Army wurde jeder Haushalt gezwungen, Nachtwachen zu stellen, Jungen im Alter von zehn Jahren bis hin zu Männern in ihren Siebzigern, und mindestens fünfmal im Monat Familienmitglieder zur Zwangsarbeit zu schicken“, sagte sie und fügte hinzu, dass junge Männer auch zwangsweise zum Kampf rekrutiert wurden. „Wenn sich jemand weigerte, wurde uns gesagt, wir müssten das Land verlassen oder mit Strafen rechnen.“

Die Beschreibungen der von der Arakan Army verhängten Bewegungsbeschränkungen stimmen mit den Angaben in Reisedokumenten überein, die Amnesty International vorliegen. Aus ihnen geht hervor, welche Genehmigungen für Reisen von Ort zu Ort erforderlich sind. Nach Angaben einer befragten Person mussten die vorgeschriebenen Reisedokumente bezahlt werden, und einige waren nur zwei Tage lang gültig. Eine andere Person sagte, dass die Arakan Army nur einer begrenzten Anzahl von Menschen erlaubte, ihre Häuser für grundlegende Besorgungen zu verlassen, und das auch nur für eine Stunde.

Nach internationalem Recht wird Zwangsarbeit definiert als jede Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person unter Androhung einer Strafe verlangt wird und für die sich die Person nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat.

In einer Stellungnahme zu diesen Vorwürfen erklärten Vertreter*innen der Arakan Army gegenüber Amnesty International, dass sie keine Zwangsarbeit bei Zivilpersonen praktizieren würde, sondern dass Häftlinge wie verurteilte Straftäter*innen oder Kriegsgefangene manchmal zur Arbeit herangezogen oder mit Aufgaben betraut würden, um „Bewegung zu haben“. Alle Aufräumarbeiten nach dem Konflikt seien freiwillige Gemeinschaftsarbeit, und es würden zwar Gebühren für Reisedokumente anfallen, allerdings nur in Höhe von rund 2.000 bis 3.000 Myanmar-Kyat, was umgerechnet etwa 0,80 bis 1,20 Euro entspricht.

„Wir durften nicht fischen“

Wie das Welternährungsprogramm im August 2025 mitteilte, „führt eine tödliche Kombination aus Konflikt, Blockaden und Zahlungskürzungen zu einem drastischen Anstieg von Hunger und Mangelernährung“. Es fügte hinzu, dass die Anzahl von Familien, die grundlegende Ernährungsbedürfnisse nicht befriedigen können, im Zentrum des Bundesstaats Rakhine auf 57 Prozent gestiegen ist, während sie im Dezember 2024 noch bei 33 Prozent lag. Nach seinen Angaben war die Lage im Norden des Bundesstaats, in dem keine internationalen Organisationen tätig sind, wahrscheinlich „viel schlimmer“.

Ein 45-jähriger Mann, der im Juli 2025 nach Bangladesch gekommen war, erzählte, dass Angehörige der ethnischen Gemeinschaft der Rakhine im Township Buthidaung im Gegensatz zu Rohingya fischen und sich frei bewegen durften.

Wir durften nicht fischen oder an den Fluss gehen. Wir konnten weder arbeiten noch Essen kaufen. Die Arakan Army hat begonnen, Geld von uns zu verlangen, hat uns als Zwangsarbeiter ohne Bezahlung eingesetzt und den Verkehr zwischen den Dörfern verboten. Wer sich weigerte, wurde hart bestraft.

45-jähriger Mann, der aus dem Township Buthidaung nach Bangladesch kam

Er fügte hinzu, dass dies auch Inhaftierung und die Verweigerung von Nahrung einschloss.

„Eines Tages habe ich versucht, fischen zu gehen, um überleben zu können. Die Arakan Army hat mich gefasst, mit einem Gewehr geschlagen ... und mir den Fisch weggenommen, den ich gefangen hatte."

Vertreter*innen der Arakan Army erklärten gegenüber Amnesty International, dass die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und der Lebensgrundlagen nicht diskriminierend seien und auch für die Rakhine-Gemeinschaften gelten würden. Nach ihren Worten seien die Einschränkungen notwendig, um die Sicherheit der Gemeinschaft angesichts des bewaffneten Konflikts zu gewährleisten. Außerdem fügten sie hinzu, dass die Rohingya – die sie als Muslim*innen bezeichneten – Arbeit erhielten und ihre Rechte und Freiheiten gewährleistet und geschützt würden. Dabei verwiesen sie auf die kürzliche Eröffnung einer lange geschlossenen Moschee in Maungdaw.

Wir begrüßen alle Schritte der Arakan Army, den Rohingya-Gemeinschaften ihre lange verweigerten Rechte zu gewähren, und hoffen, dass ihre öffentlichen Bekenntnisse zu Inklusion, Gerechtigkeit und Rechenschaftspflicht der Situation vor Ort entsprechen. Es darf nicht sein, dass sie der internationalen Gemeinschaft das eine sagen und den Rohingya gegenüber etwas anderes tun.

Joe Freeman, Researcher für Myanmar bei Amnesty International