Ein Jahr nach dem 7. Oktober haben wir mit Menschen aus Israel gesprochen, die bei dem grausamen Angriff der Hamas und anderer bewaffneter Gruppen auf Israel Angehörige und Freund*innen verloren haben. Einer von ihnen ist Maoz Inon. Er ist israelischer Unternehmer und Friedensaktivist. Seit der Ermordung seiner Eltern durch die Hamas am 7. Oktober 2023 setzt er sich für ein Ende des Krieges und der Besatzung ein.
Als ich am Nachmittag des 7. Oktober vom Tod meiner Eltern erfuhr, ertrank ich in einem Ozean von Trauer. Es war ein geradezu körperlicher Schmerz, ich war völlig zerstört.
Sie waren wundervolle Eltern und Großeltern. Mit Mitte 70 waren sie noch sehr aktiv und sportlich. In ihrer kleinen Gemeinde hatten sie einen großen Garten, wo sie Obst und Gemüse anbauten. Meine Mutter war Künstlerin. In den letzten Jahren hat sie Tausende Mandalas gemalt. Eines davon hat sie mir geschenkt, darauf stand: „Wir können all unsere Träume verwirklichen, wenn wir den Mut haben, sie zu verfolgen.“
Mein Vater war Landwirt, das ist ein harter Job. Beim Abendessen erzählte er oft von den Herausforderungen auf den Feldern: die Hitzewellen, die Dürren, die Schädlinge. Wenn er darüber sprach, sagte er immer, dass er im nächsten Jahr weitermachen werde, und dass er es dann besser machen werde, indem er aus der Vergangenheit lerne, sich mit anderen Landwirten berate und besseres Saatgut besorge. Genau so mache ich es jetzt auch. Im Oktober ist Saatsaison in Israel, da hat mein Vater 50 Jahre lang Weizen ausgesät. Für mich ist es jetzt Zeit, Hoffnung, Versöhnung und Frieden zu säen.
In der jüdischen Tradition gibt es nach der Bestattung eine siebentägige Totenwache, die Schiv’a. Am zweiten Tag der Schiv’a für meine Eltern bat mein jüngerer Bruder darum, dass wir als Familie eine Nachricht nach außen senden: Wir wollen keine Rache.
Für Israel war der 7. Oktober ein extrem traumatischer Tag. Doch wenn wir das Trauma immer wieder durchleben, in den Medien, in unseren Herzen und Köpfen, dann fallen wir auseinander. Wir müssen aus dem Leid und Schmerz lernen und weitermachen.“