Menschenrechtler*innen in China werden als Staatsfeinde behandelt, weil sie ihre Meinung geäußert, sich friedlich organisiert oder mit der Außenwelt Kontakt aufgenommen haben. Ihre Tapferkeit wird mit Gefängnis, Folter und Scheinprozessen bestraft.
In mehr als 90% der von Amnesty International untersuchten Fälle stützten sich die Gerichte auf Bestimmungen über die nationale Sicherheit oder öffentliche Ordnung, die vage Definitionen enthalten, übermäßig weit gefasst sind und internationalen Standards zuwiderlaufen. Am häufigsten wurden Vorwürfe erhoben wie „Untergrabung der Staatsgewalt“, „Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt“ und „Provokation von Streit und Sabotage der gesellschaftlichen Ordnung“, was die Behörden in die Lage versetzte, friedliche Äußerungen und Vereinigungen zu kriminalisieren.
Häufig zogen die Gerichte Online-Inhalte wie Blogbeiträge, Kommentare in den Sozialen Medien oder das Teilen von Menschenrechtsartikeln als Beweis für „Untergrabung der Staatsgewalt“ heran.
Internationale Aktivitäten wurden routinemäßig als kriminelle Aktivitäten gebrandmarkt. So wurden beispielsweise Interviews mit ausländischen Medien, die Veröffentlichung von Artikeln auf ausländischen Websites oder die Teilnahme an Schulungen von NGOs im Ausland als Beweise für eine „geheime Absprache mit ausländischen Kräften“ angeführt.
Gleichzeitig wurden die Verfahrensrechte der Betroffenen durchweg verletzt: Angeklagte hatten keinen Zugang zu Rechtsbeiständen ihrer Wahl, mussten lange Zeit in Untersuchungshaft verbringen oder wurden unter „Überwachung an einem dafür vorgesehenen Ort“ gestellt – eine Praxis, die dem Verschwindenlassen gleichkommt und in manchen Fällen als Folter und andere Misshandlung eingestuft werden kann. In 67 von 68 geprüften Fällen, in denen Urteile ergangen sind, wurden die Angeklagten schuldig gesprochen. Bis auf drei Personen wurden alle zu Gefängnisstrafen zwischen 18 Monaten und 19 Jahren verurteilt.
Grundfreiheiten werden kriminalisiert
Amnesty stellte fest, dass die chinesischen Gerichte Kritik an der Regierung systematisch mit einer Bedrohung der nationalen Sicherheit gleichsetzten. In einem Fall wurde ein Menschenrechtsanwalt wegen „Untergrabung der Staatsgewalt“ verurteilt, nachdem er Personen in politisch sensiblen Fällen vertreten und die Familien von Inhaftierten unterstützt hatte.
Ein weiteres Beispiel ist der mittlerweile verstorbene Nobelpreisträger Liu Xiaobo, der zu elf Jahren Gefängnis verurteilt wurde, weil er die Charta 08 mitverfasst hatte, ein politisches Manifest, das politische Reformen einforderte. Auch Frauen, die sich für die Menschenrechte einsetzen, werden ins Visier genommen. Eine Aktivistin wurde wegen “Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt“ schuldig gesprochen, weil sie Artikel über Frauen- und Landrechte verfasst hatte.