"Die internationale Gemeinschaft muss die Frist für die Evakuierung verlängern und dafür sorgen, dass diejenigen, die Afghanistan verlassen wollen, dies auf sicherem Weg tun können. Dazu muss sichergestellt werden, dass die Menschen an Bord von Flügen gehen können und die Visumspflicht für die am meisten gefährdeten Personen ausgesetzt wird. Dies ist umso dringlicher, als immer wieder Informationen über Misshandlungen, gezielte Entführungen und Tötungen durch die Taliban auftauchen.”
Tausende von Afghan*innen kommen immer noch auf dem internationalen Flughafen Hamid Karzai in der Hauptstadt Kabul an und versuchen verzweifelt, an Bord von Evakuierungsflügen zu gelangen. Viele müssen Spießrutenläufe durch die Taliban-Kontrollpunkte hinter sich bringen, um die Flugsteige zu erreichen. Bis zu 20 Menschen wurden beim Versuch, den Flughafen zu betreten, getötet. Sie erlitten Schussverletzungen, als das US-Militär und die Taliban in die Luft schossen, um die Menge unter Kontrolle zu bringen, oder wurden von der in den Flughafen drängenden Menge erdrückt. Die Taliban haben erklärt, dass sie einer Verlängerung nicht zustimmen werden und nicht wollen, dass Afghan*innen das Land verlassen. Dies verstärkt die Befürchtung , dass sie ihr Versprechen, die internationalen Menschenrechte zu wahren und zu garantieren, nicht einhalten werden.
Zunehmende Verfolgung, Tötungen und Misshandlungen
Die zunehmenden Berichte über Menschenrechtsverletzungen haben Befürchtungen aufkommen lassen, was die Taliban-Herrschaft mit sich bringen wird.
Seit dem 25. August sind Berichte aufgetaucht, wonach die Taliban in Kabul Hausdurchsuchungen auf der Suche nach Menschenrechtsverteidiger*innen und Journalist*innen durchführen. Einem Bericht zufolge erschossen die Taliban – als sie einen Journalisten nicht ausfindig machen konnten – eines seiner Familienmitglieder und verletzten ein weiteres.
In der ersten Woche ihrer Machtübernahme in der Hauptstadt Kabul versicherten die Taliban den Frauen und der internationalen Gemeinschaft öffentlich, dass die Rechte der Frauen gemäß der Scharia geschützt würden. Doch schon wenige Tage später forderten sie Journalistinnen auf, nicht mehr zur Arbeit zu erscheinen.
Im Juli entführten, misshandelten und töteten die Taliban Nazar Mohammed, einen beliebten Komiker, der als Khasha Zwan bekannt war. Zunächst leugneten sie die Tötung, bekannten sich aber später zu dem kaltblütigen Mord. Hunderte von Verhaftungen und Entführungen durch die Taliban in Spin Boldak, Kandahar, wurden ebenfalls dokumentiert.
Bei einem anderen Vorfall wurden Afghan*innen, die am Unabhängigkeitstag die Nationalflagge schwenkten, von Taliban-Kämpfern gewaltsam auseinandergetrieben. In Dschalalabad starben mindestens drei Menschen und weitere wurden verletzt, was die Sorge um die Meinungsfreiheit unter der Herrschaft der Taliban verstärkt.