„Wir waren alle am Boden zerstört“
Schüler*innen, Lehrer*innen, Schulleiter*innen und Frauenaktivist*innen waren erschüttert, als sie nur wenige Stunden, nachdem sie an die Schulen zurückgekehrt waren, von der neuen Anordnung der Taliban erfuhren. Erneut sahen sie sich mit einer Realität konfrontiert, in der ihnen Bildung verweigert wird.
Seit ihrer Machtübernahme in Afghanistan vor sieben Monaten haben sich die Taliban mehrfach verpflichtet, das Recht von Mädchen auf Bildung zu respektieren. Das de-facto Bildungsministerium der Taliban hatte am 20. März in einer Stellungnahme angekündigt, dass alle Schulen nach den Winterferien am 23. März wieder öffnen würden. Dennoch blieben die weiterführenden Schulen für Mädchen geschlossen. In der Provinz Herat blieben die Sekundarschulen nur für zwei Tage geöffnet. Am dritten Tag wurde den Schülerinnen mitgeteilt, dass die Schulen für sie geschlossen bleiben würden.
Die 17-jährige Nadia besucht die 12. Klasse in der Provinz Badachschan. Sie erzählte Amnesty International am 24. März: „Ich war wahnsinnig aufgeregt und ging mit riesiger Hoffnung in die Schule. Dort traf ich meine Klassenkamerad*innen und Lehrer*innen. Wir waren alle so glücklich und freuten uns auf den Unterrichtsbeginn. Doch nach einigen Minuten kam unsere Schulleiterin und teilte uns mit, dass wir alle wieder gehen müssten. Sie hatte die Anweisung erhalten, die Mädchenschule zu schließen. Wir waren alle am Boden zerstört. Einige von uns fingen an zu weinen, anderen hatte es die Sprache verschlagen. Ich wollte die Schule nicht wieder verlassen, aber ich zwang mich, zum Ausgangstor zu gehen. Es hat mir das Herz gebrochen, die Schule wieder zu verlassen, ohne zu wissen, ob es mir je wieder erlaubt sein wird zurückzukommen.“
Frauen und Mädchen protestieren auf den Straßen Kabuls, Nangarhars und Badachschans
Seit dem 23. März protestieren in Kabul, Nangarhar und Badachschan Einwohner*innen, Schüler*innen und Frauenrechtler*innen und fordern von den Taliban, die weiterführenden Schulen für Mädchen sofort wieder zu öffnen. Am Samstag gingen mehrere junge Frauen dafür in Kabul auf die Straße. In von Amnesty International verifizierten Videos sah man Frauenaktivist*innen, die mahnten, dass dieser Schritt zu einem Verlust von Talenten führen würde. Außerdem würde die erzwungene Isolation eine Traumatisierung zur Folge haben und Zukunftsperspektiven zunichtemachen.
„Wir haben den Taliban unseren Stift gezeigt und ihnen gesagt, dass wir ein Recht auf Bildung haben. Wir sangen im Chor: ‚Wir wollen lernen!‘“
Verschiedene weiterführende Schulen in Kabul berichteten, dass Mädchen auf ihr Schulgelände zurückkehrten, doch schon kurz darauf die Anweisung erhielten, wieder nach Hause zu gehen. Die 16-jährige Nakisa, die in Kabul die 11. Klasse besucht, war eine der Schülerinnen, die am 23. März zur Schule gingen.