Mitglieder der Rebellenorganisation M23 bewachen den Konvoi von Soldaten der „Demokratischen Kräfte“ (FDLR) © Jospin Mwisha / AFP
Mitglieder der Rebellenorganisation M23 bewachen den Konvoi von Soldaten der „Demokratischen Kräfte“ (FDLR) © Jospin Mwisha / AFP
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Demokratische Republik Kongo: Neuer Amnesty-Bericht dokumentiert Gruppenvergewaltigungen, Entführungen und Tötungen

20. August 2025

Trigger-Warnung: Dieser Text enthält explizite Beschreibungen von sexueller Gewalt. 

Zusammenfassung:

  • Im Osten der Demokratischen Republik Kongo hat sowohl die bewaffnete Gruppe Mouvement du 23 Mars (M23), die Unterstützung aus Ruanda erhält, als auch die von der kongolesischen Armee unterstützten Wazalendo, schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung begangen.

  • Es kam es zu Gruppenvergewaltigungen an Frauen und weiteren Übergriffen gegen die Zivilbevölkerung, die gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen und Kriegsverbrechen darstellen könnten.

  • Amnesty International dokumentiert diese Verbrechen in einem neuen Bericht.

Hintergrund zum Konflikt   

Maßgeblicher Grund für die Gewalt im Osten der Demokratischen Republik Kongo (DRK) ist der Völkermord im Nachbarland Ruanda 1994, bei dem bis zu einer Millionen Menschen ermordet wurden, vor allem Tutsi. Weit über 100 bewaffnete Gruppen sind derzeit in DRK aktiv. Zu den wichtigsten gehören dabei die M23 und die bewaffnete Gruppierung Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas (FDLR). Die M23 gibt vor, Tutsi im Kongo vor weiteren Übergriffen zu schützen. Die Leidtragenden der Auseinandersetzungen sind bis heute Zivilist*innen, die zwischen die Fronten geraten. 

Neuer Amnesty-Bericht dokumentiert schwere Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung

Der englischsprachige Bericht Democratic Republic of Congo: „They said we would die“: M23 and Wazalendo abuses in eastern Congo dokumentiert, wie M23-Kämpfer kongolesische Zivilpersonen getötet, Krankenhäuser angegriffen, Patient*innen entführt und Angehörige der Zivilgesellschaft gefoltert haben und verschwinden ließen. Außerdem wird die zunehmende Militarisierung im Osten der DR Kongo beschrieben. Die M23 hat weite Teile der Region unter ihre Kontrolle gebracht und die Wazalendo haben große Mengen an Munition und Waffen von der kongolesischen Armee (FARDC) erhalten.

Die Brutalität der Kriegsparteien kennt keine Grenzen. Diese Gräueltaten dienen dazu, die Zivilbevölkerung zu bestrafen, einzuschüchtern und zu demütigen, während jede Seite versucht, die Kontrolle zu behalten.

Tigere Chagutah, Regionaldirektor von Amnesty International für das östliche und südliche Afrika

Tigere Chagutah, Regionaldirektor von Amnesty International für das östliche und südliche Afrika, betont zudem:

„Ruanda und die Demokratische Republik Kongo können sich nicht länger vor der Verantwortung drücken; sie müssen alle Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Es ist an der Zeit, dass der Präsident der DR Kongo, Felix Tshisekedi, seiner Verpflichtung zu Gerechtigkeit und Rechenschaftspflicht nachkommt und dafür sorgt, dass die Wazalendo-Kämpfer, die Verbrechen begangen haben, vor Gericht gestellt und andere demobilisiert und wieder in das zivile Leben integriert werden. Als Konfliktpartei muss Ruanda sicherstellen, dass alle ruandischen Streitkräfte in der DR Kongo das humanitäre Völkerrecht einhalten.“

Amnesty International befragte mehr als 53 Überlebende und Zeug*innen, darunter Überlebende von Gruppenvergewaltigungen, Missbrauchsopfer, Angehörige von Getöteten, Inhaftierten oder Verschwundenen, medizinische Fachkräfte, Angehörige der Zivilgesellschaft, Menschenrechtsverteidiger*innen, Rechtsanwält*innen, humanitäre Helfer*innen und Journalist*innen. Zudem hat Amnesty offizielle Erklärungen der M23, audiovisuelles Beweismaterial und Berichte lokaler und internationaler Medien und Menschenrechtsorganisationen überprüft.

