Das Wegsehen muss jetzt enden – die Prävention und Ahndung beginnen
Die internationale Gemeinschaft, einschließlich Österreich, darf sich nicht hinter rhetorischen Ausflüchten verstecken. Wir erinnern daher Außenminister Schallenberg an den Präventivauftrag laut Artikel I der Völkermordkonvention, der alle Vertragsstaaten verpflichtet, Genozid zu verhindern und zu bestrafen. Das bedeutet, dass auch Österreich als Vertragsstaat der Konvention sich dieser völkerrechtlichen Verpflichtung stellen muss – und zwar jetzt. Auf ein Urteil im Nachhinein zu warten, während vor unseren Augen ein Genozid geschieht, kann nicht genug sein und ist schlicht zynisch. Die Menschen in Gaza können nicht warten. Ein sofortiger Waffenstillstand ist nötig, um Leben zu retten und den Genozid zu stoppen. Gerade das Außenministerium ist besonders gefragt, zur Verhinderung des Völkermords an der palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen beizutragen.
Das Wegsehen zu vieler politischer Entscheidungsträger*innen weltweit hatte bereits den Nährboden bereitet für das aktuelle Vorgehen der israelischen Regierung, das über jede militärische Notwendigkeit hinausgeht. Die Straflosigkeit und anhaltende diplomatische Rückendeckung für dieses Vorgehen im Angesicht eines Genozids müssen jetzt enden – Rechenschaft und aktives Eintreten für humanitäre Hilfe, einen Waffenstillstand und einen Stopp der Waffenlieferungen müssen dagegen umgehend beginnen.
Internationale Strafverfolgung stärken, anstatt sie zu untergraben
Schallenberg verwies auch auf den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH). Der Internationale Strafgerichtshof erließ im November Haftbefehle gegen den israelischen Premier Benjamin Netanyahu, Ex-Verteidigungsminister Yoav Gallant und den Hamas-Anführer Mohammed Diab Ibrahim Al-Masri Deif (in Ermangelung einer Bestätigung seines bereits gemeldeten Todes). Auch wir sind, wie Minister Schallenberg, der Meinung, dass der IStGH auch den Verdacht auf Genozid untersuchen soll. Daher fordern wir den Außenminister und die österreichische Bundesregierung auf, diese Ermittlungen sowie die Vollstreckung von Haftbefehlen zu unterstützen, anstatt den Gerichtshof in Frage zu stellen – wie das in der Vergangenheit leider geschehen ist. Österreich war einer jener Staaten, die die Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofs bei der individuellen Verantwortung für Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Gazastreifen kritisiert haben. Ein Kurswechsel ist hier dringend nötig: Die österreichische Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, dass alle völkerrechtlichen Mittel – sei es der Internationale Strafgerichtshof, der Internationale Gerichtshof oder das Weltrechtsprinzip – genutzt werden, um die Verantwortlichen für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen vor Gericht zu bringen.
Wie der Amnesty-Bericht Genozid belegt
Unser Bericht muss ein Weckruf sein: Er basiert auf monatelangen Recherchen und umfangreicher Beweisführung. Die Ergebnisse sind klar – Israels Handlungen erfüllen die völkerrechtlichen Kriterien eines Genozids. Amnesty International belegte die vorsätzliche Absicht Israels, Palästinenser*innen im Gazastreifen zu vernichten, durch eine ganzheitliche Betrachtung der israelischen Handlungsmuster im Gazastreifen und die Auswertung entmenschlichender und genozidaler Aussagen durch teils hochrangige Angehörige von Regierung und Militär.
Eines unserer übergreifenden Ziele ist es, dass Verantwortliche für völkerrechtliche Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen vor internationalen Gerichten Rechenschaft ablegen müssen und nicht straflos bleiben. Daher ist es eine unserer Kernaufgaben, internationalen Institutionen und Gerichten regelmäßig die von uns gesammelten Beweise vorzulegen und diese in laufende völkerrechtliche Verfahren einzubringen. Das tun wir auch in diesem Fall.