Ein durchgesickerter 66-seitiger Gesetzentwurf zur Änderung des türkischen Strafgesetzbuches und einiger Gesetze würde de facto die Kriminalisierung der LGBTQIA+ Community bedeuten. Bei Trauungszeremonien gleichgeschlechtlicher Paare würde Haft drohen, trans Personen würden kaum noch rechtliche Anerkennung oder medizinische Hilfe bekommen. Amnesty International warnt, dass diese Vorschläge Leben und Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans und intergeschlechtlichen Menschen gefährden. Unter dem fadenscheinigen Deckmantel des Schutzes der „öffentlichen Moral“ und der „Institution Familie“ würden diese Maßnahmen in Wirklichkeit die Struktur der türkischen Gesellschaft bedrohen. Sollten sie in Kraft treten, wäre dies ein schwerer Verstoß gegen die Verpflichtung der türkischen Behörden, die Menschenrechte von LGBTQIA+ Personen und ihren Unterstützer*innen ohne Diskriminierung zu achten, zu schützen und umzusetzen. Sie würden einen enormen Rückschritt bedeuten und müssen entschieden abgelehnt werden.
Der durchgesickerte Entwurf des 11. Justizpakets („11. Yargı Paketi“) beinhaltet Änderungen des türkischen Strafgesetzbuches, des türkischen Zivilgesetzbuches sowie anderer Gesetze. Dies ist das dritte Mal innerhalb der letzten 12 Monate, dass ein Gesetzespaket mit Maßnahmen gegen LGBTQIA+ Personen an die Öffentlichkeit gelangt ist. Die beiden vorangegangenen Vorschläge wurden nicht, wie es das Verfahren im Parlament vorsieht, im Justizausschuss erörtert.
Bis zu vier Jahre Gefängnis für Trauungszeremonien
Die vorgeschlagene Änderung von Paragraf 225 (unmoralische Handlungen) des türkischen Strafgesetzbuches erhöht das Strafmaß für „jede Person, die öffentlich sexuelle Beziehungen oder Exhibitionismus betreibt" auf bis zu drei Jahre und besagt im neuen zweiten Absatz, dass „jede Person, die eine Haltung oder ein Verhalten an den Tag legt, das dem biologischen Geschlecht bei der Geburt und der öffentlichen Moral widerspricht, oder die ein solches Verhalten öffentlich ermutigt, lobt oder fördert, mit Freiheitsentzug von einem bis zu drei Jahren bestraft wird.“
Werden die Vorschläge vorgelegt und vom Parlament angenommen, drohen gleichgeschlechtlichen Paaren, die symbolische Verlobungs- oder Hochzeitszeremonien durchführen, bis zu vier Jahre Gefängnis. Die gleichgeschlechtliche Ehe ist in der Türkei nicht legal.