Am 18. Juli bat Amnesty International die FARDC um Informationen über das Verhalten ihrer Soldaten sowie die M23 um Informationen zu Menschenrechtsverletzungen und Misshandlungen, die ihnen vorgeworfen werden. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung hatte die Organisation noch keine Antwort erhalten.

„Wenn ihr das nicht wollt, werden wir euch töten“

Von den 14 Überlebenden sexualisierter Gewalt aus Nord- und Süd-Kivu, die von Amnesty International befragt wurden, gaben acht an, von M23-Kämpfern gruppenvergewaltigt worden zu sein, fünf sagten, sie seien von Wazalendo-Kämpfern gruppenvergewaltigt worden, und eine sagte, sie sei von FARDC-Soldaten gruppenvergewaltigt worden.

Alle Überlebenden von Gruppenvergewaltigungen durch M23-Kämpfer sagten, dass die Täter Uniformen trugen, die bei der M23 üblich seien, und Kinyarwanda sprachen –   eine Sprache, die von einigen M23-Kämpfern gesprochen wird. Die Gruppenvergewaltigungen durch M23-Kämpfer fanden zwischen März und Mai 2025 statt, als die Kämpfer Goma und Bukavu im Osten der DRK kontrollierten. Fünf Überlebende gaben an, dass M23-Kämpfer sie in M23-Militäreinrichtungen vergewaltigt haben.

In Bukavu vergewaltigten fünf M23-Kämpfer Beatrice* in einem M23-Militärlager. „Wenn ich jemanden in einer Militäruniform sehe, bin ich traumatisiert. Seit diesem Tag gehe ich nicht mehr hinaus. Wenn ich sie sehe, sticht es mir ins Herz und es schnürt sich alles in mir zusammen“, sagt sie.

Gruppenvergewaltigungen an Frauen und Mädchen

In den Gebieten Rutshuru und Masisi in der Provinz Nord-Kivu sowie im Gebiet Kalehe in der Provinz Süd-Kivu vergewaltigten ganze Wazalendo-Gruppen Frauen und Mädchen. Eine Frau wurde Ende März 2025 gruppenvergewaltigt, zwei weitere Frauen in Masisi im Januar 2024 und zwei im Februar und April 2025. Außerdem liegt Amnesty International ein glaubwürdiger Bericht über die Gruppenvergewaltigung einer jungen Frau durch mehrere Wazalendo-Kämpfer in Rutshuru im März 2025 vor.

Eine andere Frau wurde zwischen zwei Bäumen gefesselt, während sechs Wazalendo sie vergewaltigten. „Sie sollen bestraft werden, damit sie nicht noch jemandem so etwas antun“, sagte sie.

Bei einer weiteren Vergewaltigung durch Wazalendo-Kämpfer beschuldigten diese die Betroffene, die M23 zu unterstützen. Die Täter sprachen Kinyarwanda und vermutlich handelt es sich um Kämpfer der Nyatura, einer bewaffneten Gruppe, der überwiegend Hutu angehören. Sie sagten zu der Betroffenen, dass „jede Frau, die auf das Feld kommt, von uns vergewaltigt wird.“

Eine andere Frau berichtete, sie sei schwanger gewesen, als sie im Februar 2025 in Bukavu von zwei FARDC-Soldaten vergewaltigt wurde. Die Soldaten waren auf der Flucht, bevor die Stadt fiel. Während der Vergewaltigung schrie ihre 14-jährige Tochter aus einem Fenster um Hilfe. Der Soldat sagte: „Wenn sie nicht zurück ins Zimmer geht, bringe ich sie um.“

