
Bezahlkarte in Niederösterreich: Wie sie den Alltag von asylsuchenden Menschen einschränkt
5. November 2025Seit November 2024 hat Niederösterreich offiziell eine sogenannte „Bezahlkarte“ eingeführt, die dem Modell einer Sachleistungskarte entspricht.
Amnesty International Österreich hat zwischen Mai und September 2025 mit 20 Personen in Niederösterreich gesprochen, darunter asylsuchende Menschen und Vertreter*innen von Sozialorganisationen. Die Gespräche zeigen deutlich, dass die aktuelle Ausgestaltung der Bezahlkarte negative Auswirkungen auf die Selbstständigkeit, soziale Teilhabe und das Wohlbefinden der asylsuchenden Menschen hat.
Die Bezahlkarte ist eine Pluxee-Guthabenkarte, die jedoch in ihrer konkreten Ausgestaltung erhebliche Einschränkungen auf: Schutzsuchende Menschen bekommen täglich nur 5,71 Euro auf die Karte geladen. Sie kann nur in bestimmten Einzelhandels-Supermärkten verwendet werden, Bargeldabhebungen und Überweisungen sind ausgeschlossen, und die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel sowie der Kauf in Apotheken und das Einkaufen in Sozialmärkten ist ebenfalls nicht möglich. Zusätzlich kommt es immer wieder zu technischen Problemen.
Ich musste zum Zahnarzt, weil ich Zahnschmerzen hatte, dieser Zahnarzt ist in St. Pölten. Ich bezahle ungefähr 22€ für eine einfache Zugfahrt [Anm. für eine einfache Hinfahrt und ohne Rückfahrt]. Ich hatte bei diesem Zahnarzt drei Termine in diesem Monat und wie soll ich mit diesen 40€ [Bargeld] die Zugfahrt bezahlen.
Ali [Name geändert]
Österreich ist als Mitgliedstaat der Europäischen Union verpflichtet, bis Juli 2026 die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) umzusetzen. Ein Teil dieser Reform ist die Überarbeitung der EU-Aufnahmerichtlinie, die verdeutlicht, dass alle Asylsuchenden Anspruch auf einen angemessenen Lebensstandard haben. Die Mitgliedstaaten sind dafür verantwortlich, diese Bedingungen festzulegen und zu gewährleisten.
Als wir die Karte bekommen haben, konnten wir nur bei den großen Supermärkten einkaufen, aber diese haben nicht alle unsere Bedürfnisse gedeckt, weil wir die meisten Nahrungsmitteln aus arabischen Supermärkten oder orientalischen Supermärkten benötigen, da diese günstiger sind.
Mateo [Name geändert]
Darüber hinaus ist Österreich aufgrund der Ratifizierung des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR) und der Europäischen Sozialcharta verpflichtet, die darin enthaltenen Rechte zu achten, zu schützen und zu erfüllen.
Vor diesem Hintergrund spricht Amnesty International Österreich die folgenden Empfehlungen an die niederösterreichische Landesregierung aus:
- Eine Evaluierung der aktuellen Ausgestaltung der Bezahlkarte in Hinblick auf die Zweckmäßigkeit der mit der Bezahlkarte einhergehenden Ausnahmen mit dem Ziel, Menschen im Asylverfahren einen angemessenen Lebensstandard zu ermöglichen; unter Berücksichtigung,
- dass diese Evaluierung unter Einbezug der Expertise und Erfahrungen relevanter Sozialorganisationen sowie asylsuchenden Menschen stattfindet
- dass die Möglichkeiten der Bezahlung mit der Bezahlkarte breitmöglich ausgeweitet werden, jedoch mindestens auf Apotheken, weitere Lebensmittelgeschäfte, Sozialmärkte als auch für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel;
- dass die wiederkehrenden technischen Probleme überprüft und umgehend behoben werden.
Zwischen Mai und September 2025 sprach Amnesty International Österreich mit 20 Personen in Niederösterreich – darunter Asylsuchende und Vertreter*innen von Sozialorganisationen. Die Gespräche verdeutlichen, dass die derzeitige Regelung der Bezahlkarte die Selbstständigkeit, soziale Integration und das Wohlbefinden von asylsuchenden Menschen einschränkt: “Ich fühle mich wie in einem Gefängnis”: Die niederösterreichische Bezahlkarte schränkt den Lebensalltag ein”