Für die Frauen im Osten der Demokratischen Republik Kongo ist es nirgendwo sicher; sie werden in ihren Häusern, auf den Feldern oder in den Lagern, in denen sie Schutz suchen, vergewaltigt. Die Welt muss dringend handeln. Alle Kriegsparteien müssen dem Schutz der Zivilbevölkerung, einschließlich Frauen und Mädchen, die nach wie vor die Hauptlast dieses Konflikts tragen, Priorität einräumen.

Tigere Chagutah, Regionaldirektor von Amnesty International für das östliche und südliche Afrika

„Es war, als hätten sie alle Informationen über uns“ – Aktivist berichtet von M23-Folter

M23-Kämpfer haben auch Menschenrechtsverletzungen an zivilgesellschaftlichen Akteur*innen, Journalist*innen, Rechtsanwält*innen und anderen begangen. Amnesty International befragte 12 zivilgesellschaftliche Akteur*innen, Menschenrechtsverteidiger*innen und Journalist*innen, die beschrieben, wie sie von der M23 gefoltert, willkürlich inhaftiert und bedroht wurden oder dem Verschwindenlassen zum Opfer fielen.

Ein im März 2025 von M23-Mitgliedern verschleppter Aktivist gab an, ein M23-Kämpfer habe ihm konkrete Fragen zu Themen gestellt, über die er in der Vergangenheit berichtet habe. „Es war, als ob sie alle Informationen über uns hätten“, sagte er. Die M23-Kämpfer schlugen ihn in beiden Nächten, in denen er inhaftiert war. „Sie haben mich richtig fest geschlagen. Sie hatten Peitschen. Sie schlugen mir auf das Gesäß. Sie schlugen mir auf die Ohren, so dass ich aus der Nase blutete.“

Im Mai wurden Aloys Bigirumwami, ein Mitglied der Jugendbewegung Lutte pour le Changement (LUCHA), und fünf weitere Personen in einem Fahrzeug verschleppt. Aloys Bigirumwami ist seitdem nicht mehr gesehen worden.

Amnesty International dokumentierte fünf summarische Tötungen durch die M23: drei Männer in Goma und ein Vater und sein Sohn in Süd-Kivu. Alle Männer wurden zwischen Februar und Mai 2025 von M23-Kämpfern erschossen oder ihnen wurde die Kehle durchgeschnitten. Im gleichen Zeitraum griffen M23-Kämpfer sechsmal Krankenhäuser in Goma an und entführten oder hielten Patient*innen und Pflegepersonal fest, darunter auch FARDC-Soldaten, die verletzt waren, noch behandelt werden mussten oder sich im Krankenhaus versteckt hielten.

Am 19. Juli 2025 unterzeichneten Vertreter*innen der DR Kongo und der M23 in Doha, der Hauptstadt Katars, eine von der katarischen Regierung vermittelte „Grundsatzerklärung“, in der sie sich verpflichteten, auf ein endgültiges Friedensabkommen hinzuarbeiten, das mit dem von der DR Kongo und Ruanda am 27. Juni 2025 in Washington, D.C., unterzeichneten Friedensabkommen übereinstimmt.

Während die diplomatischen Bemühungen weitergehen, fordert Amnesty International Katar auf, die M23 zu drängen, die Entführung und das Verschwindenlassen von Personen einzustellen. Darüber hinaus sollten die USA die kongolesische Regierung dazu drängen, einen Überprüfungsmechanismus einzuführen, um Mitglieder bewaffneter Gruppen und Angehörige der Sicherheitskräfte, die möglicherweise in schwere Menschenrechtsverletzungen verwickelt sind, zu identifizieren, vom Dienst zu suspendieren und vor Gericht zu stellen.

Tigere Chagutah, Regionaldirektor von Amnesty International für das östliche und südliche Afrika